Nur ein schöner Effekt? Keineswegs, denn MIDI-FX-Plugins (FX = Effekt) legen den harmonischen Fundus für ein gesamtes Musikstück, helfen beim Finden von passenden Bass- und Hooklines und vereinfachen das Arrangieren zudem mit rhythmischen Schablonen, was gerade das Produzieren elektronischer Musik vereinfacht. Dies unterscheidet sie deutlich von den zahlreichen Effekt-Plugins für den Groovefaktor einer Musikproduktion, die vor allem per Stutter, Gater und Filter das Audiomaterial rhythmisch zerstückeln und somit beim kreativen Sounddesign ansetzen.

Wer in erster Linie eher klassisch mit Software-Instrumenten produziert, wird wahrscheinlich schon etliche Akkorde kennen und auf der Tastatur beliebige Phrasen und Melodien einfach bis virtuos spielen können. Doch es kommen immer wieder einmal kreative Durststrecken. Und Producer, die hauptsächlich mit Audio-Loops und Sampling arbeiten, freuen sich erst recht, wenn sie MIDI-Noten nicht komplett selber eingeben müssen. Mit ein bisschen Glück und Zufall entstehen wirklich erstaunliche Phrasen. Genau das ist es eigentlich, worauf man sich bei den folgenden Produkten einstellen sollte: Installieren und experimentieren, aber bitte nicht zu viel erwarten. Ein perfekter Track verlangt schließlich noch viel mehr – Sounddesign, Vocals, Mixing und nicht zuletzt eine originelle Songidee.
Klanglich lassen sich die Produkte nicht unbedingt miteinander vergleichen, weil die wenigsten Plugins eine Soundquelle integrieren und die Konzepte unterschiedlich ausfallen. Dennoch liefern wir im folgenden ein Hörbeispiel als Anhaltspunkt, was ungefähr das jeweilige MIDI-FX-Plugin macht.
Mixed in Key Captain Plugins: We are family
Die Captain Plugins von Mixed in Keys sind eine Familie, die in sich intakt läuft. Dreimal von Bonedo getestet, entwickelt sich die Serie immer weiter – das ist eine vorbildliche Produktpflege. Dabei sorgt Captain Deep für Basslinien und Captain Melody für melodische Phrasen. Mit Captain Play lassen sich Noten und Akkorde per Tastatur live triggern. Klingt alles verlockend, aber die Captain Plugins erfordern schon eine intensivere Einarbeitung.
Speziell fürs Beatdesign bietet Mixed in Keys noch das Plugin Captain Beat mit über 500 Groovevorlagen, die auf Samples beruhen. Eigene Sounds lassen sich per Sample-Import einfügen und auch selber erstellte Beats sind per MIDI oder Audio exportierbar. Captain Beat synchronisiert sich mit den anderen Captain-Plugins. Sobald Chords gewechselt oder andere Formteile (vier Slots: Verse, Pre Chorus, Chorus und Drop) abgespielt werden, passen sich die Plugins untereinander an.
System: Windows, macOS
Format: AU, VST (32/64 Bit)
Preis
79,- USD (Captain Plugins)
50,- USD (Captain Beat)
129,- USD (Captain Plugins + Beat)
Hexachords Orbit Producer Suite: Künstliche Intelligenz
Ein ähnlich umfangreiches Bundle wie die Captain Plugins bietet der spanische Hersteller Hexachords mit der Orb Producer Suite, die vor allem in den USA und Asien gern eingesetzt wird. Sie nutzt das KI-Konzept des Orb Composer von Hexachords, das für eine simple DAW-Integration aufbereitet worden ist. Im Angebot sind vier einzelne MIDI-FX-Plugins, die jeweils fürs Erstellen von Chords, Melody, Bass und Arpeggios verantwortlich sind.
Hinzu kommen noch entsprechende Software-Instrumente, die auf einem durchaus passabel klingenden und im Detail programmierbaren Wabetable-Synthesizer (Orb Synth) basieren. So laufen Sequencing und Sounddesign ineinander. Rund 80 Akkordfolgen für beliebte Musikstile sind bereits als Presets verfügbar. Die Bedienoberfläche ist klar strukturiert und das Handling läuft insgesamt etwas einfacher als bei den Captain Plugins. Wer auf Beats verzichten kann, bekommt ein starkes Paket fürs MIDI Sequencing.
System: ab Windows 7, ab macOS 10.11
Format: AU, VST (32/64 Bit)
Preis
99,- Euro
Mozaic Beats Chord Prism: Praktische Pauschale
Eine kompakte All-in-One-Lösung ist Chord Prism. Wer es nicht so umfangreich braucht wie bei der Orb Producer Suite von Hexachords oder den Mixed in Key Captain Plugins, wird sich über Chord Prism freuen. Mozaic Beats schafft es, dass Chords und Skalen sehr praktisch in ein einziges Plugin-Fenster passen und per Step Sequencer oder Arpeggiator rhythmisch animiert werden. Dabei wird die Tastatur einfach geteilt: Akkorde für die linke Hand, Skalen und Arpeggios für die rechte Hand – richtig, dieses Konzept entspricht dem traditionellen Keyboardspiel. Einige ansprechende Presets verhelfen zum schnellen Einstieg in die Musikproduktion. Insgesamt gehen beide Daumen nach oben.
System: ab Windows 7, ab macOS 10.8
Format: AU, VST, AAX
Preis
59,- Euro

WA Production InstaChord und InstaScale: Intuitive Liveperformance
WA Production ist mit zwei Plugins fürs Finden von Akkordverbindungen und melodischen Licks vertreten, die sich fast immer gut einbinden lassen. Mit der Variante InstaScale lassen sich neue Tonleitern kennenlernen und damit sehr gut experimentieren, während InstaChord beim Harmonisieren hilft. Bei beiden Produkten ist die Liveperformance stimmig. Man kann intuitiv auf einem MIDI-Keyboard spielen und spontan Akkorde oder melodische Phrasen ausprobieren. Das macht dem Musiker einfach mehr Spaß als das automatische Abspielen der Chords und Phrasen nach vorangegangenem intensiven Parameterschrauben. WA Production hat noch etliche Presets-Packs für verschiedene Musikrichtungen im Angebot, mit denen sich beide Plugins sinnvoll erweitern lassen.
System: ab Windows 7, ab macOS 10.7
Format: AU, VST (32/64-bit)
Preis
je 69 USD, 19,90 USD (als Mitglied von WA Production)
Plugin Boutique Scaler 2: Mehr als Skalen
Der Scaler von Plugin Boutique kann mehr als das wilde Auf und Ab von beliebigen Tonleitern. Er soll auch Akkorde und Tonarten einer Audiodatei automatisch erkennen, was aber in der Praxis nicht zuverlässig funktioniert. Auch die Qualität der über 30 internen Instrumente ist nicht so überzeugend, dass man auf gute Software-Instrumente verzichten könnte. Die Oberfläche ist ansprechend und skalierbar, man kann sich beim Einarbeiten in den Scaler 2 durchaus wohlfühlen.
Wie bei Captain Plugins lassen sich bmehrere Instanzen des gelungenen Plugins verknüpfen, um Basslinien und Chords aufeinander abzustimmen. Die über 200 Akkordsets von Scaler 2 bringen den Producer sicherlich auf einige neue Songideen in über 27 Genres mit teils ausgefallenen Harmonien.
System: ab Windows 7, ab macOS 10.8
Format: AU, VST (32/64 Bit)
Preis
57,- Euro

Audiomodern Riffer: Effektiver Phrasenmotor
Wer ein Riff für die Begleitung, Melodie oder den Basspart sucht, kann sich mit dem MIDI-FX-Plugin Riffer von Audiomodern ziemlich einfach inspirieren lassen. Man wählt eine der 53 Skalen, klickt auf den Würfel und bekommt ein zufälliges Muster, das im Pianorolleneditor schnell noch abgewandelt werden kann, falls es noch nicht ganz passen sollte. Ist man mit dem Ergebnis zufrieden, zieht man das Riff ins Arrangierfenster seiner DAW und kann es dort beliebig loopen und mit verschiedenen Sounds instrumentieren. Audiomodern Riffer ist tatsächlich so simpel nutzbar, wie man es sich als ungeduldiger Musiker wünscht. Es ist zwar kein Livetool, aber definitiv ein Tipp für alle, die ungern Manuals lesen oder Tutorials schauen.
Riffer bei Thomann.de
System: ab Windows 7, ab macOS 10.12
Format: AU, VST (32 64 Bit)
Preis
48,- Euro

Venomode Phrasebox: Arpeggiator der Extraklasse
Die Venomode Phrasebox ist eigentlich ein flexibler MIDI-Arpeggiator, mit dem sich Phrasen in einer Pianorolle ausführlich entwickeln lassen. Das Plugin ist somit eine gute Alternative zu Audiomodern Riffer. Es berücksichtigt nicht nur monophone Linien, sondern auch Akkorde sowie MIDI-Controllerdaten. Die Presets zeigen typische Arpeggiatormuster, für ungewöhnlichere Phrasen muss man schon selber aktiv werden. Die Phrasebox ist auf alle Fälle ein tolles MIDI-Werkzeug für die DAW – gut, flexibel und preiswert. Man sollte sie jedenfalls im Auge behalten und kommende Updates abwarten, die sie sicherlich noch besser machen.
System: ab Windows 7, ab macOS 10.7, Linux Ubuntu 18.04
Format: AU, VST (32 64 Bit)
Preis
49,- GBP (Bezahlung via Paypal)
53,- Euro (bei Kauf via Plugin Boutique)

Evabeat Melody Sauce: Fast Food Hooklines
Wie der Titel schon kommuniziert, geht es bei Melody Sauce von Evabeat ums Erstellen von melodischen Linien. Dies erfolgt bei diesem sehr einfach bedienbaren Plugin in drei Sektionen. Man wählt zunächst unter Main Controls die Tonart und entscheidet, ob die MIDI-Phrase triolisch, synkopiert oder über zwei Oktaven verlaufen soll. Danach klickt man auf eines der neun Creation Pads und erzeugt damit eine zufällige Melodie, die im Bereich Post Creation automatisch abgelegt wird und von dort aus als MIDI-Datei ins Arrangierfenster gezogen werden kann. Für elektronische Musik ist dieses günstige Tool empfehlenswert. Ohne Vorkenntnisse und größeren Kostenaufwand bekommt man inspirierende instrumentale Hooks. Gut so!
Evabeat bei Thomann.de
System: ab Windows 7, ab macOS 10.7
Format: AU, VST
Preis
44,- Euro

Xfer Records Cthulhu: Klassiker für Chords und Arpeggios
Auf eine praktische Symbiose aus Akkorden und Arpeggios trifft man bei Cthulhu von Xfer Records. Dieses Plugin gibt es, ebenso wie den beliebten Synthesizer Serum, seit einigen Jahren und es bewährt sich auch heute noch als smartes sowie preiswertes Tool fürs elektronische Musikmachen. Es bietet zwei Module: Chords und Arp.
Man definiert zunächst sein Akkordschema und nimmt danach den Arpeggiator für rhythmisch ansprechende Akkordbrechungen hinzu. Beide Module lassen sich aber auch einzeln verwenden. Persönliche Eingriffe klappen dank der gelungenen Bedienoberfläche ziemlich einfach. Überraschend sind die Presets für die Chords. Hier finden sich die Harmonien für weit über 100 Choräle von Johann Sebastian Bach sowie für weitere klassische Werke. So kann man innerhalb seiner DAW von einem der größten Komponisten viel erfahren und sich natürlich inspirieren lassen.
System: ab Windows 7, ab macOS 10.6
Format: AU, VST
Preis
39,- USD

HY-Plugins SeqCollection2: Sequencing für Nerds
Eher unbekannt, aber genauere Blicke wert ist der Anbieter HY-Plugins. Der Entwickler Tadashi Suginomori hat über ein Dutzend an Plugins am Start. Sequencing in üppiger Vielfalt beschert das speziellere Plugin HY-SeqCollection2. Hier bekommt man tatsächlich sechs verschiedene Sequencertypen zur Auswahl: Acid (= Roland TB-303), Dark (= Doepfer Dark Time), M5816 (= Ryktnk M185 Mk2), Step16 (= Analog Solution EKG), Hexa (basiert auf Wahrscheinlichkeitsrechnungen) und Euclid (= 4-Spur-Euclidian-Sequencer). Für die Modulation der Parameter gibt es acht Macro Controls und neun MIDI-Effekte (Harmonizer, Note Echo, Scale, etc.) umfasst das Plugin ebenso. Man sollte schon an den virtuellen Reglern schrauben, denn die Presets sind überschaubar. Vor allem technikaffine Produzenten kommen voll auf ihre Kosten.
System: ab Windows 7, ab macOS 10.9 (64 Bit)
Format: AU, VST
Preis
55,- USD

Audiomodern Chordjam – Spielerisch zu neuen Akkordfolgen
Chordjam ist anders als die meisten Midi-FX-Plugins zur Erstellung von Akkordfolgen. Tatsächlich geht es dem Hersteller Audiomodern ums intuitive Jammen mit raffinierten Harmonieren, die mehr oder weniger mittels einer praktischen Zufallsfunktion entstehen. Man sollte also ein bisschen Spieltrieb haben und darf keineswegs eine breite Masse an fertigen Vorlagen erwarten. Idealerweise kennt man sich in Sachen Harmonielehre bereits aus, wenn man mit diesem preiswerten und musikalisch inspirierenden Midi-FX-Plugin beginnt, das übrigens auch fürs iPad erhältlich ist.
System: Ab Windows 7, ab Mac OS X 10.12
Format: AU, VST (32/64-bit)
Preis
49 Euro

Audiomodern Playbeat – Der Groove-Randomizer
Nicht zuletzt ist auch Audiomodern Playbeat ein sehr nützliches Tool für den Producer. Wie der Name andeutet, geht es um die Erstellung vom Grooves, die wie ähnlich bei Chordjam auf den Zufall beruhen. Eigentlich ist es ein Instrument mit eigenen Samples, wegen des Midi-Export nutzt man Playbeat meist wie ein Midi-FX-Plugin. Die Bedienung ist ziemlich einfach, im Nu lassen sich dichte und komplexe Midi-Arrangements aus Kick, Snare und HiHat erzeugen und sie auf Wunsch gezielt abwandeln.
Playbeat bei thomann.de
System: Ab Windows 7, ab Mac OS X 10.12
Format: AU, VST (32/64-bit)
Preis
47 Euro

Fazit
Die MIDI-FX-Plugins sind allesamt eine Entdeckung wert und liefern gute Ideen. Tatsächlich lassen sich schnell komplexe Akkordfolgen, rasante Arpeggios und melodische Phrasen erstellen, die man normalerweise weder am Keyboard gespielt noch in der Pianorolle konstruiert bekommt. Selbst mancher virtuose Keyboarder dürfte sich inspiriert fühlen, auch wenn er eigentlich viel lieber selber in die Tasten drückt, als sich erst einmal in die individuellen Konzepte dieser MIDI-Tools einzuarbeiten.
Als Startschuss in die Musikproduktion eignen sich die MIDI-FX-Plugins gut, wer aber nachträglich selber in die vorgefertigten Strukturen eingreifen möchte, kommt an Musiktheorie und Harmonielehre nicht vorbei. Übrigens: Einige Instrumente wie Toontrack EZkeys und auch DAWs wie Apple Logic Pro X, Steinberg Cubase oder Ableton Live stellen selber Tools fürs MIDI-Sequencing bereit. Doch spätestens wenn diese Tools schrecklich langweilen, sollte man eines der vorgestellten Plugins installieren und damit beginnen, neue musikalische Wege zu finden.
Bob the Fox sagt:
#1 - 17.10.2020 um 21:22 Uhr
Da fehlen Tonespace und Hypercyclic von http://www.mucoder.net.
Beide kostenlos.
Matthias Sauer sagt:
#1.1 - 14.03.2021 um 20:20 Uhr
Es wäre aber dann keine Top10 mehr mit dem Fokus auf kommerzielle Plugins... ?
Antwort auf #1 von Bob the Fox
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenmcoc sagt:
#2 - 13.03.2022 um 09:55 Uhr
reMIDI 2 von songwish ist als "MIDI-Sampler" ein absolut spannendes MIDI-FX, das hier nicht fehlen sollte!