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Enjoy Electronics Reminder MultiFX Test

Enjoy Electronics Reminder MultiFX Test (Foto: Tom Gatza)
Der Enjoy Electronics Reminder MultiFX ist ein innovativer und inspirierender Multieffekt mit quadrophonischen Eigenschaften.

Die junge italienische Boutique-Schmiede Enjoy Electronics präsentiert mit dem „Reminder MultiFX“ einen interessanten Multieffekt-Prozessor, den es speziell in dieser Form und Ausrichtung bis dato wohl kaum gegeben haben dürfte. Mit einem vielseitigen Stereo-Delay, einem Reverb, einer Filter-Bank und einem LFO richtet sich das hochwertige Effektgerät vor allem an Keyboarder, Produzenten und Sound Nerds, die ihren Klanghorizont erweitern wollen. Durch vier Outputs und verschiedene Routing-Möglichkeiten lässt sich das Gerät auch quadraphonisch nutzen. Wie sich der Reminder in der Praxis schlägt, haben für euch untersucht.

Details

Äussere Erscheinung

Schon bevor ich den ON-Schalter gefunden habe, bin ich von dem außerordentlich geschmackvollen Design und der hochwertigen Verarbeitung des Reminders beeindruckt. Hier wurde wirklich nicht an Qualität oder Platz gespart, die großen Moog-artigen Vintage-Potis treffen auf ein schnittiges, modernes Gehäuse mit liebevoll designter Holz-Umrahmung. Mit 46 x 15,8 x 6,8cm (BxTxH) und knapp 3,0kg Gewicht ist das Gerät der ideale Schreibtisch-Bewohner, sollte sich aber auch gut in mobilen Setups gut unterbringen lassen. 

Fotostrecke: 2 Bilder Der Reminder beeindruckt durch seine wertige Verarbeitung … (Foto: Tom Gatza)

Features und Funktionsweise

Das Hauptaugenmerk des Reminder Multieffekts liegt augenscheinlich auf der mittig platzierten Delay-Sektion, der auch am meisten Platz eingeräumt wurde. Es handelt sich hierbei zunächst um ein einfaches Stereo-Delay, welches allerdings mit vielerlei Funktionen und Erweiterungen ausgeschmückt wurde. Reminder bietet zwei dezidierte Delay Time-Potis für den linken und rechten Kanal, die sich am Master- Tempo orientieren. Ein stufenloses, tempo-unabhängiges Verstellen der Delay-Time ist nicht möglich. Die Subdivisions reichen jeweils von ½ bis 1/16T, per Button lassen sich die Notenwerte jeweils punktieren. Mittels des Offset-Potis lässt sich eine Delay-Time zwischen den beiden Kanälen einstellen, wodurch interessante Stereo-Effekte entstehen. Besonders interessant wird es, wenn das Double Pulse Delay – kurz „DPD“ genannt – hinzugenommen wird. Es funktioniert wie eine Art „Delay im Delay“: Dadurch wird eine zusätzliche Verzögerung erzeugt, dessen Position sich relativ zum Haupt-Delay festlegen lässt. Durch dieses unkonventionelle Konzept lassen sich intuitiv komplexe Rhythmen kreieren, für die es ansonsten mehrere Delay-Pedale und viel Feinarbeit gebraucht hätte.
Mit dem Delay kann man in verschiedenen Modi arbeiten, wodurch, wie z. B. im „Manual Add“-Modus nur bestimmte Teile des Quell-Signals ins Delay geschickt werden können und der Rest ohne Echo durchgespeist wird. Im unteren Bereich finden sich einige Mixer-Potis, womit sich der Dry/Wet-Anteil der Delay-Sektion regeln lässt. Außerdem gibt es einen Feedback-Regler mit Infinity-Mode. Das Delay wandert in den recht kompakt gestrickten Reverb, der sich in Sachen Amount, Size und Hipass-Filterung bearbeiten lässt, jedoch keine verschiedenen Hall-Algorithmen bietet.
Die Effekt-Reihenfolge des Reminder lässt sich nicht beliebig verändern. Was aber möglich ist, ist eine Pre/Post-Schaltung des Filters vor, beziehungsweise nach der Delay-Engine. Wird der große Filter-Regler nach links gedreht, greift ein Low-Pass Filter. In die andere Richtung macht sich ein Hi-Pass breit. Für das Double Pulse Delay gibt es noch ein separates Filter mit gleicher Wirkungsweise. Der separate Resonanz-Regler wirkt simultan auf beide Filter-Einheiten. Leider lässt sich das Filter nicht wahlweise auf Wet/Dry-Signale anwenden, was für mich gerade in Bezug auf Drum-Sounds essentiell ist. Außerdem vermisse ich eine kleine Distortion-Einheit, wie sie bei einer herkömmlichen Filterbank mittlerweile Gang und gebe ist. Der syncbare, globale LFO des Reminder beherbergt vier unterschiedliche Wellenformen und lässt sich Sektions-übergreifend routen, beispielsweise auf die Filter-Frequenz oder den Reverb-Amount.

Fotostrecke: 3 Bilder Die ausführliche Delay-Sektion inklusive Mixer und Double Pulse Delay. (Foto: Tom Gatza)

Anschlüsse und Quadrophonie

Rückseitig bietet der Multieffekt zwei 6,3 mm Klinken-Audio Ins und gleich vier Audio Outs. Wie diese Anschlüsse geroutet werden, lässt sich im Menü organisieren, was im OLED-Display angezeigt wird. Der Reminder lässt sich entweder Mono In/Stereo Out, Stereo In/Out, oder eben quadrophonisch über die vier Ausgänge betreiben. So lässt sich z. B. das Double Pulse Delay ausschließlich auf Ausgang 3 / 4 routen, während der Reverb nur auf 1 / 2 zu hören ist. In einem Setup mit vier Lautsprechern (… wie in einem Techno-Club) entstehen dadurch ansprechende, dreidimensionale Sound-Welten. Reminder bietet gleich zwei Footswitch-Anschlüsse zur Kontrolle von Tap Tempo und Delay-Trigger, die aber leider keine Expression-Befehle für z. B. Feedback oder Filter-Frequenz senden können. Neben MIDI In/Out/Through ist ein USB-Anschluss an Bord, der sowohl für MIDI-Zwecke dient, als auch für die Stromversorgung zuständig ist. Aktuell lässt sich via MIDI lediglich das Master-Tempo kontrollieren, eine ausführliche MIDI-Implementierung ist für zukünftige Software-Updates geplant. CV-Anschlüsse zur Verbindung mit analogen Klangerzeugern sind nicht verbaut.

Mit vier Ausgängen lässt sich der Reminder auch quadraphonisch nutzen. (Foto: Tom Gatza)
Mit vier Ausgängen lässt sich der Reminder auch quadraphonisch nutzen. (Foto: Tom Gatza)
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Praxis

Arbeiten mit dem Reminder MultiFX

Durch die übersichtliche Bedienoberfläche und die großzügigen Poti-Abstände gestaltet sich der Workflow sehr angenehm und selbstverständlich. Die Anordnung der Regler und Sektionen ist sehr ergonomisch umgesetzt, wodurch es sich intuitiv und schnell arbeiten lässt. Lediglich die Menü-Steuerung ist etwas hakelig und gewöhnungsbedürftig, da sie über lediglich einen Regler mit Druckfunktion gelöst wurde. Da eigentlich alle Klang-Parameter per dezidiertem Poti kontrolliert werden, wird das Menü selten und fast ausschließlich für globale Einstellungen wie etwa Routing oder Input Gain benötigt. 

Klangeigenschaften

Filter, Delay und Reverb sind zweifelsohne die meistgenutzten Effekte in Bezug auf Synthesizer, Klangerzeuger und Musikproduktion. Auf dem Papier vereint der Reminder diese Elemente in einem einzigen Boutique-Pedal, wonach sich viele Produzenten und Sound Designer lange gesehnt haben dürften. Aber neben der tadellosen Verarbeitung und den vielversprechenden Features geht es am Ende vor allem um eines … und da muss ich bei aller Bewunderung für den Reminder leider ehrlich sein: Klanglich haut er mich nicht wirklich um. Das Gerät arbeitet zwar sehr präzise und zuverlässig, aber dem Klang fehlt das, was Hardware eigentlich ausmacht und sie oft von Software unterscheidet: Die Magie und das Eigenleben. Das Delay wiederholt brav die eingehenden Signale und lässt sich durch das Filter und den LFO ein Stück weit manipulieren. Einen separaten Poti für Modulation oder verschiedene Delay-Charakter wie „Analog“ oder „Modulate“ suche ich allerdings vergebens. Derartige Funktionen sind längst Standard bei anderen digitalen Delay-Pedalen wie etwa dem BOSS DD-7 oder dem Strymon Timeline. So bleibt das Stereo Delay leider klanglich nicht mehr als ein cleaner, treuer Sound Repeater. Das ist schade, denn die Möglichkeiten und Features durch Stereo-Delays, Offset und nicht zuletzt auch das Double Pulse Delay sind wirklich innovativ und bieten viel Platz für Kreativität. Gerade mit perkussiven Sounds wie etwa von Drum Machines kann der Reminder sehr gut umgehen und ermöglicht sowohl treibende Rhythmen, als auch komplexe Texturen. Wünschenswert wäre ein stufenloser Delay Time-Modus gewesen, um jenseits von Sync und Groove das Delay in die Selbstoszillation zu fahren und es als eigenständiges Charakter-Instrument zu nutzen, wofür etwa das BOSS RE-20 bis heute gefeiert wird. 

Audio Samples
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Stereo-Delay, Double Pulse Delay, Reverb I Stereo-Delay, Double Pulse Delay, Reverb II

Je nach Setting nimmt das Delay die Impulse dann doch etwas zu genau, wodurch unangenehme, digital anmutende Clicks im Delay-Signal vorkommen. Die Filter-Bank arbeitet solide; durch den großen Reglerweg am Frequenz-Poti sind smoothe Filter-Fahrten möglich. Lediglich im unteren Fünftel des Low Pass Bereichs „verschwindet“ der Sound auf einmal sehr schnell, was auf eine etwas unsaubere Kalibrierung hinweist. Außerdem ist der OFF/Null-Punkt vom Regler deutlich hörbar, wodurch nicht fließend zwischen Lo- und Hi-Pass Filter gemorpht werden kann. In Anbetracht der Preisklasse und Ausstattung fehlt mir eine zumindest rudimentäre Distortion/Saturation-Einheit, ohne die das Filter etwas charakterlos und analytisch wirkt. Zumindest in die Nähe von Saturation gelange ich, wenn ich den Input Gain etwas hochschraube. Das ist allerdings nur über das umständliche Display-Menü möglich. 

Audio Samples
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Filter-Fahrt von Low Pass, über Null-Punkt bis Hi Pass und zurück Drum Machine mit erhöhtem Input Gain, Filter-Bewegung

Das Filter lässt sich Pre/Post-Delay schalten, wirkt aber in jedem Fall sowohl auf das Dry-, als auch auf das Wet-Signal. Gerade bei Kick Drums ist es für mich ein Standard-Handgriff, dem Delay Wet-Signal einen Hi-Pass Filter zu verpassen. Das ist hier leider nur in einer Send/Return-Nutzung möglich, weil ansonsten auch die trockene Kick im Low-End beschnitten wird. Das gleiche gilt für Keyboard-Sounds, auch wenn es hier etwas weniger problematisch ist. Abgesehen davon wird dank der vielen Delay-Möglichkeiten die Kreativität wirklich reichlich stimuliert und es entstehen inspirierende Rhythmen.

Audio Samples
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Piano, Delay und Reverb Synthesizer, Delay und Reverb

Der Reverb des Reminder klingt im Vergleich zum Rest sehr charaktervoll, aber leider nicht auf eine gute Art und Weise. Der Sound ist sehr scharf, kalt, digital und durch das festgelegte Pre-Delay für viele Anwendungen kaum nutzbar. Und vor allem: Der Reverb ist unveränderbar MONO! Beziehungsweise, wenn er Stereo sein sollte, dann mit einer seeehr dünnen Weite. Das lässt sich auch nicht ändern und ergibt für mich in Kombination mit einem STEREO-Delay in 2020 einfach keinen Sinn. Das separate Hi-Pass Filter ist ganz nett, so etwas hätte ich mir persönlich aber eher für das Delay gewünscht. Stattdessen hätte dem Reverb vielleicht eher ein Low Pass Filter gutgetan, um die mitunter sehr scharf und plastisch anmutenden Höhen etwas zu besänftigen. Außerdem habe ich den Eindruck, dass der Reverb ein gewisses Eigenrauschen hat. Denn selbst bei rauscharmen Quellen ist ein deutlicher Noise-Anteil im Reverb-Signal wahrnehmbar. Durch den Size-Regler lässt sich der Hall in eine Art Infinity-Modus fahren, was sich für Ambient/Textur-Sounds anbietet.

Audio Samples
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Delay (Wet Only), Reverb Arpeggio durch Reverb, verschiedene Amounts

Ein wirklicher Segen ist, dass sich der LFO sektionsübergreifend routen lässt. Dadurch wird der Reverb schnell mal zum Noise-Lieferanten, der LFO bricht die zugegeben klinische Grundarbeitsweise des Pedals auf und lädt zum Spielen ein.

Audio Samples
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White Noise durch Delay, Saw-LFO auf Reverb-Amount Triangle-LFO auf Reverb-Amount
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Fazit

Die Idee von Enjoy Electronics eine kompakte, auf das Wesentliche reduzierte Multieffekt-Spielwiese mit Boutique-Anspruch zu kreieren, trifft voll den Zahn der Zeit. Die einzelnen Sektionen bieten interessante Features und lassen sich prima bedienen. Mit einem Blick auf den Klang und die Konkurrenz fehlt dem Reminder MultiFX jedoch ein gewisser Charakter und Spaßfaktor, trotz quadrophonischer Nutzbarkeit. Er arbeitet solide und präzise, begeistert aber schließlich nicht so sehr, wie man es auf dem Papier von ihm erwarten würde. Mit seiner liebevollen, hochwertigen Verarbeitung und dem vielseitigen, rhythmisch ansprechenden Stereo-Delay ist er vor allem für das Beat Design interessant, eignet sich aber aufgrund gesyncter Delay-Zeiten und limitierter Modulations-Möglichkeiten nur bedingt für Ambient- oder Sound Design-Experimente.

Unser Fazit:
3,5 / 5
Pro
  • Hochwertige Verarbeitung
  • Ergonomische, übersichtliche Bedienoberfläche
  • Vielseitige Routing-Möglichkeiten
  • Mono/Stereo-Betrieb möglich
  • Präzises, zuverlässiges Ansprache-Verhalten im Sound
  • Zeitgemäße Effekt-Kombination und Konzept
Contra
  • Kaum Modulations-Möglichkeiten
  • Klinischer Grundsound
  • Reverb nur in mono
  • Filter lässt sich nicht einzeln auf Wet-Signal routen
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Enjoy Electronics Reminder MultiFX Test
Der Enjoy Electronics Reminder MultiFX ist ein innovativer und inspirierender Multieffekt mit quadrophonischen Eigenschaften.
Der Enjoy Electronics Reminder MultiFX ist ein innovativer und inspirierender Multieffekt mit quadrophonischen Eigenschaften.

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