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Roland Lucina AX-09 Test

Keyboarder gelten gemeinhin als zurückhaltende Typen, meist als technisch versierte, fleißige Bandarbeiter ohne auffällige Profilneurosen, als die Intellektuellen in der Band, die gerne die Fäden im Hintergrund ziehen. Neben den singenden, Saiten anschlagenden oder trommelnden Bandmitgliedern wirkt er auf der Bühne aber oft wie die viel zitierte graue Maus. Soweit das Klischee. Das stimmt vielleicht im Einzelfall, im Allgemeinen aber ist das natürlich Unsinn, denn auch unter den Tastenmännern und -frauen gibt es viele extrovertierte Rampensäue – spätestens seit den 90er Jahren und dem Aufkommen verschiedener elektronischer Musikrichtungen. Man denke beispielsweise an Frauenschwarm Ben Goldwasser von MGMT oder Eddie Stevens, den symphatisch-durchgeknallten Keyboarder von Moloko, Zero7 und Freakpower, der barfuß und mit Hut auf seinen Keyboard-Burgen tanzend auch showtechnisch immer ein Erlebnis ist.

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Roland Lucina AX-09 (white)

Eines ist den meisten Keyboardern gemein: Sie haben auf der Bühne einen sehr eingeschränkten Aktionsradius, da sie an ihre (meist) schweren und unbeweglichen Instrumente gefesselt sind. Ein spezielles Instrument aus der Tastenfamilie, nämlich das Umhängekeyboard, die sogenannte Keytar, kann da Abhilfe schaffen. Diese Wortschöpfung aus Keyboard und Guitar ist eine typische Kreation der schrillen Achtziger. Roland und viele andere wie Moog, Korg, Casio oder Yamaha entwickelten in dieser Zeit solche Instrumente. Nachdem die musikalische Ära der 80er Jahre ja lange nur mit spitzen Fingern angefasst wurde, erlebt die Keytar heute wieder eine kleine Renaissance. Es sind im übrigen nicht nur reine Keyboarder, sondern auch Tasten spielende Sänger/-innen oder Bassisten, die in dem einen oder anderen Song eine Synth-Bassline spielen und deshalb wieder öfter auf die Umhängekeyboards zurückgreifen. Darunter bekannte Namen wie Snoop Dog, Black Eyed Peas, Alicia Keys, Justin Timberlake, Herbie Hancock, Wir Sind Helden und Sportfreunde Stiller. Und natürlich auch der Synthi-Altmeister Jean-Michel Jarre.

Roland Lucina AX-09 (sprich: lu-ßie-na) richtet sich als Einsteigermodell an alle Keyboarder, die sich gerne bewegen und keine Pro-Features wie große Userspeicher oder Zugang zu einer kompletten Klangerzeugung brauchen. Lucina präsentiert sich in seinem Benutzerprofil als idiotensicher und vielseitig: anschalten, umschnallen, loslegen. Es kann sowohl mobil als auch liegend benutzt werden.

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Lucina White
Lucina White

Lucina ist mit einer relativ kurzen Tastatur mit 37 anschlagsdynamischen, leicht gewichteten Tasten ohne Aftertouch ausgestattet. Wer möchte, kann die Anschlagsempfindlichkeit der Tasten auch auf einen festen Wert setzen. Die Tastatur fühlt sich gut und stabil an und ist angenehm spielbar. Sowieso wirkt das ganze Instrument gut verarbeitet und robust und bei aller Schlichtheit fast schick. Mit 3,7 Kilo ist es darüber hinaus recht leicht.

Vorne unter der Tastatur findet man die Oktav-Umschalter und die Funktion „Transpose“, mit der man die Tastatur halbtonweise transponieren kann. Wer also die weißen Tasten von A-Moll bevorzugt, obwohl das zu spielende Stück in As-Moll erklingt, kann sich hiermit leicht behelfen. Etwas tiefer versteckt im Transpose-Menü ist auch die Möglichkeit, die Arabische Skala als Alternative zur normalen temperierten Stimmung auszuwählen.

Das Display mit drei roten LED-Zeichen ist gut ablesbar und wird für viele Vorgänge benötigt. Manchmal sind die drei Zeichen aber etwas wenig und man muss das Manual zur Hand nehmen, um die angezeigten Abkürzungen zu entziffern. Letztlich ist aber auch das Übungssache, und man kann sich durchaus daran gewöhnen, zumal es ohnehin nicht übermäßig viel zu editieren gibt.

Weiter rechts folgt der Taster „Shift“, den man für Soundeditierungen und Controllerzuweisungen benötigt, darauf dann die Programm-Anwahltaster. Mit Dec- und Inc+ wählt man Variationen der Sounds einer Kategorie aus (wie z.B. „Piano/Keyboard“) oder benutzt sie zur Änderung von Werten beim Editieren. „Favorite“ stellt einen Benutzerspeicher mit zwölf Speicherplätzen dar, „Lock“ verriegelt das Instrument, um unbeabsichtigte Veränderungen zu unterbinden. Für die eher wilden Live-Performer vielleicht ganz nützlich.

Im linken oberen Bereich der Oberfläche findet man „D-Beam“, ein Controller, der mit einem Infrarot-Strahl arbeitet. D-Beam reagiert auf die Entfernung einer Hand, die man darüber bewegt und so beispielsweise Tonhöhe oder Filter steuert. Per „Assign“ lassen sich dem Controller auch Effekte wie Vibrato, Portamento, Hold, Aftertouch, Lautstärke, Panorama und viele weitere Funktionen zuweisen.

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Interessant sind hier auch die letzten beiden Modi „Adb“ und „Slo“: „Adb“ löst ein Arpeggio der jeweils gedrückten Töne aus, mit „Slo“ steuert man einen quietschend-brachialen Solo-Synth, unabhängig davon, welcher Sound für die Tastatur ausgewählt ist und was man auf der Tastatur spielt. Man kann also beispielsweise einen Pad-Akkord legen und mit dem Solo-Synth per D-Beam darüberquietschen, so wie im folgenden Beispiel. Ganz einfach ist es allerdings nicht, mit ihm bestimmte Töne zu treffen!
Beispiel 2 zeigt, wie klingt es, wenn man per D-Beam die Cutoff-Frequenz des Filters steuert. Auch hierbei muss man sich etwas an seine Ansprache gewöhnen.

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D-Beam “Slo” D-Beam Filter

Wo wir gerade bei den Modulationen sind: Das Fußpedal versteht sich neben Sustain unter anderem auch auf Befehle wie Vibrato, Volume, Aftertouch, Portamento, Filter Cutoff oder Resonanz. Zu Modulation-Bar und Touch-Controller komme ich im Praxisteil.

Unter den D-Beam Armaturen findet man die Steuerung des Audioplayers, der externe Audiodateien abspielen kann, jedoch keine MIDI-Files. Auch Sequenzen nimmt er nicht auf, es handelt sich also um einen reinen Audio-Player. Will man ein Audiofile abspielen, muss man einen USB-Stick mit Audiodateien in den USB-Slot auf der Oberfläche stecken. Die Audiofiles müssen dabei immer im Stammverzeichnis des USB-Sticks liegen. Bei der Anzeige dessen Inhalts macht das Display leider keine so gute Figur, da nur die ersten drei Zeichen der Tracks erscheinen. Im Zweifelsfall sollte man den Daten auf dem USB-Stick neue Namen geben, also Abkürzungen, die in Lucinas dreistelligem Display mehr Sinn machen. Der Player kann WAV, AIFF und MP3 lesen, sämtliche gängige MP3-Komprimierungsraten werden erkannt, auch VBR. Wer lieber seinen iPod oder sein Handy als Abspielgerät nutzen möchte, findet den dazu benötigten Eingang (Miniklinke) auf der Rückseite.

Panel links oben: USB Slot, D-Beam und Audio Player
Panel links oben: USB Slot, D-Beam und Audio Player

Lucina ist in Weiß oder Schwarz erhältlich und gibt sich im mobilen Betrieb mit acht Mignonbatterien (oder Akkus) zufrieden; die geschätzte Lebensdauer einer Batterieladung wird von Roland mit vier Stunden angegeben.

Fotostrecke: 2 Bilder Lucina Black

Anschlüsse bietet Lucina reichlich: Auf der Rückseite findet man einen Stereo-Klinkenausgang (L mono / R), Kopfhörerausgang (Stereo-Miniklinke), EXT IN (Stereo-Miniklinke), Fußpedal (zuweisbar), USB-MIDI zum Rechner und einen fünfpoligen MIDI-Out (auch für V-LINK nutzbar). Hinzu kommt der Anschluss für ein externes Netzteil nebst Kabel-Klemme am Gehäuse, die ein Herausziehen des Netzsteckers verhindert. Ein gutes Detail für den Live-Betrieb!

Fotostrecke: 3 Bilder Rückseite links (Click to enlarge)

V-Link dient zur Synchronisation mit bestimmten Video-Abspielgeräten, an die auf diese Weise Bildwechsel- und Abspielgeschwindigkeits-Befehle vom Keyboard aus gesendet werden.

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Praxis

Lucina AX-09 ist ein schlichtes, robustes und handliches Keyboard, das ich zunächst aus reiner Gewohnheit auf meinen Keyboardständer lege, obwohl es sich hier ja um ein ausgewiesenes Umhänge-Keyboard handelt! Liegen kann es aber auch gut, und um sich mit dem Gerät vertraut zu machen, finde ich diese Stellung zunächst besser. Ich klicke mich durch die Patches und finde überwiegend ansprechende, frische Sounds: monophone Lead-Synths, polyphone Synths und Synth-Pads, Bass-Synths, Pianos, E-Pianos, Orgeln und Strings. Aber auch Xylophon, Glockenspiel, viele Blasinstrumente wie Posaune, Trompete und Saxophon, Solostreicher, akustische Bässe, akustische Gitarren, Drums und verzerrte E-Gitarren. Die verzerrten E-Gitarren wecken umgehend den verhinderten Gitarristen in mir und ich kann gar nicht anders, als sofort den mitgelieferten Gurt anzubringen, Lucina zu schultern, mir meinen Slash-Zylinder aufzusetzen und „Sweet Child O’ Mine“ zu intonieren. Und der ganz große Gitarristen-Spaß kommt dann, wenn man dabei mit der linken Hand von den Controllern Gebrauch macht. Mit dem Modulationshebel steuert man ein leichtes Vibrato und mit dem Touch-Controller kann man per Fingerstrich die typischen Saiten-Bendings hinbekommen, eine stufenlose Auf- oder Abwärtsstimmung um maximal zwei Halbtöne.

Audio Samples
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Sweet Child E-Gitarre Bend & Vibrato
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Aber Lucina versteht sich natürlich nicht nur als Gitarrenersatz, sondern vielmehr als vielseitiges Keyboard, das alle Klänge der Pop-/Rock-Welt bedienen kann. Klar ist aber auch, dass sich dieses Instrument nicht an die sogenannten „Pros“ wendet, die an die Vorzüge dezidierter Synthesizer, Stagepianos oder Sampler gewöhnt sind. Hier ein paar Sounds des Lucina AX-09

Audio Samples
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Synth Riff Synth Bass Orgel Grand Piano & E-Piano Strings & Pads

Für Rock- und Popmusik im Anfänger- und Fortgeschrittenenstadium ist das klanglich richtig gut. Für elektronische Musik der härteren Gangart (Techno, D’n’B usw) vielleicht etwas „brav“. Vieles erinnert hier soundmäßig an das größere Schwestermodell AX-Synth, und ganz generell können die Klänge von Lucina mit den Sounds der Roland Juno- oder Fantom-Serie gut mithalten. Der einzige Effekt ist ein im Mixverhältnis regelbares Reverb, die maximale Polyphonie beträgt 128 Stimmen.

Die Soundanwahl geht sehr leicht vonstatten: Man wählt einfach mit den Tastern unterhalb der Tastatur die entsprechende Kategorie. Mit den Inc+/Dec- Knöpfen kann man bis zu 24 Variationen aufrufen, Lucina „merkt“ sich sogar, welchen Variationsklang man zuletzt ausgewählt hatte. Ingesamt sind 150 Sounds an Bord,

Beim Editieren fallen mir zwei Dinge auf: Nur sehr wenige Parameter lassen sich verändern und das Display ist dabei nicht gerade eine Ausgeburt an Benutzerfreundlichkeit. Auch hier gilt es, viele Kürzel zu entschlüsseln. Veränderbar sind Portamento On/Off, Portamento Time, Volume, Reverb, Release Time, Attack Time, Cutoff und Resonanz. Alle Veränderungen müssen nicht weiter abgespeichert werden, sie sind es automatisch. Zwölf ausgewählte User-Sounds lassen sich in „Favorites“ ablegen. Es besteht darüber hinaus die Möglichkeit, die Soundbank auf einem USB-Stick zu sichern. Also, ein Keyboard für Klangtüftler ist dies ausdrücklich nicht! Wer mit dem Gedanken spielt, sich Lucina AX-09 zuzulegen, sollte die Werksounds mögen!

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Rein technisch gesehen ist Lucina AX-09 ein stark reduziertes Performance-Keyboard mit guten Standardsounds. Mit D-Beam, Touch Controller, Modulation Bar und Fußpedal bietet es vier Möglichkeiten, Klänge während des Spielens zu beeinflussen. Eine kurze Tastatur mit nur 37 Tasten und ein sehr übersichtliches Bedienkonzept erwecken vielleicht den Eindruck, dass es sich hier um ein nicht ganz ernst gemeintes Sparmodell handeln könnte. Dem muss ich widersprechen: Lucina ist mehr ein „Rundum-Sorglos-Paket“ für den Pop-und Rock-Bereich. Hier funktioniert alles auf Anhieb, es klingt gut und das Instrument ist mit nicht einmal vier Kilo leicht genug, um es auch über einen längeren Zeitraum „zu schultern“. Es wirkt schick, robust und durchdacht, insbesondere Tastatur und Controller überzeugen mich. Allein das Display ist für manche Vorgänge etwas mickrig. Der Preis stimmt.

Roland Lucina AX-09 (white)
Roland Lucina AX-09 (white)
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Gute Standardsounds
  • Gute Tastatur und Controller
  • Robust und leicht
  • Leicht zu bedienen
  • Abspielen von MP3/WAV/AIFF von USB-Stick
  • Ext. Audio Eingang für sämtliche Player
  • USB-zu-Rechner-Anschluss
  • Preis-Leistungsverhältnis
Contra
  • Display für manche Vorgänge zu klein
  • Nur ein Effekt (Reverb)
  • Verändern der Klänge nur eingeschränkt möglich
Artikelbild
Roland Lucina AX-09 Test
Für 299,00€ bei
Technische Details
  • Tastatur: 37 leicht gewichtete, anschlagdynamische Tasten
  • Polyphonie: 128 Stimmen
  • 150 Sounds (Regular-Sounds 144, Special-Sounds: 6)
  • Audio Player (spielbare Formate): MP3 Sampling-Frequenz: 44.1 kHz, Bit-Rate: 32/40/48/56/64/80/96/112/128/160/192/224/256/320 kbps, VBR (variable Bit Rate) WAV, AIFF: Sampling-Frequenz: 44.1kHz, Bit-Tiefe: 8/16/24-bit
  • Regler: D-Beam, Modulationshebel, Touch-Controller
  • Anschlüsse: OUT (L (MONO), R) (Klinke), Kopfhörer (Stereo-Miniklinke), EXT IN (Stereo-Miniklinke), Fußpedal (zuweisbar), USB (USB MIDI), USB Speicher, MIDI OUT (V-LINK), Netz
  • Display: 7 Segmente, 3 Zeichen (LED)
  • Stromversorgung: Netzteil, Ni-MH AA wiederaufladbare Batterien x 8, Batterien nicht im Lieferumfang
  • Stromverbrauch: 600 mA
  • Geschätzte Lebensdauer der Batterien bei konstantem Gebrauch Ni-MH Akkus: ca. 4 Stunden
  • Zubehör: Quick Guide, Tutorial DVD, Gurt, Bedienfeld-Aufkleber, USB Speicher Abdeck-Kappe, Netzteil (PSB-1U (S))
  • Breite: 832 mm, Tiefe: 245 mm, Höhe: 95 mm
  • Gewicht (ohne Netzteil) : 3,7 Kg
  • Preis: 605,- Euro UVP
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