Die Software-Gattung Audio-Editor ist im Laufe der Jahre von den allmächtigen DAWs immer weiter zurückgedrängt worden. Außer WaveLab, das seine Ausnahmequalitäten mit pfiffigen Workflow-Konzepten seit mittlerweile 25 Jahren den DAWs entgegenstellt, ist nicht viel übrig geblieben. Die Version Pro 10 tritt den Beweis an.
Das Konzept des „einfachen“ Audio-Editors, der immer nur eine (Stereo-) Spur zur Zeit abspielen konnte, war in den neunziger Jahren beliebt, weil es zu jener Zeit viele Aufgaben gab, die die damaligen DAWs noch nicht zu leisten im Stande waren (Kommunikation mit externen Samplern, destruktive Bearbeitung von Audiodateien etc.). Als die DAWs die Bearbeitung und den Export einzelner Audiodateien vereinfachten und das Brennen von CDs eine immer seltener benötigte Funktion wurde, schrumpfte das Angebot an Audio-Editoren.
Mit WaveLab hat Steinberg die Weichen frühzeitig in eine andere Richtung gestellt: Die WaveLab-Funktionalität wurde konsequent erweitert, so dass man sich heute fragen kann, was denn eigentlich der Unterschied zwischen WaveLab und einer DAW ist. Mit Version 10 kann WaveLab Pro jetzt sogar Videos vertonen, Multitrack-Funktionalität gibt es schon länger, wo sind also die Unterschiede zur DAW? Im Mischpult.
WaveLab arbeitet nicht mit einem klassischen Spur-bezogenen Mischpult, sondern mit Clip-basierten Effekten und einer Master-Sektion in der Summe. Zum Montieren einer Audio-CD oder ähnlich gelagerten Zusammenstellungen von Audiomaterial erlaubt diese Arbeitsweise mehr Freiheiten als die starre Spur/Mixer-Verknüpfung in einer DAW. Ein weiterer Schwerpunkt von WaveLab liegt in präzisen Metering- und Analyse-Werkzeugen, weil hier in aller Regel die letzten Bearbeitungen des Audiomaterials vor einer Veröffentlichung stattfinden.
Details
WaveLab Pro 10: Es klingt nicht anders, ist aber besser zu bedienen
Das letzte große Update von WaveLab ist bereits mehr als vier Jahre alt und war die Version 9.0 im Jahr 2016. In meinem alten Test habe ich vor allen Dingen das Master Rig (ein sehr gutes Mastering-Plug-In-Paket) und die M/S-Funktionalität gelobt. Die Software hat also für jeden hörbare Verbesserungen mit sich gebracht.
Das ist bei Version 10 anders: Hier geht es vor allen Dingen um Workflow-Verbesserungen, die verschiedenen Zielgruppen des Produkts Arbeitserleichterungen bringen. Viele Funktionen, wie die verbesserte Integration von externer Hardware und die Einbindung externer Editoren wie (SpectraLayers oder Izotope RX) bedienen die Nutzergruppe Mastering Engineer, die vermutlich auch die größte Benutzergruppe von WaveLab ist.
Mit dem neuen „Live Input Audio Stream Recording“ werden aber auch Podcast-Produzenten oder Filmproduzenten adressiert, die ihr Audiomaterial inklusive WaveLab-Mastering direkt live auf die Festplatte bannen wollen. Dank der integrierten Video-Wiedergabe können letztlich auch kleine Vertonungen mit WaveLab erledigt werden.
Viele – wenn nicht gar alle – Produktionen werden beim letzten Finishing mit anderen Produktionen verglichen. Sei es mit alten Folgen (bei Podcasts oder Videos) oder vergleichbaren Songs (bei Masteringprojekten). Damit diese A/B-Vergleiche die Unterschiede zwischen den Produktionen zu Tage fördern, ist es unerlässlich, dass das Umschalten augenblicklich erfolgt. Jede noch so kleine Umschaltverzögerung erschwert den Vergleich.
Und hier haben die Entwickler von Steinberg wirklich ganze Arbeit geleistet: Das Umschalten erfolgt ohne jede Verzögerung, Knacken oder sonstige Nebengeräusche. Standardmäßig initiiert man das Umschalten mit dem Tastaturkommando 1 gefolgt von N, so ist es zumindest voreingestellt. Das ist aus meiner Sicht nicht optimal, weil ich mich in dem Fall auf die Tastatur konzentrieren muss. Deshalb habe ich den Tastaturbefehl geändert auf #, um wie mit einem Mute-Switch schnell hin und her schalten zu können. Eine derart wichtige Funktion verdient einen „ein-Tasten-Kurzbefehl“.
Spur 2 ist die Referenzspur (mit einem R gekennzeichnet) und gerade aktiv. Spur 4 wird bearbeitet und mit der Referenz verglichen, ist aber aktuell stumm, wie man leuchtenden Mute-Symbol und der ausgegrauten Wellenformdarstellung erkennt.
Video Playback
Was soll ich mit der Video-Integration in einer Mastering-Software machen? Diese Frage könnte sich der eine oder andere WaveLab-Nutzer vielleicht stellen. Und zum Mastern einer Audio-CD ist diese Funktion auch nicht erforderlich. Aber in unserer Video-zentrierten Welt wird die Vertonung von Filmen oder die Bearbeitung des aufgenommenen O-Tons immer wichtiger. Insofern finde ich es konsequent, wenn WaveLab jetzt auch Videos wiedergeben kann. Das funktioniert nicht nur mit der Pro-Version, sondern auch mit Elements 10. Die kleinste Version LE 10 bietet diese Funktion nicht.
Um ein Video in eine Audio Montage zu importieren, sind die gleichen Schritte wie bei den anderen Spurtypen notwendig: Zunächst wird eine Videospur erstellt und dann der Inhalt per drag & drop oder per Menübefehl importiert. Sofern das Video eine Audiospur enthält, wird diese extrahiert und als Audiospur unter der Videospur erzeugt. Die Videospur zeigt Thumbnails an, die den Video-Inhalt grob anzeigen. Im Video-Bearbeitungsmodus verhält sich WaveLab genau so, wie man es von einer DAW gewohnt ist: Das Video klebt am Positionszeiger, so dass der Benutzer das Audio immer optimal platzieren kann. Für kleinere Vertonungen, bei denen es zum Beispiel nur O-Töne, ein Voiceover und ein bisschen Musik gibt, reichen die WaveLab-Möglichkeiten aus.
1/2 Die Videospur zeigt grobe Thumbnails des Inhalts an, die eigentliche Wiedergabe erfolgt im Fenster oben oder …
2/2 … im Extra-Fenster (undocked).
Undo/Redo-Verlauf in der Audio Montage und dem Audio Editor
Destruktive Bearbeitungsschritte an einer Audiodatei sind in vielen Programmen eine heikle Sache. Die normale Rückgängig-Funktion stellt zwar den Zustand vor der letzten Bearbeitung wieder her, vielleicht sogar für mehrere Schritte durch 16faches oder sogar 99faches Undo. Im Unterschied zu diesem einfachen Undo/Redo kann WaveLab nun auch einzelne Schritte innerhalb einer Bearbeitungskette separat rückgängig machen, ohne die nachfolgenden Operationen gleich mit zu eliminieren. Das ist sehr praktisch und kann bei jeder Nutzung von WaveLab hilfreich sein. Ich persönlich habe in meinem Alltag allerdings so gut wie nie Situationen, in denen mir ein ausgegucktes Undo/Redo aus der Patsche helfen würde.
Die Verlaufsliste zeigt die einzelnen Bearbeitungen an und macht es möglich, einzelne Bearbeitungen zu eliminieren.
Montage Inspektor
Den Begriff Inspektor kennen viele DAW-Anwender zum Beispiel aus Cubase oder Logic: Meist im oberen linken Bereich des Arrange-Fensters werden hier die Spur oder den Clip betreffende Einstellungen vorgenommen.
Ein solches Anzeigefeld gibt es jetzt auch für WaveLab Clips und Tracks unter dem Namen Montage Inspektor. Dahinter versteckt sich ein überarbeitetes Effektfenster, das nun im Handling und der Funktionalität der Master Section gleicht. Im Montage Inspector werden die Plug-Ins prozessiert und der Signalfluss festgelegt. Hier findet sich auch die Bypass-Funktion und die Möglichkeit, Effekt-Presets zu laden.
1/2 So kennt man ihn, den klassischen DAW-Inspektor (im Bild in Apples Logic Pro X).
2/2 Im Montage Inspektor werden unter anderem die verwendeten Plug-Ins der Clips und Spuren angezeigt.
Verbesserungen der Darstellung von Spuren in der Audio Montage
Mit WaveLab 10 zieht auch eine neue Formensprache für die verschiedenen Spurtypen ein, die jeweils ein neues Symbol, einen sogenannten Track Header bekommen haben. Über die Aussagekraft solcher Symbole lässt sich trefflich streiten, aber sie haben zumindest den Vorteil, dass sie sich im Laufe der Zeit einprägen und spätestens dann ihren Sinn erfüllen. Darüberhinaus ist auch die Spurhöhe für jede Spur individuell einstellbar und die Reihenfolge der Tracks kann per Drag & Drop auf den Track Header der zu verschiebenden Spur geändert werden.
Aus meiner Sicht sind diese Workflow-Verbesserungen nicht besonders zu würdigen, da sie seit langem Standard in jeder DAW sind. Gut, dass WaveLab jetzt nachgezogen hat und schlecht, dass diese Möglichkeiten nicht schon lange bestanden.
Neue Plug-Ins
WaveLab 10 Pro kommt mit drei neuen Plug-Ins: Frequency, ein achtbandiger EQ mit M/S-Unterstützung und einem Linear Phase Mode pro Band. REVelation ist ein algorithmischer Hall, der an Hallgeräte-Klassiker erinnern soll. Und Magneto 2 simuliert die Sättigung und Kompression der Aufnahmen alter Bandmaschinen. Alle drei erfüllen ihre Aufgaben sehr gut, sind aber nicht extra für WaveLab entwickelt worden. Sie stehen seit einiger Zeit auch Cubase- und Nuendo-Nutzern zur Verfügung.
3/3 … das Sättigungs-Tool Magneto 2 sind gut, aber nicht speziell für WaveLab entwickelt.
Für Mastering-Profis: Verbesserter Support für externe Effekte
Viele Mastering-Studios schwören neben den Bearbeitungsmöglichkeiten mit Plug-Ins im Rechner auf ihre analoge Kette, mit der sie „ihren Sound“ machen. Diese analoge Kette in das digitale System zu integrieren, ist eine Herausforderung, der sich Steinberg mit WaveLab Pro 10 gestellt hat.
Analoge Geräte werden dabei über die Ein- und Ausgänge des Audio-Interfaces mit WaveLab Pro 10 als eigenständige Effekt-Busse verbunden. Bemerkenswert an dieser Technik ist, dass die analogen Geräte in der Effektkette beliebig angeordnet werden.Sie müssen nicht direkt aufeinander folgend angeordnet werden und ihre Position in der gesamten Effektkette kann jederzeit verändert werden. Das erlaubt dem Mastering-Engineer Freiheiten bei der Signalverarbeitung, die sonst nur mit externen Patchbays zu realisieren waren. Wenn die Signalkette so bequem zu verändern ist, probiert man das in der Praxis mal eben schnell aus. Anwender externer Hardware werden Steinberg für dieses Feature sehr dankbar sein.
Externe Hardware kann über Effekt-Busse bequem in WaveLab Pro 10 integriert werden.
Für Mastering-Profis: Einbindung externer Audio Editoren
WaveLab Pro 10 ist ein vielseitiges Werkzeug. Trotzdem gibt es Spezialbereiche der Audiobearbeitung wie das Restaurieren alter oder schlechter Aufnahmen, die mit anderen Programmen besser gelöst werden können. In WaveLab Pro 10 besteht deshalb die Möglichkeit, externe Audio Editoren wie iZotope RX oder SpectraLayers einzubinden. In den Voreinstellungen wird der Pfad zu dieser Anwendung festgelegt, per Auswahl im Bearbeiten-Fenster wird das Audio definiert, das an die externe Anwendung übergeben wird. Alle Bearbeitungen durch den externen Editor spiegeln sich automatisch in WaveLab Pro 10 wider. Dieses Vorgehen spart Zeit, da man die Datei nicht zuerst aus WaveLab exportieren, in die andere Applikation importieren und anschließend das gesicherte Ergebnis wieder in WaveLab importieren muss. Also Daumen hoch für diese Workflow-Verbesserung.
Für Podcaster und Video-Produzenten: Live Input Audio Stream Recording
Hinter diesem komplizierten Begriff steckt die Möglichkeit, Live Inputs mit den Effekten der Spuren und der Master Sektion direkt aufzunehmen, um ein erneutes Rendering/Bouncen der Spuren im Anschluss an die Aufnahme zu vermeiden.Wie in der Zwischenüberschrift angedeutet, kann ich mir vorstellen, dass besonders eilige Gemüter aus dem Podcast- und Video-Bereich sich so eine Funktion gewünscht haben. Andererseits bevorzuge ich unbearbeitete Aufnahmen, weil im Eifer des Gefechts der Live-Aufnahme EQs und Kompressoren vielleicht doch zu stark oder zu schwach eingestellt sind und die Aufnahme schlechter klingen lassen als nötig. Ich stelle EQs und Kompressoren deshalb nach der Aufnahme ein, checke kurz, ob die Einstellungen auch an besonders lauten und besonders leisen Stellen funktionieren und rendere das Ergebnis anschließend. Sofern keine externen Effekte in der Signalkette sind, erfolgt das Rendering in einem Bruchteil der Spielzeit. Trotzdem ist es zu begrüßen, dass WaveLab Pro jedem Nutzer die Wahl lässt, mit oder ohne Effekte aufzunehmen.
Kleinere Workflow-Verbesserungen
Die folgenden Änderungen bietet Wavelab Pro 10 außerdem:
Mit WaveLab Pro 10 kommt auch sogenanntes Inline Editing in die Audio Montage. Damit ist es möglich, einzelne Abschnitte einer Audiodatei in einer Audio Montage sozusagen „non-destruktiv“ zu verarbeiten. In Wirklichkeit wird mit dem Edit ein neues Audiofile im Montage Data Ordner angelegt.
Im Dateibrowser lässt sich nun eine Audiodatei ab einem beliebigen Startpunkt wiedergeben, indem man auf eine Stelle in der Wellenform am unteren Ende des Dateibrowsers klickt.
Dank des verbesserten Audio Routings innerhalb von WaveLab sind auch die Dialoge in den betreffenden Voreinstellungen umfangreicher geworden. Je nach Komplexität des verwendeten Audio-Interfaces und den eigenen Bedürfnissen sind sehr komplexe I/O-Routings realisierbar.
Ein kleiner grüner Balken neben der Positionsanzeige im Transportfeld zeigt die CPU-Belastung des Rechners durch WaveLab an.
WaveLab Pro 10 ist nach vier Jahren wieder ein Major Update. Viele Tester und Kommentatoren im Internet vertreten die Auffassung, dass die Neuerungen in WaveLab Pro 10 einen großen Versionssprung nicht rechtfertigen. Ich bin anderer Meinung. Allein die Referenzspur-Funktion und die verbesserte Einbindung externer Hardware werten WaveLab Pro 10 für den Mastering Engineer entscheidend auf. Viele der anderen Neuerungen sind auch aus meiner Sicht als nicht so wichtig einzuschätzen. Wenn ich einen Vergleich mit WaveLab Pro 9 anstelle, waren es auch lediglich zwei Funktionen, die den Versionssprung kennzeichneten: Master Rig und die M/S-Funktionalität. Insofern ist WaveLab Pro 10 ein gelungenes Update, das dem eingefleischten Nutzer die Aktualisierungskosten wert sein sollte.
Pro
sehr gut funktionierendes Referenzspur-System
optimierte Einbindung externer Hardware
viele kleinere Workflow-Verbesserungen
Contra
Für Einsteiger sehr kompliziert zu bedienen
Features
WaveLab Pro 10 ist ein
Audio Editor fürs Mastering
Podcast-Produktion und kleine Videovertonungen.
Systemvoraussetzungen:
Mac OS X: Intel i5 oder besser empfohlen, 4 GB RAM, OS X 10.13 oder neuer, USB -eLicenser erforderlich
Windows: 64 Bit Intel oder AMD Prozessor (Intel i5 oder besser empfohlen), 4 GB RAM, ab Windows 10 (64 Bit), USB -eLicenser erforderlich
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