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Raumsimulationen für Kopfhörer

Von zu Hause arbeiten, auf teure Raumakustikelemente verzichten, Nachbarn schonen – Mixing mit Kopfhörern wird nicht ohne Grund immer populärer unter Producern. Allerdings bringt das Producing über Kopfhörer ein paar Probleme mit sich, die dann beim Hören ohne Kopfhörer klar werden. Daher wächst die Zahl der Plugins für virtuelle Mixing-Räume, die hier Abhilfe versprechen. Was können Slate VSX, Waves NX, Sonarworks SoundID und Co.?

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Wer hauptsächlich mit Kopfhörern produziert und seine Tracks so abmischt, wird beim Testhören auf Earbuds oder im Auto immer wieder böse Überraschungen erlebt haben. Zu viel Bass oder Reverb, eine nicht funktionierende Tiefenstaffelung mit zu lauten Hihats und zu dumpfen Vocals – das klang doch auf den Kopfhörern noch so gut! Studiokopfhörer klingen zwar um einiges linearer als Consumer-Modelle, aber auch sie bringen oft Anhebungen im Bass-Bereich oder eine unsaubere Darstellung der Höhen mit. Dadurch passiert es schnell, dass man im Mixing die Spuren so balanciert, dass der Track draußen zu basslastig oder zu dumpf klingt. 

Details

WTF is HRTF? – Warum Kopfhörermixe oft nicht funktionieren

Selbst die teuersten Studiokopfhörer mit dem linearsten Frequenzgang können rein physisch das Problem der fehlenden räumlichen Wahrnehmung nicht lösen. Durch die anliegenden Kopfhörermuscheln sind unsere Ohren voneinander isoliert. Zum Vergleich: Beim Abhören über Studiomonitore, beim Testhören und auch beim Hörenim Auto sind sie das nicht. Hier hört das linke Ohr zuerst den Schall der linken Box, dann einige Millisekunden später den der rechten, und umgekehrt – Crossfeed. 
Darüber hinaus haben weitere Faktoren Einfluss darauf, wie Räume wahrgenommen werden ­– zum Beispiel die Anatomie unseres Kopfes, also Größe, Position der Ohren etc. Unser Kopf dämpft Frequenzen und Lautstärke, bevor beispielsweise der Schall von links am rechten Ohr ankommt. Einfach, weil er da ist. Nur durch diese Unterschiede kann unser Hirn überhaupt ausmachen, wo eine Schallquelle im Raum positioniert ist. Man spricht in der Akustik von der „Head-Related Transfer Function“ (HRTF). Crossfeed und HRTF haben erheblichen Einfluss auf unsere räumliche Wahrnehmung. Bei der Arbeit mit Kopfhörern fehlen sie. Dadurch treffen wir bei Panning, Tiefenstaffelung und im Mixing Entscheidungen, die unsere Tracks draußen nicht mehr gut klingen lassen. 
Eine Software für Virtual Mixing Rooms greift also nicht aktiv ins Mixing ein, sondern verändert das DAW-Signal auf den Kopfhörern im Idealfall so gut, dass man Mixentscheidungen für eine optimale Übersetzung trifft. Das jeweilige Plugin muss daher immer als hinterstes auf dem Master liegen und deaktiviert werden, bevor man den fertigen Mix exportiert.

#1: Slate Audio VSX – Bundle aus Kopfhörern und Software

Slate Audio ist unter anderem bekannt für den Mixing-Channelstrip Virtual Mix Rack oder die Steven Slate Drums 5. Seit Oktober 2020 ist nun mit VSX ein Bundle aus Software und linearen Studiokopfhörern auf dem Markt. Die Software bringt fünf Studios, sechs Kopfhöreremulationen und fünf Consumer-Profile mit.

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Die Studioräume sind den berühmten Mixing-Studios in den USA nachempfunden: Steven’s Mix Room, Howie Weinberg Master, NRG, Archon und Sonoma Studio. Bei allen Studios sind mehrere Monitoring-Optionen anwählbar. Meistens gibt es die klassische Aufteilung in kleine Near-Field-Modelle, größere Mid-Fielder und gigantische Far-Field-Modelle. Als Kopfhöreremulationen sind Klassiker wie die DT-770 Pro von Beyerdynamic oder die HD650 von Sennheiser dabei. Bei den Consumer-Devices sind Autoradios eines SUV und eines Teslas, eine Bluetooth-Box, ein audiophiles HiFi-System und eine Club-PA dabei. 
Mixfehler sind in allen Studioräumen deutlich zu hören. Hier entscheidet der persönliche Geschmack darüber, welches Studio einem liegt. Die fünf Consumer-Profile helfen beim Optimieren der Übersetzung. Aber auch schon beim Produzieren ist das VSX-System hilfreich. Unpassende Sounddesign- oder Arrangement-Elemente sind in den virtuellen Studioräumen noch deutlicher zu hören als ohne den Einsatz der Software.

Fotostrecke: 2 Bilder Aus diesen sechs Studios kann gewählt werden. Alle haben zwei bis drei Monitorgrößen zur Auswahl.

Es sollte hier jedoch darauf hingewiesen werden, dass es VSX nur als Plugin gibt, nicht zusätzlich als Systemwide-Software, wie beispielsweise bei dSoniq Realphones oder Sonarworks SoundID Reference. Im jetzigen Zustand kann es ohne zusätzliche Software zu heftigen Lautstärkesprüngen kommen, falls man zum Beispiel von der DAW zum Browser wechselt, um kurz etwas auf YouTube schauen oder in Splice ein Sample zu laden. Hier findet ihr mehr Infos.

#2: Waves Nx – Legendäre Studios und Head Tracker

Waves Audio war mit Nx einer der Pioniere auf dem Markt des Kopfhörer-gestützten Mixings. Von Anfang an lag der Fokus der Nx-Plugins auf der Problematik der mangelnden Räumlichkeit bei der Arbeit mit Kopfhörern. Denn sitzt man in der Phantommitte eines Stereopanoramas (also zwischen zwei Monitorboxen) und dreht leicht den Kopf, verändert sich die Akustik.

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Also muss der Rechner unserer Kopfbewegung irgendwie folgen können. Bei Nx passiert das mit Head Tracking. Als eine Variante kann die eigene Webcam im Laptop oder auf dem heimischen Bildschirm genutzt werden. Wie gut das Tracking hier arbeitet, hängt stark von den Lichtverhältnissen und der Leistungsfähigkeit der Kamera ab. 
Ist keine Webcam vorhanden oder man produziert beispielsweise lieber mobil oder im Halbdunkeln, gibt es von Waves noch einen zusätzlich erhältlichen Bluetooth-Head-Tracker. Dieser wird auf den Bügel des eigenen Kopfhörers geklemmt. Die Nx-Software erkennt den Tracker und richtet sich entsprechend ein. Auch können Webcam und Bluetooth Tracker im „Sensor Fusion“-Modus für noch flüssigeres Tracking kombiniert werden.

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Softwareseitig gibt es vier virtuelle Mixing Rooms. Der Virtual Mix Room ist im Standard-Nx-Paket dabei. Neben Einstellungen zum Head-Tracking und der Kopfgröße für den virtuellen HRTF-Effekt kann der Anteil der Räumlichkeit und die Position der virtuellen Lautsprecher bestimmt werden. Im Virtual Mix Room kann außerdem aus zwölf Kopfhörermodellen bei der Frequenzkorrektur ausgewählt werden.

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Bei CLA Nx, Nx Ocean Way Nashville und Abbey Road Studio 3 hat Waves seiner Nx-Technologie noch virtuelle Mixing-Räume dreier berühmter Studios mitgegeben. Bei CLA handelt es sich um Chris Lord-Alge, einen der profiliertesten Rock-Mixing-Engineers. Lord-Alges eigenes Mixing-Studio Mix LA wird in CLA Nx simuliert. Nx Ocean Way Nashville und Abbey Road Studios 3 bringen zwar leicht andere Optik, aber die gleiche Funktionalität wie CLA Nx mit: Akustik eines legendären Studios, jeweils mehrere Monitormodelle, zwölf Kopfhörerprofile und die Nx Head Tracking Technologie. 

#3: dSoniq Realphones – Detaileinstellungen und Filmstudio in Moskau

Realphones von dSoniq ist die günstigste Lösung in unserer Übersicht. Das macht sie nicht weniger nützlich. Über 140 Profile zur Korrektur des Kopfhörerfrequenzgangs, ein virtueller Mixing Room mit drei Monitorpaaren, eine Vielzahl an Profilen von Consumer-Devices zum Testhören. Eine 41 Tage lange Demo mit vollem Funktionsumfang erlaubt umfangreiches Testen. 

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Realphones gibt es in drei Ausführungen: Lite, Standard und Ultimate. Sie unterscheiden sich in der Anzahl der mitgelieferten Kopfhörerprofile. Dazu ist ein virtueller Mixing-Raum, das Moscow Film Studio, im Paket enthalten. Das mag im Vergleich zu den sechs Räumen in VSX und den vier in Nx wenig wirken, allein aber die Menge an zusätzlichen, nützlichen Features gleichen das aber schon mehr als aus.
So schützt ein eingebauter Limiter vor ungewollten Pegelspitzen, unzählige Parameter (Raumanteil, Kopfhörerkorrektur, Kopfhöreralter, Winkel der virtuellen Monitore, Seiten- oder Mittensignal) bieten Anpassung bis ins kleinste Detail, über Lock Parameter können beim Wechsel zu einem anderen Preset Einstellungen einzelner Regler behalten werden.

Fotostrecke: 2 Bilder Jede Anpassung in Realphones verändert die Korrektur-EQ-Kurve. Das Resultat wird sofort angezeigt.

Darüber hinaus ist bei Realphones auch eine Systemwide-App dabei, die einen zusätzlichen Audiotreiber installiert. So laufen dann alle Audioquellen des Systems über die Software und nicht nur die DAW. Damit springt die Lautstärke nicht, falls man zwischen DAW und Browser oder einem zweiten Programm wie einem externen Sample-Editor wechselt.

#4: Dear Reality DearVR Mix – Immersive-Audio Lite

Der Vollständigkeit halber soll „DearVR Mix“ von Dear Reality auf unserer Liste auch erwähnt werden. Das Tool der Immersive-Audio-Spezialisten bringt drei virtuelle Mix-Räume und sechs Check-Umgebung wie ein Autoradio, Stadionlautsprecher oder ein Küchenradio mit. Damit können Mixe nicht nur im virtuellen Raum abgemischt, sondern ihre Übersetzung nach draußen gleich getestet werden. Dazu sind Kalibrierungsprofile von 44 gängigen Studiokopfhörern dabei. Im Vergleich zur Konkurrenz ist hier aber zu dem Preis um Einiges weniger geboten. Wer es aber ganz simpel ohne viel Schnickschnack und Einstellungsmöglichkeiten mag, für den ist „DearVR Mix“ durchaus empfehlenswert.

#5: Sonarworks SoundID Reference – Systemaudio und Messmikrofon

Reference von Sonarworks ist seit Jahren eine feste Größe bei Frequenzkorrektursoftware für Studios und Kopfhörer. Die Software korrigiert Raumakustik virtuell bei der Arbeit mit Monitoren und bringt dazu mittlerweile 532 (!) Kalibrierungsprofile von Frequenzgängen von Studio-Kopfhörern mit. Virtuelle Mixing Rooms gibt es bisher nicht. Bei der Software ist wie bei Realphones nicht nur eine Plugin-Version, sondern auch eine Systemwide-App mit dabei.

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Seit kurzem gibt es mit SoundID Reference eine neue Version. Eine komplett überarbeitete Oberfläche, ein zusätzlicher Multiband-EQ für individuelle Anpassungen und komplexere Routing-Optionen sind mit an Bord. Außerdem können mit dem Translation Check Frequenzkurven von Consumer-Produkten geladen werden. So könnt ihr auch unter Reference prüfen, wie euer Mix auf einem Smartphone-Lautsprecher oder auf Earbuds klingen würde. 
SoundID Reference ist also eine gute Unterstützung, um bei Kopfhörern einen möglichst linearen Frequenzgang zu erreichen. Allerdings macht das Fehlen von virtuellen Studios oder Crossfeed (siehe #5) die Software allein nur bedingt empfehlenswert für Mixing auf Kopfhörern.

#6: Goodhertz CanOpener – Crossfeed-Plugin

Wer SoundID Reference von Sonarworks schon sein Eigen nennt oder meint, dass die eigenen Kopfhörer linear genug klingen, dem sei CanOpener von Goodhertz ans Herz gelegt. Der Hersteller empfiehlt sogar, CanOpener und SoundID Reference zu kombinieren. Ladet erst das Kopfhörer-Profil bei Sonarworks und dann mit CanOpener virtuelles Crossfeed dahinter.

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Das Plugin simuliert Crossfeed, ein virtueller Mixing Room ist nicht mit dabei. Stärke und Frequenzbereich des Crossfeeding können bequem den eigenen Bedürfnissen angepasst werden. Außerdem kann mit CanOpener die Mono-Kompatibilität überprüft werden. 

#7: Freeware-Alternativen

Wer sich grundsätzlich erst einmal mit dem Thema virtuelle Mixräume und Kopfhörermixing vertraut machen möchte und schon alle Demo-Laufzeiten ausgereizt hat, für den haben wir noch zwei Freeware-Lösungen parat. Das Plugin Beyerdynamic Virtual Studio (bvs) hat der gleichnamige Kopfhörerhersteller zusammen mit dem Institut für Technische Akustik in Aachen entwickelt. In vier Räumen kann der eigene Mix getestet werden: Stereoraum, 5.1-Raum, Autoradioakustik und Club-PA. Einstellungsmöglichkeiten und Kopfhörerfrequenzkorrektur fehlen in der Freeware leider.

Fotostrecke: 2 Bilder Vier virtuelle Räume bringt das Plugin mit. Zwischen ihnen kann über die roten Buttons gewechselt werden.

Sienna Rooms Free vonAcustica Audio und wird über die App Aquarius installiert. Die große, kostenpflichtige Version bietet über 230 Kopfhörerprofile, 8 Virtual Mixing Rooms und eine wachsende Zahl an Zusatz-Packs für weitere Studiosimulationen. Auch eine Systemwide-App ist mit dabei. In der Freeware-Version sind alle Kopfhörerkorrekturprofile und ein einzelner Mixing Room dabei.

#8: Hardware – Phonitor und Anbuis

Das Problem der mangelhaften Stereoabbildung und den damit verbundenen Problemen beim Mischen mit Kopfhörern ist nicht nur Softwareherstellern bekannt. So bietet SPL mit dem Phonitor bereits seit einiger Zeit einen Kopfhörerverstärker an, der sich zumindest einer der Schwachstellen widmet: Crossfeed. Über virtuelles Crossfeeding speist Phonitor Signalanteile der zwei Stereoausgänge ineinander und schafft so mehr Räumlichkeit.

Fotostrecke: 2 Bilder Falls die Webcam den Kopf schief erfasst, kann dessen virtuelle Position über Sweet Spot wieder auf die Mitte gesetzt werden.

Von Merging Technologie gibt es mit dem Anubis ein absolutes Premium-Audio-Interface, das neben Crossfeed auch Korrekturkurven aus Sonarworks SoundID Reference laden kann. Das Interface kann mit diesen Kurven sogar im Stand-alone-Modus genutzt werden, also ohne Rechnerbindung. Neben Treibern für Windows- und Mac-Systeme ist das Anubis dazu auch auf Linux-System nutzbar.

Fazit

Die Zukunft des Mixings liegt wie die des Produzierens zunehmend auf Kopfhörern. Neben den von uns empfohlenen Plugins wächst die Zahl der Virtual Mixing Rooms fast im Monatstakt. Mit welchem Mixing-Tool arbeitet ihr am liebsten? Schreibt uns in die Kommentare!

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Tim sagt:

#1 - 15.08.2022 um 09:31 Uhr

3

Schön wäre etwas mehr Aussagekraft für die Quaitlitätunterschiede gewesen. Insb. wie Hardware gegenüber Software abschneiedet. Lohn sich der Phonitor gegenüber Goodhertz CanOpener?

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