Neumann NDH 30 Test

Offener Studiokopfhörer Neumann NDH 30 im Test: Der deutsche Audiospezialist Neumann hat nach seinem erfolgreichen Fußfassen im Lautsprechersegment in der vergangenen Dekade nun auch den stetig wachsenden Kopfhörermarkt im Visier. Den seit 2019 im Handel erhältlichen geschlossenen Studiokopfhörer Neumann NDH 20 hatten wir bereits zum Review.

offener Studiokopfhörer

Lest in unserem Neumann NDH 30 Test, ob wir bei dem neuen Modell in offener Bauweise zu einem ähnlich guten Urteil gelangen und was es zu berichten gibt!

Details

Bauweise und Technik des Neumann NDH 30

Der Neumann NDH 30 ist ein Studiokopfhörer mit dynamischen 38-mm-Treibern in offener Bauweise – unschwer zu erkennen an den perforierten Ohrmuschelabdeckungen. Im Gegensatz zu vielen Konkurrenzmodellen – und ganz in Neumann-Manier – wird der Übertragungsbereich von 12 bis 34000 Hz mit einem einem Toleranzbereich von ±3 dB angegeben. Das weckt Hoffnungen auf eine profitauglich neutrale Frequenzwiedergabe. Auch die weiteren technischen Angaben zeugen von einem Profi-Tool und übertreffen den geschlossenen NDH 20 in diversen Parametern. Besonders der noch einmal deutlich geringere Klirrfaktor (0,03% bei 1 kHz, 100 dB SPL) klingt vielversprechend! Die Impedanz des NDH 30 liegt mit 120 Ohm etwas höher als bei vielen zeitgenössischen Konkurrenzmodellen. Für eine Sekundäranwendung an mobilen Abspielgeräten liefert der offene Studiokopfhörer aber immer noch einen mehr als ausreichenden Lautstärkepegel.

Verarbeitung und Materialmix

Wie bereits der geschlossene NDH 20 wird auch der NDH 30 in China gefertigt. Der aktuelle Verkaufspreis von knapp oberhalb 600 Euro ist mit Sicherheit eine Stange Geld. Für einen ambitionierten Referenzkopfhörer ist dieser Preis allerdings vergleichsweise moderat, was wahrscheinlich dem Herstellungsland geschuldet ist. Verarbeitungs- oder Qualitätsmängel kann ich bei der von Aluminium und Federstahl dominierten Konstruktion keine erkennen. Der NDH 30 macht sowohl optisch als auch haptisch einen hochwertigen Eindruck. Zudem verfügt der Kopfhörer über einen ausgeklügelten Gelenkmechanismus, wodurch er sich auf ein kompaktes Packmaß zusammenfalten lässt. Insgesamt fällt eine sehr hohe optische Übereinstimmung zum geschlossenen Modell ins Auge. Quasi nur durch die Ohrmuschelabdeckungen und die kompakteren Ohrpolster unterscheidet sich der NDH 30 vom NDH 20. 

Kopfhörer abgeklappte Ohrmuscheln
Fotostrecke: 4 Bilder Der Neumann NDH 30 glänzt mit tadelloser Verarbeitung.

Mitgelieferte Kabel und Co.

Während der NDH 20 mit zwei Kabeln (gerade/Spiral) geliefert wird, so befindet sich beim offenen Neumann-Kopfhörer lediglich eines im Lieferumfang. Das gerade, drei Meter lange stoffummantelte Kabel ist abnehmbar und verfügt über eine Besonderheit: Das mit herkömmlichen Steckern (3,5mm-Klinke + 6,35mm-Schraubadapter) ausgestattete Kabel verfügt über eine interne symmetrische Signalführung, die allerdings nicht der (bei Kopfhörern eher unproblematischen) Minimierung externer Einstreuungen dienen soll. Der technische Hintergrund ist eine verbesserte Kanaltrennung zwischen beiden Stereokanälen. Dennoch: Subjektiv finde ich es schade, dass kein (aus meiner Sicht häufig praktischeres) Spiralkabel zum Lieferumfang gehört! Allerdings kann es optional erworben werden, so wie die neue symmetrische Variante auch für den geschlossenen NDH 20 als Zubehör käuflich ist. Als weiterer Lieferumfang wäre noch ein Stoffbeutel zum Transport und zur Aufbewahrung zu nennen. Auch hier kann man kritisch anmerken, dass viele Konkurrenzmodelle in der Preisregion des NDH 30 – und auch darunter – bereits mit stabilen Cases ausgeliefert werden. 

Anschluss für Kopfhörerkabel
Ungewöhnlich: Kabelbefestigung an der rechten Ohrmuschel

Praxis

Verwendungszweck

Der Neumann NDH 30 wird vom Hersteller konkret für die Verwendung beim professionellen Mixing und Mastering beworben. Betont wird außerdem die Eignung des Studiokopfhörers als Referenz zur Beurteilung von Mischungen für Kopfhörer, da Musik- und Audioproduktionen in den letzten Jahren verstärkt auf Kopfhörern konsumiert werden. Aufgrund seiner offenen Bauweise ist der NDH 30 übrigens nicht für die Verwendung bei übersprechungssensiblen Mikrofonierungen und in einer lauten Umgebung geeignet. 

Testbedingungen

Der Neumann NDH 30 Test erfolgte an den Ausgängen eines Universal Audio Apollo X4, dem Kopfhörerverstärker SPL Phonitor mini und einem 2019er iPad. Zum Vergleich habe ich meine ebenfalls offenen Referenzkopfhörer Focal Clear Mg Professional und AKG K 812 eingesetzt. 

Klang des Neumann NDH 30

Frequenzwiedergabe

Mein ersten Höreindrücke mit dem NDH 30 erfolgten vor dem eigentlichen Test eher stichprobenartig während anderer Studiotätigkeiten, bei denen der Neumann Kopfhörer allerdings schon am Kopfhörerausgang meines Interfaces angeschlossen war. Ich war etwas erstaunt über die auffallend milde Höhenwiedergabe. Ein anderes mal hat sich dieser Eindruck etwas relativiert.

Was ist der Grund für diese unterschiedlichen Klangeindrücke? Aufgrund der großen kreisrunden und sehr weichen Ohrmuscheln hat der Sitz der Muscheln über meinem Ohr einen überdurchschnittlich großen Spielraum. In Verbindung mit den offensichtlich angewinkelten Treibern kann die Frequenzwiedergabe – besonders die hohen Frequenzen – auffallend stark variieren. Derartige Sitz- und Klangabweichungen kann ich bei meinen Vergleichskopfhörern übrigens nicht ausmachen. Doch auch unabhängig davon, wie man den NDH 30 gerade aufsetzt, besitzt er innerhalb des vorliegenden Dreiergespanns die unaufgeregteste Höhenwiedergabe. Hierfür gibt es durchaus Pro-Argumente, wie die Vorbeugung einer Gehörermüdung. Subjektiv empfinde ich diese tatsächliche Tendenz zum Kaschieren störender Zischlaute und Schnittartefakte für professionelle Studioanwendungen aber nicht als optimal. Der NDH 30 wäre somit für derartige Arbeitsschritte nicht meine erste Wahl. Das war es dann aber auch schon mit meiner Kritik: Die Mitten offenbaren sich auf natürliche Weise einer tonalen und quantitative Bewertung und Bearbeitung.

Ebenso empfinde ich den Bassbereich als überragend. Die tiefen Frequenzen sind perfekt ausbalanciert und entziehen sich auch im Subbereich nicht der technischen und kreativen Bearbeitung. Wer also als Ergänzung zu seinen Studiomonitoren einen Kopfhörer zur professionellen Beurteilung der Basswiedergabe sucht, liegt mit dem Neumann NDH 30 richtig! 

Impulswiedergabe und Räumlichkeit

Der Wiedergabe des NDH 30 wirkt sehr aufgeräumt, bleibt aber stets unaufgeregt. Bei der Impuls- und Transientenabbildung besteht wieder einmal eine gewisse Abhängigkeit zur konkreten Position der Ohrmuschel über dem Ohr, die man sich dann gegebenenfalls zurechtrücken muss. Insgesamt ist die Impulswiedergabe nicht ganz so spritzig und lebendig wie beim meiner (immerhin doppelt so teuren) Focal-Referenz. Sie wird einer professionellen Beurteilung aber dennoch gerecht. Der gut aufgelöste Raumeindruck bietet in Breite und Tiefe einen analytischen Blick auf einzelne Mixbestandteile. Die Stereobühne klingt kopfhörertypisch etwas überbreit, was laut Hersteller aber beabsichtigt ist, um der inzwischen sehr weit verbreiteten Verwendung von Kopfhörern als Abhörmedium im Musik- und Audiokonsum und dem wachsenden Markt binauraler Produktionen Rechnung zu tragen.

Unterstützt wird diese Wirkung erwartungsgemäß durch die hohe Kanaltrennung des symmetrierten Kabels, wobei ich mangels einer herkömmlichen Kabelvariante keinen unmittelbaren Vergleich habe. Persönlich bevorzuge ich jedenfalls Kopfhörer mit einer lautsprecherähnlicheren Raumabbildung und verwende bei vielen Kopfhörern die Crossfeed-Funktion meines SPL Phonitor. Dieses Feature meines Kopfhörerverstärkers harmoniert hervorragend mit dem Neumann-Kopfhörer und resultiert in einer authentischeren Raumabbildung von Stereomixes. 

orange Innenabdeckung
Fotostrecke: 5 Bilder Die Ohrpolster des NDH 30 sind auswechselbar.

Tragekomfort

Abgesehen von meiner subjektiven Anpassungsproblematik mit den großen kreisrunden Ohrmuscheln (Der Innendurchmesser der weichen Polster beträgt ca. 6 cm!) ist der Neumann NDH 30 ausgesprochen komfortabel und langzeittauglich! Der ausreichend gepolsterte Bügel passt sich meiner Schädelform exakt an und erzeugt keine Druckstellen. Die mit einem veloursartigen Stoff bezogenen Schaumstoffohrpolster vermitteln ein luftiges Tragegefühl und bieten (mehr als) genügend Platz für große Ohren. Möglicherweise relativiert sich bei Anwendern mit großen Ohrmuscheln auch das beschriebene Problem mit der Richtwirkung der Treiber und dem flexiblen Sitz der Ohrmuscheln. 

Fazit

Trotz der beschriebenen Kritikpunkte ist der Neumann NDH 30 ist ein überdurchschnittlich guter Studiokopfhörer. Er ist eine interessante Alternative für Regieraum- und Bedroom-Anwendungen, der garantiert seine Fangemeinde finden wird. Zur Perfektion fehlt dem offenen Neumann-Modell aber noch der letzte Schliff. So harmoniert das gerichtete Abstrahlverhalten der Treiber nicht optimal mit der legeren Sitzposition auf meinen Ohren. Dadurch kann das Klangbild von Mal zu Mal etwas inkonstant erscheinen. Wer einen Kopfhörer zum Mixing und Mastering sucht, den soll diese subjektive Einschätzung aber nicht davon abhalten, den Neumann NDH 30 (Website) einmal selbst zu checken. Teilt uns eure Erfahrungen gerne in der Kommentarfunktion mit! 

  • professioneller Studiokopfhörer
  • offen
  • dynamische Treiber (38 mm, Neodym)
  • ohrumschließend
  • gerades Kabel (3 m) mit 3,5-mm-Klinkenstecker + Adapter auf 6,35mm (vergoldet)
  • Kabelführung rechts (!)
  • Transportbeutel im Lieferumfang
  • Übertragungsbereich: 12 – 34.000Hz (±3 dB)
  • Impedanz: 120 Ohm
  • Maximale Belastbarkeit: 1000 mW
  • Nennbelastbarkeit: 200 mW
  • Schalldruckpegel: 104 dB SPL (1 kHz, 1 Vrms)
  • Klirrfaktor: < 0,03% (1 kHz, 100 dB SPL)
  • Gewicht: 352 g ohne Kabel
  • Hergestellt in: China
  • Preis: € 629,- (Straßenpreis am 30.5.2022)
Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • neutraler Wiedergabecharakter für Mix und Mastering
  • exzellenter Tragekomfort
  • abnehmbares Kabel
  • hochwertige Verarbeitung
  • Faltmechanismus
Contra
  • Klangveränderung durch inkonstante Positionierung der großen Ohrmuscheln
  • vergleichsweise puristischer Lieferumfang
Artikelbild
Neumann NDH 30 Test
Für 545,00€ bei
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Kommentieren
Profilbild von Thomas Rosenfeld

Thomas Rosenfeld sagt:

#1 - 04.06.2022 um 16:22 Uhr

0

Für mich klingt der NDH 30 einfach völlig "bedämpft". Neumann wirbt mit der Kompatibilität zu ihren Studiomonitoren. Ich habe sowohl die KH 120 als auch die KH 310. Eine klangliche Ähnlichkeit zum NDH 30 konnte ich nicht feststellen. Auch im direkten Vergleich zum DT 1990 Pro schlug sich der NDH in meinen Ohren schlecht. Aber gut, jeder hört anders und vielleicht mag es für Andere besser passen.

    Profilbild von Patrick

    Patrick sagt:

    #1.1 - 16.06.2022 um 13:23 Uhr

    0

    Hast Du Deine Monitore mit dem MA1 System eingemessen? Ich finde den Klang der NDH 30 wirklich erstaunlich ähnlich zu meinem MA1 eingemessenen KH120/KH750 System…der DT 1990 Pro betont die Höhen sehr stark, für meinen Geschmack viel zu stark. Nach langer Suche habe ich mit dem NDH 30 endlich „meinen“ Kopfhörer gefunden, fürs Mischen und Mastern…

    Antwort auf #1 von Thomas Rosenfeld

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