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Moog Grandmother Test

Mit dem Moog Grandmother setzt der US-amerikanische Hersteller dessen Reise in die Vergangenheit fort und verwendet Vintage Moog Modular Module in einem kleinen Standalone Synthesizer. Hier werden die Klänge der 1960er mit einer 2 1/2 Oktaven-Tastatur und Eurorack Patchpoints vereint.

Moog Grandmother Test
Der Moog Grandmother ist ein Performance-Synthesizer mit den Sounds der 1960er Jahre und einem ausgewogenen Gesamtkonzept.


Der Grandmother-Synthesizer ist also eine Mischung aus Minimoog/Subs, Mother-32 sowie Moog Modular und ist so nicht nur ein völlig neuer Synthesizer, sondern auch einer, wie nur Moog in bauen kann.
Ob die “Großmutter” ein „Frankenstein“-Synth oder ein richtig tolles Gerät geworden ist, erfahrt ihr hier im Test.

Details

Auspacken

Mit überraschenden sieben Kilogramm Gewicht hebe ich den Moog Grandmother aus der wie immer sehr schön gestalteten Kiste. Da er nicht wie die meisten Moogs edel in schwarz-silbernen Outfit erscheint, fühlt man sich gleich ein wenig an den einzig wirklich bunten Synthesizer von Moog erinnert: Den Moog Source. Und was wird im Netz nicht alles über Farbgebungen diskutiert: Die einen stehen auf Arp Quadra, Studio Electronics ATC-X oder EMS Polysynthi, die anderen bekommen einen Vogel. 
Das ist dann allerdings tragisch, denn so fallen nicht nur die fantastischen Produkte von Buchla weg, sondern auch die meisten Module, die im Eurorack-Format so angeboten werden. Deshalb – und weil es fast scheint, als ob die Farbgebung das einzig Wichtige an dem Gerät sind – sei hiermit gleich gesagt: Die meisten Fotos im Internet wirken viel zu bunt und knallig. Die vier Farben des Grandmother sind pastellfarben und das Grün kein Giftgrün, sondern ein leichtes mintgrün. Es ist im doppelten Sinne des Wortes eine auffallend dezente Farbigkeit. 
Module? Ja, der Moog Grandmother Synthesizer gibt vor, eine Ansammlung unterschiedlicher Module von Moog zu sein, und es werden auch konkrete Daten genannt, aus welchen Geräten die Technik stammt: Mixer CP3, Filter 904, Envelope Generator 911, VCA 902 und Hallspirale 905. Das sind also alles Module, wie sie in den alten Moog Modulars vorkommen und für die man sehr viel Geld auf den Tisch legen muss.
Fotostrecke: 4 Bilder Moog Grandmother mal von schräg links …

Die Oszillatoren sind übrigens die des Minimoogs. Wer nun erwartet, dass im Grandmother tatsächlich Module wie im Moog System 55 verbaut sind, wird enttäuscht werden: Unter der Oberfläche werkeln keine Steckplätze mit einzelnen Modulen sondern es gibt zwei Leiterplatten mit ICs und SMD Technik. Through Hole kann man bei dem Preis allerdings auch nicht wirklich erwarten, aber so viele Beschwerden gab es bei Taurus, Mother-32 und Sub-37 ja auch nicht und die sind alle in SMD Bauweise hergestellt.

Mitgeliefertes Zubehör

Was ist jetzt eigentlich alles in der Kiste? Zum einen natürlich der Synth, aber Moog hat erkannt, dass Synthesizer heute auch ein bisschen ein Livestyle-Produkt sind und hat frühen Exemplaren der Grandmother auch schon mal Jeansjacken beigelegt. 
Dieser Großmutter lag ein Slinky bei, also dieses Spielzeug, dass aus einer sehr langen Feder besteht und Treppen steigen kann. Weiterhin gibt es sechs Patchkabel in drei unterschiedlichen Längen. Und schließlich liegt dem Gerät eine wirklich wunderschöne Bedienungsanleitung bei: DIN A4, aus dickem Papier, mit einem Einband aus Pappe, der innen mit alten Schaltplänen bedruckt ist … wirklich schön. Und auch der Vertrieb hat sich nicht lumpen lassen und die deutschsprachige Anleitung ist fast genauso schön. Und das hat schon was, es gibt einem gleich das Gefühl, ein echtes Musikinstrument in den Händen zu halten und nicht nur irgendein Gerät.

Ausstattung

Der Synthesizer selbst bietet nur eine 2 1/2 Oktaven Tastatur und zwei kleine Modwheels links davon. Was mich bei der geringen Baubreite schon mehr verwundert ist, wie schwer, hoch und tief das Gerät ist. Die Seitenteile bestehen aus Plastik, aber der Rest ist solides Metall und so fühlt sich auch das ganze Gerät an. Die Tiefe ist der großzügigen Anordnung der Bedienelemente der einzelnen „Module“ geschuldet. Hier wird zwar nicht die Original Moog Unit Größe verwendet, aber 20 cm inklusive dem Grandmother Schriftzug sind schon ordentlich. Die Knöpfe ähneln in Aussehen und Größe denen des Sub 37 und mit der Wuselbild Fummelei, wie man es von Euroracks kennt, hat das also nichts zu tun, sondern mehr mit einem schön ausgebreiteten Synthesizerpanel. Die weißen Kippschalter sind allerdings den kleinen 3,5 mm Ein-und Ausgängen angeglichen. Alles in allem ist Moog da ein ziemlicher Spagat gelungen: Einerseits soll alles an die alten großen Moog Modulars erinnern, gleichzeitig benutzt man aber Eurorackelemente wie die Miniklinke und kleine 3,5 mm Schalter. Diese Schalter sind übrigens als Hebel ausgeführt und nicht als Wippe, was bei diesem Format auch sinnvoll ist.
Fotostrecke: 3 Bilder Die 2 1/2 Oktaven Tastatur ohne Aftertouch in Normgröße im Ausschnitt.

Aufbau

Gehen wir das Gerät einmal durch: Vorne also die Tastatur in Normgröße, leider ohne Aftertouch. Links davon die Bedienhilfen in Form von zwei moog-typischen Rädern aus grauem geriffeltem Plastik. Direkt darüber der Regler für das Glide und drei Druckknöpfe mit doppelter Belegung für Oktavwechsel und als Steuerung für den Arpeggiator/Sequenzer. 
Links neben der Tastatur befinden sich Pitch- und ModWheel aus grauem Kunsttoff, darüber der Regler für Glide sowie drei Drucktaster, mit doppelter Belegung, für Oktavwechsel und Steuerung des Arpeggiator/Sequenzers.
Links neben der Tastatur befinden sich Pitch- und ModWheel aus grauem Kunsttoff, darüber der Regler für Glide sowie drei Drucktaster, mit doppelter Belegung, für Oktavwechsel und Steuerung des Arpeggiator/Sequenzers.
Auf dem Panel selber wechseln die Module zwischen farbig und schwarz ab. Gelb, ganz links, der Arpeggiator und der Stepsequenzer, der Speicherplatz für drei Sequenzen mit bis zu 256 Schritten bietet. Pausen und Akzent gehören da natürlich genauso dazu, wie unterschiedliche Richtungen und Oktaven beim Arpeggiator. Wie immer, wichtig sind die Patchpoints, welche die Kontrollspannungen für Gate, Keyboard und Velocity ausgeben: Sowohl Arpeggiator/Sequenzer- als auch die Keyboardsignale liegen hier an und können an weitere Module der Grandmother sowie an andere Geräte weitergereicht werden. Das Ganze funktioniert natürlich auch über MIDI.
Auf schwarzem Hintergrund rechts daneben findet sich die „Modulation“ genannte Sektion, die aus einem einzelnen LFO mit einer Spannbreite von 0,7 Hz bis 1,3 kHz, besteht. Das reicht weit in den Audiobereich hinein und ist um einiges schneller als z. B. der LFO des Moog Sub 37. Der LFO bietet an Wellenformen Sinus, Sägezahn, Rampe und Rechteck und kann direkt auf die Tonhöhe und Pulsweiten beider Oszillatoren gemeinsam, und auf die Filterfrequenz des Filters einwirken. Fest verschaltet ist hierbei die Verbindung zwischen der Modulations Sektion und des Modulationsrades: Die Modulation greift erst, wenn auch das Modwheel auf ist. Das Modwheel kann leider nicht anders geroutet werden, ein extra Modwheel Patchpoint wäre toll gewesen. Dafür gibt es aber andere Schmankerl: Wenn man den Keyboard CV-Ausgang des Arpeggiator/Sequenzer Moduls in den Pitch Eingang des LFO routet, lässt sich der LFO genau so spielen wie die beiden Oszillatoren. Die Großmutter kann Dreiklänge, ach was, Vierklänge spielen, denn der Filter kann ja auch noch oszillieren. 
Auf hellblauem Hintergrund rechts daneben, liegen die beiden Oszillatoren mit den vier Wellenformen Dreieck, Sägezahn, Rechteck und 25% Pulswelle, zwischen denen man allerdings nicht überblenden kann. Die Bauweise der Oszillatoren ist die des Minimoog, auch wenn nicht gesagt wird, um welche Generation des Minimoog es sich handelt. Das alte Modularmodul 901 war vielleicht doch zu instabil in der Tonhöhe, als dass man es einem neuen Gerät zumuten wollte. Jeder Oszillator kann in vier verschiedenen Oktaven eingesetzt werden, wobei in der Grundeinstellung der erste Oszillator von 32’ bis 4’ und der zweite von 16’ bis 2’ reicht. So ist es auch auf der Frontplatte aufgedruckt, kann aber auch via MIDI CC 75 verändert werden. Wie bei Moog üblich, folgt Oszillator 2 im Prinzip immer der Frequenz von Oszillator 1, kann aber über einen eigenen Frequenzregler im Rahmen einer Quinte nach oben oder unten gestimmt werden. Außerdem kann Oszillator 2 zu Oszillator 1 synchronisiert werden. Beide Oszillatoren besitzen Patchpoints für ihren separaten Ausgang und auch separate Pitch Eingänge. Oszillator 1 hat darüber hinaus einen Patchpoint für die Pulsbreite und Oszillator 2 einen Patchpoint für lineare Frequenzmodulation.
Die Arp/Seq-, Modulations- sowie die Oszillatorensektion des Moog Grandmother Synthesizers.
Die Arp/Seq-, Modulations- sowie die Oszillatorensektion des Moog Grandmother Synthesizers.
Die Mixer und die Utility Sektion sind beide wieder in schwarz gehalten. Im Mixer werden die Signale von Oszillator 1 und 2 zusammengebracht, außerdem gibt es hier auch noch Weißes Rauschen zum dazu mischen. Der Mixer ist der berühmte CP3, quasi die geheime Sauce von Moog. Der Mixer ist in keiner Weise clean sondern schickt das Signal schon ab einer Reglerstellung von 13 Uhr in einen sanften Overdrive bis hin zu heftigem Clipping der Wellenformen. Der Sägezahn bekommt mehr Bass, und wofür ist Moog berühmt? Genau, für Sägezahn mit viel Bass! Das passive Design des CP3 sorgt im Übrigen auch dafür, dass die Levels sich ein wenig angleichen, also so etwas wie ein passiver Kompressor. Geheime Sauce halt, jetzt auch bei der Großmutter. Jeder der drei Inputs, also Oszillator 1, Oszillator 2 sowie der Rauschgenerator können durch eine andere Quelle ersetzt werden, indem man ein Signal an den jeweiligen Patchpoint anlegt. Und einen weiteren Patchpoint gibt es, um das Signal direkt am Ende des Mischers abzugreifen. Natürlich werden auch die externen Signale der Bearbeitung durch den CP3 unterzogen, man erhält also nicht nur einen Mixer sondern auch einen Overdrive.
Das Utility Modul vereint gleich drei verschiedene Dinge: Zum einen ein passives vierfaches Multiple, mit dem man ein Signal vervielfachen kann. Das ist zum Beispiel dann nützlich, wenn man den Sample & Hold Ausgang des LFO sowohl auf einen Oszillator als auch auf den Filter routen will: Man steckt ein Kabel aus dem Sample & Hold Ausgang in das Multiple und schwupps hat man gleich drei identische Kopien davon. Hervorragend ist, dass das Multiple aber auch Audiosignale mischen und vervielfältigen kann. Hier werden viele klangliche Möglichkeiten durch Patchen erst ermöglicht. Auch der 6 db Hochpassfilter ist nur durch patchen erreichbar. Auch hier stehen viele Möglichkeiten offen, so können der Hochpass- und der Tiefpassfilter in Reihe oder in Serie geschaltet werden und auch die getrennte Bearbeitung der zwei Oszillatoren ist möglich. Schließlich gibt es auch noch einen Attenuator, mit dem Signale abgeschwächt und auch umgedreht werden können. Außerdem kann der Attenuator als DC Quelle von +/- 8 Volt genutzt werden.
Man sieht: Es gibt viel zu erzählen. Fast jedes Modul ist nicht nur einfach das, was es vorgibt zu sein, sondern hat auch noch viele andere Tricks oder sogar Geschichten auf Lager. Mit der Grandmother bekommt man wirklich ein bisschen Synthesizergeschichte ins Haus und vor allem auch den einzelnen Zugriff auf Module, die sich die Mehrzahl wohl nie hätte leisten können.
Die Mixer- und die Utilities- sowie die Filter- und Envelopesektionen des Moog Grandmother Synthesizers.
Die Mixer- und die Utilities- sowie die Filter- und Envelopesektionen des Moog Grandmother Synthesizers.
Der grün hinterlegte Tiefpassfilter ist natürlich der Moog‘sche 24 db Kaskadenfilter, dessen Frequenz selbstverständlich auch diesmal den größten Knopf spendiert bekommen hat. Ach was, Knopf, hier sind ja wirklich alles Potentiometer. Das Filter arbeitet von 10 Hertz bis 20 Kilohertz, geht also vollständig auf. Offensichtlich basiert das Filter auf einer späteren Version des 904 denn es resoniert recht heftig schon ab einer Reglerstellung von 15 Uhr.
Über einen kleinen Kippschalter kann das Keyboardtracking auf 1:2, 1:1 oder Aus gestellt werden und schließlich gibt es noch einen bipolaren Drehregler für den Envelope Amount. Dabei sei allerdings jetzt schon angemerkt, dass es überhaupt nur einen Envelope gibt. Auch der Filter bietet natürlich Patchpoints, in diesem Fall sind das Eingang, Ausgang, Frequenz und Envelope Amount. Das ist natürlich hervorragend, denn so kann man mit der Anschlagsstärke kontrollieren, wie weit der Filter aufgeht. Vom Aussehen her erinnert der Filter noch mit am meisten an die alten Module der 900 Serie, und hier fällt auch besonders die symmetrische Anordnung auf, was dem ganzen Gerät eine retrofuturistische und gleichzeitig aufgeräumte Oberfläche bietet. 
Kommen wir zum klassischen ADRS Envelope, der auf dem Moog 911 basiert. Interessant ist hier die Anordnung der Bedienelemente, bei denen die zeitbasierten Faktoren Attack, Decay und Release einen Drehregler, das Niveau der Sustainphase dagegen durch einen sehr leichtgängigen Schieberegler beeinflusst werden. Auch der Envelope ist durch Patchpoints komplett separat steuerbar und bietet einen Trigger Eingang sowie zwei Ausgänge für das positive und das negative Signal.
Vintage Module von Moog: 902, 911 und 921
Vintage Module von Moog: 902, 911 und 921

Und damit sind wir beim Output, wo uns zwei weitere Überraschungen erwarten: Zum einen ist da die Auswahl, wie der Verstärker reagieren soll. Hier kann man zwischen Drone, Envelope und Keyboard Release wählen, wobei das Letzte eine Art SR Envelope darstellt: Bei Tastenanschlag geht es sofort in die Sustainphase mit 100% Sustain und beim Loslassen wird der Releasewert aus dem ADSR Envelope übernommen. Das hat man doch nur selten gesehen.

Der klassische ADRS Envelope, der auf dem Moog 911 basiert, die flexible Outputsektion sowie das Mix-Poti zur anteilmäßigen Zuweisung des Federhalls.
Der klassische ADRS Envelope, der auf dem Moog 911 basiert, die flexible Outputsektion sowie das Mix-Poti zur anteilmäßigen Zuweisung des Federhalls.

Ebenso selten ist heute ein Standalone Synthesizer mit Hallspirale und was wäre diese Großmutter ohne ihre Hallspirale? Getreu dem Motto: “Dreh’ mal die Hallspirale rein, dann wird der Sound recht retro sein”.

Anschlüsse

Zuletzt noch ein Blick auf die Rückseite, die auch sehr gut gefüllt ist: Hier finden wir das gesamte MIDI-Trio samt einer MIDI-Aktivitätsleuchte, außerdem den MIDI USB Anschluss. Geboten werden weiterhin CV-Anschlüsse für den Arpeggiator/Sequenzer mit Clock In, On/Off In, Reset In und Clock Out. In Großklinke und unbalanced gibt es Audio Out und Audio In. Und per Miniklinke wird Eurorack bedient, einmal als Audio Out auf den eurorack-typischen Levels und einmal als direkter Ausgang der Hallspirale. Dazu kommt ein Kensington Lock und der Stromanschluss, der durch ein externes Netzgerät mit DC-Stecker bewerkstelligt wird.
Fotostrecke: 5 Bilder Moog Grandmother in der Rückansicht.
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Praxis

Überblick

Der Moog Grandmother ist ein ausgesprochen solides Instrument. Jeder Drehregler ist fest verschraubt, alle Regler bieten den gleichen, angenehmen Widerstand und alle Buchsen sind absolut solide verbaut. Hier hat man nicht das Gefühl, dass da so schnell etwas kaputt geht. Das ist man von so einigen Eurorackmodulen leider anderes gewohnt, trotz der Preise die dort des öfterteren aufgerufen werden. Ein weiterer Unterschied zu Eurorack ist der Platz: Die Knöpfe der Grandmother sind 1,5 cm groß, der Sustainregler hat eine Laufweite von 6 cm und das auf einem Panel, das vollkommen übersichtlich ausschaut. Und was die Farben angeht, so bemerkt man diese bei der „Arbeit“ am Synth überhaupt nicht, vielmehr helfen sie, die einzelnen Module besser zu unterscheiden. Das ist ein Gegensatz zu den vollmodularen Systemen von Moog selbst, die natürlich klasse aussehen, aber intuitiv geht da wenig, weil man sich in der schwarz-silbernen Landschaft dann doch gerne verliert. Von den liebevoll-verspielten Designs vieler Eurorackanbieter, die lieber Kühe und Raketen auf ihre Panels drucken, als Namen, wollen wir schweigen. Im Übrigen ist auf der Leiterplatte des Grandmother auch eine kleine Leiter versteckt, aber eben nicht auf der Oberfläche. Die Oberfläche des Moog Grandmother Synths bietet so viel Platz und so viel Übersichtlichkeit wie sie kaum ein anderer Synthesizer aufweist.
Die Oberfläche des Moog Grandmother bietet neben Platz auch viel Übersichtlichkeit.
Die Oberfläche des Moog Grandmother bietet neben Platz auch viel Übersichtlichkeit.

Eigenschaften

Ein weiterer Pluspunkt des Grandmother ist die Ergonomie: Alle Patchpunkte einer Funktion sind am oberen Rand des Geräts angebracht. Das ist prima, denn so sind die Patchpunkte bei der Funktion von oder zu der sie führen leicht zu erreichen. Man muss beim Zugriff auf die Knöpfe nicht mit den Fingern erst vorsichtig durch Kabelsalat hantieren, auch fallen die Kabel nicht auf die Tastatur und die Anbindung an andere Geräte funktioniert so tadellos. Das lässt sich bei Eurorackmodulen nicht immer so machen, aber es ist natürlich viel besser so, als wenn alle Patchpunkte auf einer Seite sind. 
Hervorzuheben ist auch die Konnektivität sowohl zu Computern via USB, zu anderen Synthesizern per MIDI und in die Eurorackwelt über CV. Jedes „Modul“ des Grandmother lässt sich einzeln in ein anderes Euroracksystem einbinden und an jeder Stelle des Synthesizers kann das Signal entnommen werden. Dazu kommt die hervorragend spielbare Tastatur und die sicherlich nicht ausufernde Patchfähigkeit. Aber es ist doch einiges mehr möglich als beim Minimoog und der Retrosound der Grandmother kommt weder ausschließlich aus der Hallspirale, noch aus den alten Modulen, sondern eben auch aus seinem Aufbau und den Möglichkeiten, die dabei einfach naheliegen. Denn was macht man, wenn man nur zwei Oszillatoren mit einem Knopf für Sync und drei Eingängen für PWM und Pitchmodulation hat? Man beschäftigt sich mit ihnen und schaut, ob der Klang so ist, dass man sich länger damit beschäftigen will. Und ja, man will, denn die Oszillatoren haben Biss.

Sound

Schon ein einzelner Oszillator buzzt so vor sich hin, dass es eine Freude ist und bei Modulationen geht es rund wie bei einem Fahrgeschäft auf der Kirmes. Der Envelope schnappt kräftig zu, hat aber gleichzeitig außergewöhnlich lange Attack- und Releasezeiten. Da ist man doch froh über die großen Knöpfe, mit denen man das Ganze fein einstellen kann. Der LFO ist eigentlich ein Oszillator im Schafspelz, der hervorragend über die ganze Tastatur trackt. In Zusammenarbeit mit dem ModWheel, mit dem sich ausgezeichnet expressiv spielen lässt, ist das eine wahre Freude … und oft bleibt der Filter einfach offen. Wenn er aber dann doch gebraucht wird, dann macht es Freude zu hören, wie er auf das Signal reagiert, denn das macht er nicht gleichmäßig und gezähmt, sondern er wird lauter und leiser, wie er gerade Lust hat. Und das macht Spaß, denn so werden die Unterschiede auch über die Lautstärke hörbar. Bei einem Ferrari gehört zum Sound des Motors ja auch nicht nur, dass er sich verändert, sondern dass er auch plötzlich lauter oder leiser wird. Das hat man doch vielen Synthesizern ausgetrieben, weil sie sich im Studio so natürlich besser kontrollieren lassen. Direkt am Gerät macht es aber auf jeden Fall mehr Spaß, wenn da mehr Leben drin ist. 
Fotostrecke: 2 Bilder Mit den mitgelieferten Patchkabeln …
Wenn man ans Patchen geht, was man übrigens sehr schnell anfängt, denn es liegt ja alles direkt vor einem, dann passieren noch einmal ganz andere Sachen. 41 Patchpoints sind nicht wenige, aber es ist vor allem das Utilities-Modul, das auf einmal ganz zentral wird. Es gibt ja einige halbmodulare Synthesizer, gerade auch im Preisbereich des Grandmother, aber oft fehlen dort einige kleine Utilities, wo man sich am Kopf kratzt, wieso sie fehlen. Bei der Grandmother ist alles an Board und es kommt tatsächlich überraschend selten vor, dass man anfängt zu patchen und dann aufgeben muss, weil es nicht funktioniert. Sicherlich, man kommt ja auch nicht auf die Idee, Wunderdinge zu patchen, aber Moog hat das schon clever gemacht und vielen Problemen abgeholfen. Gleich drei Beispiele dafür: Die Pulswelle kann nur über den LFO verändert werden? Nein, das geht über den Attenuator. Der einzelne Envelope ist einfach zu wenig? Hier, den VCA auf Keyboard Release stellen und vielleicht geht es dann weiter. Der Mixer ist belegt? Vielleicht reicht ein 50/50 Verhältnis, dann kann man die Signale über das Multiple mischen. So könnte das immer weitergehen, und das ist nicht nur die Macht des freien Patchens, die da mehr ermöglicht, sondern einfach das gute technische Design von Seiten des Herstellers.
Die Klangbeispiele sollen den bis jetzt gewonnenen Gesamteindruck ein bisschen verdeutlichen: Zum einen sollen sie die Besonderheiten des Grandmother Synths aufzeigen, die tatsächlich darin liegen, die einfachen Dinge besonders gut zu machen. Das ist ein bisschen wie beim Kochen: Mit wenigen Zutaten aus dem eigenen Garten, besonders Wohlschmeckendes zubereiten. Dazu gehört übrigens ohne Frage der wirklich gut klingende Federhall. Zum anderen gibt es bei modularen Geräten eben die Möglichkeit, einige Sachen doppelt zu modulieren, sowohl in Reihe als auch in Serie, und das ganz ungebremst ohne digitale Zwischenwände, was auch gezeigt werden sollte.
Und schließlich sind bei einem Gerät mit relativ einfacher Technik aus der Frühzeit der Synthesizer, der Vergleich mit einer modernen Hochleistungsmaschine wie dem Moog Sub 37 interessant. Im ersten Beispiel wird der berühmte Moog Sägezahn verglichen:  Der von Moog Grandmother, von Moog Sub 37 und Behringer Model D – ein Moog Minimoog ist leider nicht im Haus. Im Klangbeispiel hört man erst den Grandmother, dann den Sub 37 und dann den Model D mit Pausen und dann zweimal in der gleichen Reihenfolge direkt hinter einander. Dabei darf man sich nicht davon verwirren lassen, dass der Sägezahn des Sub 37 eine absteigende Rampe ist und die von Grandmother und Model D aufsteigen, das kann man nicht hören. Aber was man leicht hören und sehen kann ist, dass sich Grandmother und Model D sehr viel ähnlicher sind als der Sub 37, der aufgrund seiner tollen ineinander übergehenden Wellenformen ein bisschen Schwierigkeiten hat, eine beißende Sägezahnkurve hinzubekommen.
Der Sägezahn von: Moog Grandmother, Moog Sub 37 und Behringer Model D (Foto: Sebastian Berweck)
Der Sägezahn von: Moog Grandmother, Moog Sub 37 und Behringer Model D (Foto: Sebastian Berweck)

Audiovergleich 1

Audio Samples
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Der Sägezahn von Moog Grandmother, Moog Sub 37 und Behringer Model D

Beim nächsten Beispiel vergleichen wir, wie der LFO auf die Oszillatorfrequenz einwirkt. Auch hier zuerst der Grandmother und dann der Sub 37, wobei beim Grandmother eine Sinuswelle und beim Sub 37 eine Dreieckswelle verwendet wurde. Aber auch hier kann man doch ganz gut die Unterschiede hören.

Vergleich LFO: Links Grandmother, rechts Sub 37. (Foto: Sebastian Berweck)
Vergleich LFO: Links Grandmother, rechts Sub 37. (Foto: Sebastian Berweck)

Audiovergleich 2

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Vergleich LFO: Zunächst Grandmother, danach Sub 37
Und schließlich vergleichen wir noch die beiden Filter miteinander, immer in derselben Reihenfolge. Dazu gibt es jeweils auch sehr aussagekräftige Bilder auf denen man sehen kann, wie perfekt der Sub 37 die Lautstärkeveränderung ausgleicht. Im Studiobetrieb ist das natürlich prima, aber die Unterschiede in der Lautstärke sorgen subjektiv für mehr Leben beim Grandmother.
Vergleich Filter: Links Grandmother, rechts Sub 37 (Foto: Sebastian Berweck)
Vergleich Filter: Links Grandmother, rechts Sub 37 (Foto: Sebastian Berweck)

Audiovergleich 3

Audio Samples
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Vergleich Filter: Zunächst Grandmother, danach Sub 37

Weitere Audiobeispiele

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Switched-On Bach 1968? Ein einfacher Bass Es kruspelt so schön Melodienspiel Großmutter spielt Orgel Ein Riff S & H Resonace Sequence Screamer! Solo-Lead String? Subwoofer needed Sync Sweep Sync und Envelope Talking Synth

Ein wenig Kritik

Wenige Schatten gibt es aber auch beim Moog Grandmother. Eine 2 1/2 Oktaven Tastatur ohne Aftertouch bei einem Synthesizer dieser Preisklasse ist doch etwas schwäbisch gedacht, zumal ja auch der Sequenzer einer der einfachen Klasse ist. Das ist also irgendwie weder Fisch noch Fleisch. Schlechter ist allerdings allemal die Oktavumschaltung, die man bei einer so kleinen Tastatur eigentlich die ganze Zeit benötigt. Die funktioniert nämlich nur über die Shifttaste und den drei miniaturisierten Tastern über den Wheels, die doch sehr spielzeugartig wirken. Und es kommt noch hinzu, dass man, wie bei ganz einfachen MIDI Tastaturen keine visuelle Rückmeldung darüber erhält, in welcher Oktave man sich gerade überhaupt befindet. Das hat doch zu oft zu Fehlbetätigung geführt. Hier könnte man es dem Keyboarder vielleicht ein bisschen leichter machen, indem man vielleicht über die Global Settings die Arpeggiator/Sequenzer Funktionen auf die Shift-Taste verlegt. Auch die Wheels hätten durchaus einen eigenen CV Ausgang bekommen können. Das wäre mit Sicherheit eine Kleinigkeit gewesen. Und zuletzt muss auch noch die lineare FM erwähnt werden, die zuverlässig dann doch nur über 1 1/2 Oktaven trackt. Aber immerhin!

Alternativen

Alternative Produkte zum Moog Grandmother gibt es einige, auch wenn keines wirklich ähnlich ist. Wer einen halbmodularen Klassiker sucht, für den steht schon seit einiger Zeit der dreioktavige Korg MS-20 mini in den Läden, allerdings lässt er sich nicht ohne weiteres in ein Euroracksystem einbinden. Ganz vorne dabei sind natürlich auch die Mini-und Microbrutes von Arturia, die sowohl preislich, als auch seitens der Features her tolle Instrumente sind. Allerdings mit einer noch kleineren Tastatur, viel unübersichtlicher und eben auch nicht mit den alten Moog Modulen ausgestattet, an die man für kleines Geld einfach nicht kommt. Wer den Moog Sound sucht, der kann sich an den Little Phatty und andere halten, aber dann verliert man natürlich die ganzen Eurorackmöglichkeiten. Bleiben noch die reinen Controllerkeyboards für Eurorack wie der Waldorf KB37, der Super 37 von Super Synthesis und oder die QKB Keyboards von Synthesizers.com, die auf jeden Fall einen Blick wert sind. Günstig sind die aber auch alle nicht und vor allem, geben sie von alleine noch keinen Ton von sich. Wenn man mehr Geld in die Hand nehmen kann, wären auf jeden Fall der MFB Dominion und der Moog Subsequent 37 CV einen Blick wert, und das sind beides tolle Geräte. Aber auch hier gilt, dass die Übersichtlichkeit leidet und dass nur der Moog Grandmother Synthesizer die alte Technik und den Retrosound der frühen 900er Module erleb- und erreichbar macht.
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Fazit

Der Moog Grandmother ist schon eine Wucht: Die alten Module zaubern tatsächlich den Sound der späten 1960er herbei, die Bedienung und die Patchbarkeit sind so übersichtlich, wie man es sich nur wünschen kann und die wirklich gut klingende Hallspirale tut ihr übriges.
Äußerst solide verbaut, nicht so bunt wie von vielen befürchtet, ist der Grandmother ein Synth mit einem eigenständigen Sound und einem tollen Bedienkonzept. Dafür Hut ab vor Moog, die hier eine tolle Verbindung aus alt und neu hinbekommen haben. Das heißt nicht, dass der Grandmother für jeden und jede ein Muss ist: Wer des Retrosounds überdrüssig ist, wer eine größere Tastatur braucht, wer kein Eurorack mag, wer einen besseren Sequenzer haben will, der muss sich woanders umschauen.
Aber das Gesamtkonzept ist, bis auf die doch zu kurze Tastatur für einen Performance-Synthesizer, absolut stimmig und der Sound ist einfach klasse. Durch die leichte Bedienung, die hervorragende Anleitung und die Übersichtlichkeit ist der Grandmother gleichermaßen etwas für Anfänger, als auch für Connoisseure.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Auswahl legendärer Moog 900er Module zum kleinen Preis
  • Viele sinnvolle Patchpunkte
  • Instant Retrosound
  • Musikalisch klingende Hallspirale
  • Umfassende Konnektivität
  • Tolle Bedienungsanleitung
Contra
  • Tastatur nur 2 ½ Oktaven und umständlicher Oktavwechsel
  • Keine Pedaleingänge
  • Keine separaten CV Ausgänge der Wheels
Artikelbild
Moog Grandmother Test
Für 1.119,00€ bei
Der Moog Grandmother ist ein Performance-Synthesizer mit den Sounds der 1960er Jahre und einem ausgewogenen Gesamtkonzept.
Der Moog Grandmother ist ein Performance-Synthesizer mit den Sounds der 1960er Jahre und einem ausgewogenen Gesamtkonzept.
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Profilbild von Superwaldi

Superwaldi sagt:

#1 - 15.08.2018 um 09:35 Uhr

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Toller Test/Bericht. Danke dafür.(Der Abschnitt am Anfang über die OSCs ist doppelt vorhanden.)

Profilbild von Robin

Robin sagt:

#2 - 26.09.2018 um 16:25 Uhr

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Sehr informativer und gut zu lesender Testbericht, vielen Dank dafür!

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