Native Instruments Kontrol F1 Test

Im Gegensatz zu dem, was einem aus den Boxen vieler Mainstream-Discotheken entgegenschallt, sind DJ- und Live-Sets elektronischer Stilrichtungen häufig geprägt von sehr viel Individualität, die sich aus dem Einsatz kreativer Tools ergibt. Das beginnt mit gezielten Frequenzmanipulationen, reicht über Loop-Gewitter und subtile Effektüberlagerungen bis hin zu Clip-Einspielungen und der Darbietung und Re-Inszenierung von Eigenproduktionen – live geschraubt mit physischer Gerätschaft versteht sich.  


Ableton Live ist hier ein Tool der Wahl, ferner Serato, deren Co-Produktion „The Bridge“ – eine interessante Integration von Lives Clipview in SSL – und natürlich auch das ohnehin sehr beliebte Traktor. Jetzt legt Native Instruments noch eine Schippe drauf. Was mit den Sample Decks begonnen hat, findet nun seine Fortsetzung in Traktor 2.5 und den beatsynchronen Remix Decks, die 16 Sound-Slots für jeden virtuellen Trecker-Teller stellen. Selbstverständlich sind diese ganz Traktor-like tweak-, pitch- und scratchbar. Dass so etwas nicht gern mit Maus und Tastatur bedient werden will, leuchtet ein. Also was liegt näher, als das passende Kontrollwerkzeug gleich mit auszuliefern – namentlich Kontrol-F1 und Gegenstand meines folgenden Erfahrungsberichts.  
Erfreulicherweise stellen Native-Instruments das Software-Update für registrierte Nutzer wie gehabt kostenlos bereit, jedoch ist der F1 aktuell das einzige Stück Hardware, welches zur Niederschrift dieser Zeilen die vollständige Kontrolle über Traktors neue Wunderwaffen übernehmen kann. Solltet ihr also jetzt, hier und unverzüglich mit den kompletten Remix Decks über eine haptische Kommandozentrale kommunizieren wollen, heißt es 249 Steine lockerzumachen und einzukaufen. Dann gibt’s auch gleich noch 1,4 GB Sample-Content in Form von Artist-Sets, oder besser gesagt Remix-Sets obendrauf. Genauere Erläuterungen folgen im Anschluss.

DETAILS

Was MIDI-Controller angeht, können die Berliner Soundspezialisten auf so manche Entwicklung zurückblicken, die in den letzten Jahren vielerorts Einzug in Studios und auf DJ-Kanzeln gehalten hat. Ob Kore-Controller, Guitar-Rig, Maschine (auch Mikro), Kontrol-X1, -S2, -S4 oder nun -F1: Zumindest die letztgenannten Geräte können eine gewisse Familienbande bei der optischen Inspektion nicht verleugnen. Ergo verwundert es kaum, ein Gehäuse ähnlich des X1 vorzufinden, welches im Detail fast identische Maße aufweist. Lediglich beim Gewicht hat der Neuankömmling knapp 40 Gramm zugelegt. Die Verarbeitungsqualität des in schwarzgrauen Kunststoff gehaltenen Controllers ist ausgezeichnet. Das windschnittige Case steht rutschsicher auf vier extradicken Gummiplatten. Mit seinem gebürsteten Metall-Overlay sieht es stylisch aus und ist aufgrund der kompakten Bauform ein unkomplizierter Backpack-Bewohner. Ein erster Trockenlauf über das Steuerwerk offenbart gegenüber dem benachbarten S4 nichts Nachteiliges, wenngleich ich anmerken möchte, dass bei meinem Testmodell die Fader ein anderes Gleitverhalten an den Tag legen. Da das Oberhaupt der Kontrolletti-Sippe „S4“ etwas höher ausfällt als sein sample-pyromaner Bruder, befördere ich den Letztgenannten in die X1-Bag, was ihn auf etwa die gleiche Höhe bringt.
Insgesamt stellen die Produktentwickler 28 Schaltflächen, je vier Drehregler und Flachbahnregler, einen Push-Encoder sowie ein zweistelliges, numerisches Display auf einer Fläche von 294 x 120 Millimetern auf. An der Rückseite sorgt ein USB-Port für den nötigen Kontakt zur Außenwelt. Eine Ausfräsung für ein Kensington-Lock dient – in Kombination mit dem optional erhältlichen Schloss – als Diebstahlschutz-Vorrichtung. Kann nicht schaden, bei dem schlanken Formfaktor. Im Paket finde ich neben der Konsole ein Overlay für besagte Track Deck-Funktionen, ein USB-Kabel, einen Satz Aufkleber und einen Beipackzettel mit Soft- und Hardware-Seriennummer. Installer-DVDs sind nicht auszumachen. Es gilt, das Produkt zu registrieren und Handbücher und Software von der Herstellerwebsite oder über das Service-Center zu laden. Dumm, wenn kein Internet zur Verfügung steht, wobei man eigentlich bei einem Controller-Jockey davon ausgehen sollte, dass dieser auch dem digitalen Track- und Sample-Erwerb bei Juno, iTunes, Beatport und Konsorten frönen sollte. Ob sich am Ende Serverfarmen oder Presswerke als ökologischer herausstellen, lassen wir an dieser Stelle mal außer Acht. Wir verzichten in diesem Artikel ferner auf ein komplettes Traktor-Review und widmen uns ausschließlich den Neuerungen, die mit dem Update Einzug gehalten haben. Wer mehr Hintergrundwissen zu Native Instruments DJ-Software benötigt, sei auf diesen Artikel (Traktor Pro 2) verwiesen.

„Harte Ware“
Wie nicht anders zu erwarten, ist das Layout des Controllers sehr übersichtlich ausgefallen und wirkt auf den ersten Blick auch für unerfahrenere Anwender trotz einer nicht zu verleugnenden Lernkurve durchaus beherrschbar. Was der gerade anwesende, vinylistisch und daher nicht ganz so nerdig veranlagte Kollege neben mir gern bestätigt. Das Gerät ist in drei funktionale Baugruppen unterteilt, und zwar die Mixer-, Global- und Remix-Sektion. Die oberen vier Potis der Mixer-Sektion befehligen Kombifilter (LPF/HPF – eines für jeden Samplekanal). 45 Millimeter lange Flachbahnregler sind für die Lautstärken der einzelnen Sample-Stacks (vertikale Ansammlung von Samples) zuständig.

Die Button-Matrix in der Remix-Sektion triggert Samples. Sämtliche Tasten illuminieren anhand eines festgelegten Codes entsprechend ihres zugehörigen Softwarependants in 16  unterschiedlichen Farben, die einen Rückschluss auf das enthaltene Audiomaterial geben können und frei – auch von der Hardware aus – zuweisbar sind. Die Intensität der Beleuchtung ist flexibel regelbar (On-State – Sample spielt: 50-100 Prozent, Dim-State – Sample spielt nicht: 0-50 Prozent, Default-Wert 20, wobei „null“ nicht wirklich aus bedeutet). Das Ganze fußt in einer Mute-Zeile zum Stummschalten eines Kanals. Mittels „Shift“ lassen sich die nachfolgenden Zweitfunktionen für jeden Stapel aufrufen.
1. Keylock: Startet den Timestretch-Algorithmus, um Tempomanipulationen unabhängig von der Tonhöhe zu vollziehen.
2. FX: Schaltet die Effektsektion ein.
3. Monitor: Routet den gewünschten Kanal auf den Kopfhörer.
4. Punch: Spielt beim Wechsel des Samples an identischer Position weiter, statt es von Beginn an einzustarten.
Hier gilt es, die Hierarchie der Software zu beachten, denn ein Effekt wird nur dann auf den Dancefloor prasseln, wenn er zusätzlich zum Slot am Haupt-Kanal aktiviert ist. Ein Sound lässt sich nur auf den Kopfhörer routen, wenn die Preview-Funktion am betreffenden Deck eingeschaltet ist. Logisch.

Dann folgt die Global-Sektion mit dem „Browse“-Encoder, dem Display und den Funktions-Tasten, die folgende Befehle aktivieren:
Sync: Schaltet die Sync-Funktion ein
Quant: Setzt die Taktlänge der Sample-Quantisierung
Capture: Sampelt Audiomaterial in ein Remix Deck
Reverse: Spielt das Sample rückwärts ab
Type: Festlegung von Sync-Mode (on, off) Trigger-Typus (gated, latched) und Abspielverhalten (One-Shot, Loop)
Size: Stutzt die Länge der Soundschnipsel
Browse: Navigiert durch die Musikbibliothek.
In Kombination mit dem „Shift“-Button erhält der User außerdem Zugriff auf die nachfolgenden Kommandos, wobei die Tasten dann, wo nötig, zu blinken beginnen.
Master: Deklariert den Taktgeber
Edit: Copy-Paste, Cut-Paste
Delete: Gibt den Speicherplatz frei
Color: Setzt die RGB-Beleuchtung und Samplefarbe
Pitch: Verändert den Pitch
Speed: Verändert die Wiedergabegeschwindigkeit
MIDI: Startet den MIDI-Modus (für alternative Softwares)

Wie ihr seht, ist das Ganze für ein DJ-Tool recht komplex ausgefallen und weit entfernt vom simplen Jingle-Player. Dazu kommen einige Features, die sich erst nach der Lektüre des Manuals erschließen. Solltet ihr also auf die Idee kommen, einen eigenen Controller zu mappen, sobald Native Instruments die Steuerbefehle freigibt, könnt ihr euch je nach Umfang eures Vorhabens auf so manche durchgemachte Nacht einstellen. Besonders wild wird’s dann, wenn man sich ohne Track Decks der ausschließlichen Remix-Akrobatik hingeben und vier Sample-Verbünde ans Laufen bringen möchte. Bei einem angeschlossenen F1 wird dann mittels Shift-Encoder durch die Decks A-D zur Befehlsübernahme gescrollt. Das Display visualisiert das zu steuernde Objekt mit einem Kürzel: dA, db, dC, dd. Das Handling, respektive ständige Wechseln ist nicht besonders intuitiv, allerdings 249 Euro billiger, als würde man sich eine zweite Unit zulegen. By the way: Es können insgesamt bis zu vier F1-Einheiten angeschlossen werden.
„Weiche Ware“
Grundsätzlich ist anzumerken, dass die Remix Decks unabhängig von ihrem spezifischen Funktionsumfang mit ähnlichen Werkzeugen ausgestattet sind wie Track Decks. Das bedeutet: Jedes Konglomerat unterliegt im internen Modus dem Dreiband-EQ mit Gain und Kanalfilter und kann eine globale Abspielsteuerung zum Starten und Stoppen des Verbundes (leider nicht dediziert am F1 vorzufinden) sowie die bewährten Loop-Controls vorweisen. Die Decks lassen sich via Timecode oder Jogwheel scratchen. Gepitcht wird global oder individuell, wobei man beim Sampleplayer streng genommen von einem Key-Transpose sprechen müsste, wie nachstehend anzuhören ist. Die Sample-Vereinigung galoppiert auf Wunsch im Tempo-Einklang zur Master-Clock oder zu einem herkömmlichen Deck. Ferner kann die Allianz als Taktgeber für andere Player fungieren. Den einzelnen Sampleslots stehen die Abspielmodi Loop und One-Shot zur Verfügung, ferner ist es möglich, Pitch und Länge zu bestimmen, Keylock, Punch und FX zu aktivieren sowie Preview und Mute einzuschalten, wobei sich zum Teil auch der Inhalt des Fensters ändert (z.B. Quant, Shift).

Audio Samples
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Encoder Pitchrange

Befüllen lassen sich die Plätze entweder aus der eigenen Sample-Library oder per Capture-Extrahierung aus laufenden Musikstücken der Track Decks oder dem Loop-Recorder, was auf dem Controller-Display durch Codes wie cA (Capture A) oder cL (Capture Looprecorder) und Zonen-Beleuchtung der Matrix klar wird. Umgekehrt ist es aktuell jedoch nicht möglich, ein Sample aus einem Remix Deck in ein Track Deck zu befördern, um Start- oder Endmarker anzulegen und es dann zu „stutzen“. Jedes Remix Deck besteht aus maximal vier Seiten, auf denen viermal vier Samples Platz finden dürfen, und kann somit maximal 64 Samples aufnehmen. Mit dem Encoder scrollt man durch die einzelnen Pages, woraufhin das Display P1-4 ausgibt und die Software den entsprechenden Page-Balken neben dem Deck verschiebt (auch mit der Maus zu bedienen). Eine dritte Möglichkeit die Slots zu befüllen, ergibt sich aus den Remix-Sets mit der Dateiendung -trak. Dies sind fertige Pakete, ähnlich wie man es von den Artist-Sets einer anderen bekannten Berliner Softwareschmiede kennt. Diese Zusammenstellungen werden über die Importfunktion geladen und mit einem Eintrag im Browser unter „all Remix-Sets“ versehen. Eine Kollektion belegt im Browser  – sehr überschaubar – eine Zeile, wobei die maximal 64 enthaltenen Sounds zum Vorschein kommen, wenn das Set gemäß nachstehender Grafik ausgewählt wird oder auf dem Teller liegt.

Päckchen packen
Man muss kein Nostradamus sein, um zu mutmaßen, dass Native-Instruments mit diesen Traktor-Packs ein heißes Eisen im Feuer haben, denn sie ermöglichen den kostenlosen oder kostenpflichtigen Vertrieb von speziellen Künstler- oder Genrepacks (Remix-Competitions könnten folgen), wie man es von einer anderen bekannten Spree-Schmiede kennt. Ich denke, es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Live-Remixing eigener oder fremder Zusammenstellungen für die Fraktion der kreativen Traktor-Deejays in den Arbeits-Alltag einzieht. So wie es vor Jahren Loops, Hotcues und FX taten. Natürlich kann man von Producer-Seite auch seine fertig produzierten Tracks in ihre Bestandteile, respektive Einzelspuren zerlegen, diese als Traktor-Pak speichern und auf einer Webpräsenz gebührenpflichtig oder frei publizieren – oder dem Kollegen per Dropbox zuschicken, der sie dann modifiziert. Das Importieren und Exportieren auf ein anderes OS funktioniert systemübergreifend gut, keine Notwendigkeit, sich um Plugin-Formate (AU, VST oder sonstiges) zu scheren. Man darf eines jedoch nicht vergessen. Ein gutes Remix-Pack baut sich nicht von selbst. Ein Aufwand, der deutlich höher ist, als das simple Durchhören von Musiktiteln. Das Aufzeichnen von Hardware oder Softwareinstrumenten, Schnibbeln, Taggen und Abgleichen fordert nun mal einige Zeit ein, sollte man nicht bereits über eine große Library verfügen oder auf kommerzielle Samplepacks setzen. Hat man allerdings erst einmal ein paar stimmige Pakete geschnürt, kommt die Sache richtig ins Rollen, denn der Spaßfaktor ist enorm und lässt trotz der aufkommenden Möglichkeiten, die sich aus Loops, Effekten, Cuejuggling und Sampletriggern ergeben, den DJ-typischen Ansatz und die traktorsche Performance nicht vermissen. Wer indes schon mit dem Zusammenstellen normaler Mixsessions an seine Grenzen stößt, sollte vor dem Kauf ausloten, ob er sich dieser Aufgabe wirklich stellen will – oder ob es vielleicht auch mit den vier Standard-Sample-Slots getan ist.

Nun könnten Kritiker durchaus bemerken, dass man sich mit dem F1 einen weiteren Schritt vom ursprünglichen Anforderungsprofil eines Deejays entfernt – nämlich gute Songs ineinander zu drehen, eine Dynamik auf dem Dancefloor zu erzeugen und die Spannungskurve für die Zuhörerschaft hochzuhalten. Das trifft sicherlich zu, aber genauso ist festzuhalten: Für all diejenigen Trecker-Jockeys, die bisher eine Ableton-Live-Komplexität, die einhergehende Investition in diese Software, sowie die Integration einer Produktionsumgebung in ihr DJ-Set gescheut haben, kommt der F1 wie gerufen. Sie bekommen ein vergleichsweise simpel gehaltenes Werkzeug an die Hand, das zwar auch eine gewisse Lernkurve aufweist, doch in einer ihnen vertrauten Umgebung stattfindet und eben nicht die Komplexität einer DAW mitbringt. Schön für ein zukünftiges Update wäre dennoch ein Automations-Plugin, welches die Mixsession mit allen gesendeten MIDI-Befehlen zur Nachbereitung oder zum Overdubbing in oder für die DAW aufzeichnet. Mal sehen, was uns in dieser Hinsicht zukünftig noch erwartet. Auf ein Maschine Mixdown-Plugin wird bereits dezent hingewiesen. Expansion-Packs wie bei Maschine, Kontakt oder früher Kore sind wahrscheinlich ebenso logisch. Den ambitionierten Frickler möchte ich an dieser Stelle noch darauf aufmerksam machen, dass ein führender Onlineshop für elektronische Musik und Samples, der seit Kurzem individuelle DJ-Pages für seine Künstler und Kunden anbietet, in Bälde gestattet, eigene Mixtapes upzuloaden (noch geht dies nur mit Einladung). Die genauen Konditionen könnt ihr der „PORTal“-Seite entnehmen.

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