Native Instruments Kontrol F1 Test

Im Gegensatz zu dem, was einem aus den Boxen vieler Mainstream-Discotheken entgegenschallt, sind DJ- und Live-Sets elektronischer Stilrichtungen häufig geprägt von sehr viel Individualität, die sich aus dem Einsatz kreativer Tools ergibt. Das beginnt mit gezielten Frequenzmanipulationen, reicht über Loop-Gewitter und subtile Effektüberlagerungen bis hin zu Clip-Einspielungen und der Darbietung und Re-Inszenierung von Eigenproduktionen – live geschraubt mit physischer Gerätschaft versteht sich.  


Ableton Live ist hier ein Tool der Wahl, ferner Serato, deren Co-Produktion „The Bridge“ – eine interessante Integration von Lives Clipview in SSL – und natürlich auch das ohnehin sehr beliebte Traktor. Jetzt legt Native Instruments noch eine Schippe drauf. Was mit den Sample Decks begonnen hat, findet nun seine Fortsetzung in Traktor 2.5 und den beatsynchronen Remix Decks, die 16 Sound-Slots für jeden virtuellen Trecker-Teller stellen. Selbstverständlich sind diese ganz Traktor-like tweak-, pitch- und scratchbar. Dass so etwas nicht gern mit Maus und Tastatur bedient werden will, leuchtet ein. Also was liegt näher, als das passende Kontrollwerkzeug gleich mit auszuliefern – namentlich Kontrol-F1 und Gegenstand meines folgenden Erfahrungsberichts.  
Erfreulicherweise stellen Native-Instruments das Software-Update für registrierte Nutzer wie gehabt kostenlos bereit, jedoch ist der F1 aktuell das einzige Stück Hardware, welches zur Niederschrift dieser Zeilen die vollständige Kontrolle über Traktors neue Wunderwaffen übernehmen kann. Solltet ihr also jetzt, hier und unverzüglich mit den kompletten Remix Decks über eine haptische Kommandozentrale kommunizieren wollen, heißt es 249 Steine lockerzumachen und einzukaufen. Dann gibt’s auch gleich noch 1,4 GB Sample-Content in Form von Artist-Sets, oder besser gesagt Remix-Sets obendrauf. Genauere Erläuterungen folgen im Anschluss.

DETAILS

Was MIDI-Controller angeht, können die Berliner Soundspezialisten auf so manche Entwicklung zurückblicken, die in den letzten Jahren vielerorts Einzug in Studios und auf DJ-Kanzeln gehalten hat. Ob Kore-Controller, Guitar-Rig, Maschine (auch Mikro), Kontrol-X1, -S2, -S4 oder nun -F1: Zumindest die letztgenannten Geräte können eine gewisse Familienbande bei der optischen Inspektion nicht verleugnen. Ergo verwundert es kaum, ein Gehäuse ähnlich des X1 vorzufinden, welches im Detail fast identische Maße aufweist. Lediglich beim Gewicht hat der Neuankömmling knapp 40 Gramm zugelegt. Die Verarbeitungsqualität des in schwarzgrauen Kunststoff gehaltenen Controllers ist ausgezeichnet. Das windschnittige Case steht rutschsicher auf vier extradicken Gummiplatten. Mit seinem gebürsteten Metall-Overlay sieht es stylisch aus und ist aufgrund der kompakten Bauform ein unkomplizierter Backpack-Bewohner. Ein erster Trockenlauf über das Steuerwerk offenbart gegenüber dem benachbarten S4 nichts Nachteiliges, wenngleich ich anmerken möchte, dass bei meinem Testmodell die Fader ein anderes Gleitverhalten an den Tag legen. Da das Oberhaupt der Kontrolletti-Sippe „S4“ etwas höher ausfällt als sein sample-pyromaner Bruder, befördere ich den Letztgenannten in die X1-Bag, was ihn auf etwa die gleiche Höhe bringt.
Insgesamt stellen die Produktentwickler 28 Schaltflächen, je vier Drehregler und Flachbahnregler, einen Push-Encoder sowie ein zweistelliges, numerisches Display auf einer Fläche von 294 x 120 Millimetern auf. An der Rückseite sorgt ein USB-Port für den nötigen Kontakt zur Außenwelt. Eine Ausfräsung für ein Kensington-Lock dient – in Kombination mit dem optional erhältlichen Schloss – als Diebstahlschutz-Vorrichtung. Kann nicht schaden, bei dem schlanken Formfaktor. Im Paket finde ich neben der Konsole ein Overlay für besagte Track Deck-Funktionen, ein USB-Kabel, einen Satz Aufkleber und einen Beipackzettel mit Soft- und Hardware-Seriennummer. Installer-DVDs sind nicht auszumachen. Es gilt, das Produkt zu registrieren und Handbücher und Software von der Herstellerwebsite oder über das Service-Center zu laden. Dumm, wenn kein Internet zur Verfügung steht, wobei man eigentlich bei einem Controller-Jockey davon ausgehen sollte, dass dieser auch dem digitalen Track- und Sample-Erwerb bei Juno, iTunes, Beatport und Konsorten frönen sollte. Ob sich am Ende Serverfarmen oder Presswerke als ökologischer herausstellen, lassen wir an dieser Stelle mal außer Acht. Wir verzichten in diesem Artikel ferner auf ein komplettes Traktor-Review und widmen uns ausschließlich den Neuerungen, die mit dem Update Einzug gehalten haben. Wer mehr Hintergrundwissen zu Native Instruments DJ-Software benötigt, sei auf diesen Artikel (Traktor Pro 2) verwiesen.

„Harte Ware“
Wie nicht anders zu erwarten, ist das Layout des Controllers sehr übersichtlich ausgefallen und wirkt auf den ersten Blick auch für unerfahrenere Anwender trotz einer nicht zu verleugnenden Lernkurve durchaus beherrschbar. Was der gerade anwesende, vinylistisch und daher nicht ganz so nerdig veranlagte Kollege neben mir gern bestätigt. Das Gerät ist in drei funktionale Baugruppen unterteilt, und zwar die Mixer-, Global- und Remix-Sektion. Die oberen vier Potis der Mixer-Sektion befehligen Kombifilter (LPF/HPF – eines für jeden Samplekanal). 45 Millimeter lange Flachbahnregler sind für die Lautstärken der einzelnen Sample-Stacks (vertikale Ansammlung von Samples) zuständig.

Die Button-Matrix in der Remix-Sektion triggert Samples. Sämtliche Tasten illuminieren anhand eines festgelegten Codes entsprechend ihres zugehörigen Softwarependants in 16  unterschiedlichen Farben, die einen Rückschluss auf das enthaltene Audiomaterial geben können und frei – auch von der Hardware aus – zuweisbar sind. Die Intensität der Beleuchtung ist flexibel regelbar (On-State – Sample spielt: 50-100 Prozent, Dim-State – Sample spielt nicht: 0-50 Prozent, Default-Wert 20, wobei „null“ nicht wirklich aus bedeutet). Das Ganze fußt in einer Mute-Zeile zum Stummschalten eines Kanals. Mittels „Shift“ lassen sich die nachfolgenden Zweitfunktionen für jeden Stapel aufrufen.
1. Keylock: Startet den Timestretch-Algorithmus, um Tempomanipulationen unabhängig von der Tonhöhe zu vollziehen.
2. FX: Schaltet die Effektsektion ein.
3. Monitor: Routet den gewünschten Kanal auf den Kopfhörer.
4. Punch: Spielt beim Wechsel des Samples an identischer Position weiter, statt es von Beginn an einzustarten.
Hier gilt es, die Hierarchie der Software zu beachten, denn ein Effekt wird nur dann auf den Dancefloor prasseln, wenn er zusätzlich zum Slot am Haupt-Kanal aktiviert ist. Ein Sound lässt sich nur auf den Kopfhörer routen, wenn die Preview-Funktion am betreffenden Deck eingeschaltet ist. Logisch.

Dann folgt die Global-Sektion mit dem „Browse“-Encoder, dem Display und den Funktions-Tasten, die folgende Befehle aktivieren:
Sync: Schaltet die Sync-Funktion ein
Quant: Setzt die Taktlänge der Sample-Quantisierung
Capture: Sampelt Audiomaterial in ein Remix Deck
Reverse: Spielt das Sample rückwärts ab
Type: Festlegung von Sync-Mode (on, off) Trigger-Typus (gated, latched) und Abspielverhalten (One-Shot, Loop)
Size: Stutzt die Länge der Soundschnipsel
Browse: Navigiert durch die Musikbibliothek.
In Kombination mit dem „Shift“-Button erhält der User außerdem Zugriff auf die nachfolgenden Kommandos, wobei die Tasten dann, wo nötig, zu blinken beginnen.
Master: Deklariert den Taktgeber
Edit: Copy-Paste, Cut-Paste
Delete: Gibt den Speicherplatz frei
Color: Setzt die RGB-Beleuchtung und Samplefarbe
Pitch: Verändert den Pitch
Speed: Verändert die Wiedergabegeschwindigkeit
MIDI: Startet den MIDI-Modus (für alternative Softwares)

Wie ihr seht, ist das Ganze für ein DJ-Tool recht komplex ausgefallen und weit entfernt vom simplen Jingle-Player. Dazu kommen einige Features, die sich erst nach der Lektüre des Manuals erschließen. Solltet ihr also auf die Idee kommen, einen eigenen Controller zu mappen, sobald Native Instruments die Steuerbefehle freigibt, könnt ihr euch je nach Umfang eures Vorhabens auf so manche durchgemachte Nacht einstellen. Besonders wild wird’s dann, wenn man sich ohne Track Decks der ausschließlichen Remix-Akrobatik hingeben und vier Sample-Verbünde ans Laufen bringen möchte. Bei einem angeschlossenen F1 wird dann mittels Shift-Encoder durch die Decks A-D zur Befehlsübernahme gescrollt. Das Display visualisiert das zu steuernde Objekt mit einem Kürzel: dA, db, dC, dd. Das Handling, respektive ständige Wechseln ist nicht besonders intuitiv, allerdings 249 Euro billiger, als würde man sich eine zweite Unit zulegen. By the way: Es können insgesamt bis zu vier F1-Einheiten angeschlossen werden.
„Weiche Ware“
Grundsätzlich ist anzumerken, dass die Remix Decks unabhängig von ihrem spezifischen Funktionsumfang mit ähnlichen Werkzeugen ausgestattet sind wie Track Decks. Das bedeutet: Jedes Konglomerat unterliegt im internen Modus dem Dreiband-EQ mit Gain und Kanalfilter und kann eine globale Abspielsteuerung zum Starten und Stoppen des Verbundes (leider nicht dediziert am F1 vorzufinden) sowie die bewährten Loop-Controls vorweisen. Die Decks lassen sich via Timecode oder Jogwheel scratchen. Gepitcht wird global oder individuell, wobei man beim Sampleplayer streng genommen von einem Key-Transpose sprechen müsste, wie nachstehend anzuhören ist. Die Sample-Vereinigung galoppiert auf Wunsch im Tempo-Einklang zur Master-Clock oder zu einem herkömmlichen Deck. Ferner kann die Allianz als Taktgeber für andere Player fungieren. Den einzelnen Sampleslots stehen die Abspielmodi Loop und One-Shot zur Verfügung, ferner ist es möglich, Pitch und Länge zu bestimmen, Keylock, Punch und FX zu aktivieren sowie Preview und Mute einzuschalten, wobei sich zum Teil auch der Inhalt des Fensters ändert (z.B. Quant, Shift).

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Encoder Pitchrange

Befüllen lassen sich die Plätze entweder aus der eigenen Sample-Library oder per Capture-Extrahierung aus laufenden Musikstücken der Track Decks oder dem Loop-Recorder, was auf dem Controller-Display durch Codes wie cA (Capture A) oder cL (Capture Looprecorder) und Zonen-Beleuchtung der Matrix klar wird. Umgekehrt ist es aktuell jedoch nicht möglich, ein Sample aus einem Remix Deck in ein Track Deck zu befördern, um Start- oder Endmarker anzulegen und es dann zu „stutzen“. Jedes Remix Deck besteht aus maximal vier Seiten, auf denen viermal vier Samples Platz finden dürfen, und kann somit maximal 64 Samples aufnehmen. Mit dem Encoder scrollt man durch die einzelnen Pages, woraufhin das Display P1-4 ausgibt und die Software den entsprechenden Page-Balken neben dem Deck verschiebt (auch mit der Maus zu bedienen). Eine dritte Möglichkeit die Slots zu befüllen, ergibt sich aus den Remix-Sets mit der Dateiendung -trak. Dies sind fertige Pakete, ähnlich wie man es von den Artist-Sets einer anderen bekannten Berliner Softwareschmiede kennt. Diese Zusammenstellungen werden über die Importfunktion geladen und mit einem Eintrag im Browser unter „all Remix-Sets“ versehen. Eine Kollektion belegt im Browser  – sehr überschaubar – eine Zeile, wobei die maximal 64 enthaltenen Sounds zum Vorschein kommen, wenn das Set gemäß nachstehender Grafik ausgewählt wird oder auf dem Teller liegt.

Päckchen packen
Man muss kein Nostradamus sein, um zu mutmaßen, dass Native-Instruments mit diesen Traktor-Packs ein heißes Eisen im Feuer haben, denn sie ermöglichen den kostenlosen oder kostenpflichtigen Vertrieb von speziellen Künstler- oder Genrepacks (Remix-Competitions könnten folgen), wie man es von einer anderen bekannten Spree-Schmiede kennt. Ich denke, es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Live-Remixing eigener oder fremder Zusammenstellungen für die Fraktion der kreativen Traktor-Deejays in den Arbeits-Alltag einzieht. So wie es vor Jahren Loops, Hotcues und FX taten. Natürlich kann man von Producer-Seite auch seine fertig produzierten Tracks in ihre Bestandteile, respektive Einzelspuren zerlegen, diese als Traktor-Pak speichern und auf einer Webpräsenz gebührenpflichtig oder frei publizieren – oder dem Kollegen per Dropbox zuschicken, der sie dann modifiziert. Das Importieren und Exportieren auf ein anderes OS funktioniert systemübergreifend gut, keine Notwendigkeit, sich um Plugin-Formate (AU, VST oder sonstiges) zu scheren. Man darf eines jedoch nicht vergessen. Ein gutes Remix-Pack baut sich nicht von selbst. Ein Aufwand, der deutlich höher ist, als das simple Durchhören von Musiktiteln. Das Aufzeichnen von Hardware oder Softwareinstrumenten, Schnibbeln, Taggen und Abgleichen fordert nun mal einige Zeit ein, sollte man nicht bereits über eine große Library verfügen oder auf kommerzielle Samplepacks setzen. Hat man allerdings erst einmal ein paar stimmige Pakete geschnürt, kommt die Sache richtig ins Rollen, denn der Spaßfaktor ist enorm und lässt trotz der aufkommenden Möglichkeiten, die sich aus Loops, Effekten, Cuejuggling und Sampletriggern ergeben, den DJ-typischen Ansatz und die traktorsche Performance nicht vermissen. Wer indes schon mit dem Zusammenstellen normaler Mixsessions an seine Grenzen stößt, sollte vor dem Kauf ausloten, ob er sich dieser Aufgabe wirklich stellen will – oder ob es vielleicht auch mit den vier Standard-Sample-Slots getan ist.

Nun könnten Kritiker durchaus bemerken, dass man sich mit dem F1 einen weiteren Schritt vom ursprünglichen Anforderungsprofil eines Deejays entfernt – nämlich gute Songs ineinander zu drehen, eine Dynamik auf dem Dancefloor zu erzeugen und die Spannungskurve für die Zuhörerschaft hochzuhalten. Das trifft sicherlich zu, aber genauso ist festzuhalten: Für all diejenigen Trecker-Jockeys, die bisher eine Ableton-Live-Komplexität, die einhergehende Investition in diese Software, sowie die Integration einer Produktionsumgebung in ihr DJ-Set gescheut haben, kommt der F1 wie gerufen. Sie bekommen ein vergleichsweise simpel gehaltenes Werkzeug an die Hand, das zwar auch eine gewisse Lernkurve aufweist, doch in einer ihnen vertrauten Umgebung stattfindet und eben nicht die Komplexität einer DAW mitbringt. Schön für ein zukünftiges Update wäre dennoch ein Automations-Plugin, welches die Mixsession mit allen gesendeten MIDI-Befehlen zur Nachbereitung oder zum Overdubbing in oder für die DAW aufzeichnet. Mal sehen, was uns in dieser Hinsicht zukünftig noch erwartet. Auf ein Maschine Mixdown-Plugin wird bereits dezent hingewiesen. Expansion-Packs wie bei Maschine, Kontakt oder früher Kore sind wahrscheinlich ebenso logisch. Den ambitionierten Frickler möchte ich an dieser Stelle noch darauf aufmerksam machen, dass ein führender Onlineshop für elektronische Musik und Samples, der seit Kurzem individuelle DJ-Pages für seine Künstler und Kunden anbietet, in Bälde gestattet, eigene Mixtapes upzuloaden (noch geht dies nur mit Einladung). Die genauen Konditionen könnt ihr der „PORTal“-Seite entnehmen.

PRAXIS

Nach der Hardware-Registrierung und dem Download der Dateien (568 MB Traktor, 1.4 GB Remix-Sets) könnte es also losgehen, doch bevor ich den Installationsprozess starte, lege ich sicherheitshalber zunächst ein Backup meiner Einstellungen über das Export-Menü an. War es zum Markteintritt des Kontrol-X1 noch möglich, mit einem Pentium 4 zu arbeiten, bedarf es für Traktor 2.5 eines Core2 Duo-PCs oder Athlon 64X2 mit Windows7. Diese müssen mindestens 2 GB RAM verbaut haben. Empfohlen werden indes 4 GB, was in meinen Augen absolut Sinn macht. Ferner gehört ein USB 2.0 Port zu den Voraussetzungen für einen ordnungsgemäßen Betrieb sowie ein DVD-Drive (was wahrscheinlich ein Druckfehler auf dem Karton ist, da die  Software-Installation ja aktuell nicht mehr per optischem Datenträger geschieht, sondern per Download, und es abzuwarten bleibt, ob sich dies in der Folgezeit ändern wird). 1 GB Festplattenspeicher ist Pflicht, für die Kür sind ein paar „Gig“ draufzulegen, damit auch der optional zum Download bereitgestellte Sample-Content auf dem Rechner heimisch werden kann. An einen Mac werden die gleichen Anforderungen gestellt, nur dürstet es Traktor hier nach OS X 10.6 oder 10.7. Native Instruments setzt zur bidirektionalen Kommunikation zwischen Soft- und Hardware ein proprietäres Protokoll mit dem Namen NHL ein, das bis zu 30x schneller sein soll als Standard-MIDI. Laut Herstellerangaben wurde in Traktor 2.5 unter anderem auch der Code für die Analyse der BPM und des Grids neu geschrieben, was sich in einer akkurateren Berechnung äußert, selbst bei schwankenden Tempi und Rhythmen.

F1 trifft auf S4
Der Weg führt mich nun zum MacBook, wo mein Testkandidat im Einklang mit dem Traktor S4 Controller arbeiten soll. Dieser übernimmt die Track Decks und der F1 die Remix Decks. Dann geht es an das Befüllen der Sample Slots. Im Browsermodus lassen sich Pads auf Tastendruck direkt mit der aktuellen Auswahl beladen und überschreiben, vollgepackte Seiten löschen oder komplette Remix Decks entladen. Mit den Fadern hat man Pegelverhältnisse der Stacks fest im Griff, die Filter-Potis arbeiten sanft und präzise. Zu beachten ist, dass ein Abspielvorgang am Sample Deck je nach Voreinstellungen das Track Deck starten kann oder nicht. Grundsätzlich hat der User die Möglichkeit, bei kleineren Timing-Problemen einen Sample-Offset einzustellen, ferner bietet das NI-Brett Nudging per Encoder an. Anmerken möchte ich an dieser Stelle noch, dass bei MP3-Sample-Dateien im Testlauf aktuell leider eine Verzögerung beim Start der Wiedergabe auftritt, an der Native wohl schon dran ist. Außerdem sind Sample-Libraries in der Regel im WAV- oder AIFF-Format gehalten, sodass dieser Umstand nicht so stark zu gewichten ist.

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Kanalfilter Erst Wav dann MP3-Bug

Das Handling gängiger Funktionen unterliegt dem Direktzugriff, erweiterte Einstellungen kommen über „Shift“ ins Spiel, was in der Praxis gut zu bewältigen ist. Dem effizienten Workflow entgegenkommend und somit als ausgezeichnet einzustufen ist das statusmeldende, visuelle Konzept. Durch die regelbare duale Beleuchtungsintensität der Matrix ist man in dunklen und hellen Umgebungen gut aufgestellt, und es ist jederzeit klar, wo ein Sample abspielt, wo nicht und welche Spuren gemutet sind. Zwar sind die Tasten nicht anschlagdynamisch, aber sie sollen ja triggern und nicht Drums einspielen.   Während der Performance versorgt mich die Anzeige mit Informationen zum Remix Deck, wie aktuelle Programmbank, Pitchwert (+/-12 Semitöne), Größe oder Geschwindigkeit eines Samples etc. Andere Funktionen sind mittels Pad-Matrix zugänglich. Zum Beispiel kann die Taktlänge zur Sample-Quantisierung (wird aber gleichfalls numerisch dargestellt) per Tastenauswahl eingestellt werden. Jedes Pad entspricht einem Quantize-Wert zwischen 1/4 Beat und 32 Beats, der bestimmt, wann das abzuspielende Sample – abhängig von der Position in der Quantisierungsphase – eingestartet wird, wobei die Taste während des Wartevorgangs blinkt und es in der Natur der Sache liegt, dass bei kleinsten Werten Taktversätze entstehen können.

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Quantisierung mit finalem Offbeat

Möchte ich Samples aus einem Track Deck beziehen, kommt das Capture-Tool wie gerufen. Die Länge wird zunächst voreingestellt (1/32 Takt bis 32 Schläge). Damit der Loop synchron zum Beatgrid des „Spenders“ läuft, ist darauf zu achten, dass die „Snap“-Funktion während der Extrahierung eingeschaltet ist. Ein Tastendruck auf „Capture“ und ein weiterer auf das entsprechende Pad befüllt diesen Slot, vorherige Elemente werden dabei ersetzt. Praktisch ist, dass das Quell-Deck nicht spielen muss, um Audiomaterial abzuspalten. Beim automatischen Capturing wird mit jedem Encoder-Druck (Kombi: Encoder-Button) von links nach rechts und von oben nach unten immer das nächste freie Slot befüllt.  
Praktischerweise lassen sich Samples via Copy & Paste bearbeiten bzw. einfach duplizieren, beispielsweise um Instrumenten- oder Vokaleinlagen in unterschiedlichen Ausschnitten und Tonhöhen zu erlangen, ohne sich die Festplatte vollzuschaufeln, da diese Informationen intern gespeichert werden. Editierte und eigene Remix-Sets lassen sich mit Datum und Uhrzeit direkt von der Hardware aus archivieren, ferner kann der Anwender einen automatischen Speichervorgang für editierte Sets aktivieren.  
Gescratcht wird der Clipverbund in diesem Szenario durch Umschalten des S4 auf die Decks C und D, wo zudem die Transportsteuerung, der Pitch-Slider und die Loop-Sektion zum Einsatz kommen können. Denn dann ist es nicht nötig, am F1 selbst in den User-Mode zu wechseln. Wobei ich auch anmerken möchte, dass das Umschalten zwischen den beiden Modi sekundenschnell und völlig reibungslos vonstatten geht. Das Handling der Samples mit dem F1 ist sehr viel ausgefeilter als beim S4, dennoch kann ich bei Bedarf auch mit Einschränkungen auf die ersten vier Remix-Slots zugreifen und mal schnell was abfeuern.  
In Sachen Performance gibt es nichts zu beanstanden. Das MacBook konnte problemlos mit niedriger Latenz operieren. Die CPU-Auslastungsanzeige schlug unter vehementem Einsatz von Samples, FX und nicht in den roten Bereich aus. Was sich allerdings am Apfel-Laptop negativ bemerkbar macht, ist die geringe Display-Auflösung von lediglich 1280 x 800 Punkten. Deutlich zu wenig, um das gesamte Geschehen adäquat am Bildschirm darzustellen – doch für manchen ist der Blick zum Screen eh nicht nötig, es sei denn, es geht an die Track-Auswahl. Dennoch habe ich mal ausprobiert, wie sich das iPad mit Airplay als Monitorerweiterung schlägt, was sich jedoch als ziemlich träge darstellte und aufgrund des starren Layouts von Traktor und unterschiedlichen Auflösungen nicht uneingeschränkt zu genießen ist. Ich fände es schön, wenn Traktor eine optionale Entkopplung der einzelnen Bestandteile wie Decks, Mixer und Browser zuließe.  
Ein wahrscheinlich bald sehr verbreitetes Szenario besteht aus einem Kontrol-F1 am externen Mischpult, vielleicht in Kombination mit Bruder X1. Im Studio habe ich die Geschwister mit Unterbau X1-Bag an den Flanken eines Pioneer DJM-850 positioniert – ebenfalls ein Gerät, dem wir in Zukunft öfter im Clubeinsatz begegnen könnten (Test hier). Eine aufwendige Verkabelung (außer mit PA-/Monitor-Boxen und Notebook) ist hier nötig, da der DJM-850 Traktor Scratch Certified ist – und sich daher einerseits mit Traktor 2.5 kompatibel gibt, andererseits mit dem Scratch-Update Kit (aktuell 99 Euro) als ein sehr kompetenter Sparringspartner für das Berliner Gespann erweist und ein digitales Vinyl-System um so manche kreative Initialzündung bereichern kann. Der Verbund arbeitet sehr stabil, und das Scratchen via Timecode ist bei niedrigen Latenzen sehr authentisch. Jedoch steht mein MacBook nach Anschluss des DJM-850 und F1 schon vor dem Problem, keinen weiteren USB-Port für den X1 zu stellen. Erfreulicherweise kann ich jedoch berichten, dass es beim Betrieb eines F1 und X1 an einem Hub nicht zu Problemen kam. Ein Refresh funktionierte ebenfalls anstandslos. Sollte im Grunde auch mit zwei F1 funktionieren.       

Das etwas andere Layout
Ein Overlay für den User-Mode ist dem Lieferumfang beigelegt. In diesem Modus bieten die Pads als Standard acht Hotcues pro Deck an. Sync, Master, Keylock und Konsorten sind im Deck-Mode ebenfalls zugänglich, wobei sich das Festhalten von „Shift“ und „Deck“ sowie anschließendes „Paddeln“ einer gewissen Fingerakrobatik nicht erwehren kann. Versetze ich die Kommandozentrale auf die Betriebsart Loop, bleiben vier Hotcues auf der ersten Horizontalen erhalten. Die zweite Spalte setzt eine 4-Beat-Schleife und ist mit einem Cutter ausgestattet. Im Move-Modus sind ebenfalls die ersten vier Hotcues zugänglich, die zweite Vertikale stellt die Move-Größe ein und versetzt die virtuelle Nadel um eben diesen Wert vor oder zurück. Das Ganze wird visuell eindeutig aufbereitet. Hotcues sind blau, der Move- und Deck-Mode orange und Loop ist grün, je nach Status zudem hell oder gedimmt.

Sample- und Mapping-Philosophen
Im Gegensatz zu Serato, die eine Clip-Launch-Matrix über Ableton realisieren, hat sich Native Instruments dazu entschlossen, die ganze Schose In-House umzusetzen. Und sie tun gut daran. Zwar sind die Remix Decks im Gegensatz zur Ableton-VST-Schnittstelle an den Funktionsumfang und die Effekte von Traktor gebunden, auch gibt es (noch) keine Möglichkeit des Automations-Recordings, aber dafür muss man auch lediglich eine Software starten und nicht wie im anderen Szenario zwei Programme – was sich im Test als nicht zu unterschätzender Performance-Gewinn darstellte. Was das Handling angeht, gefällt mir persönlich das Gespann aus Pult mit X1/F1 besser, als einen MIDI-Controller für SSL und eine APC40 für Live neben dem Mixer aufzubauen. Allerdings reicht dem einen oder andern ja eventuell auch ein Xone oder Launchpad oder eben das besagte Native-Instruments-Duett im MIDI-Modus. Traktors Sample Decks lassen sich indes  nicht in vollem Umfang auf 3rd-Party-Kontrollwerkzeuge mappen. Womit wir beim nächsten Punkt sind…  
Der Aufwand, eine Befehlsbibliothek bereitzustellen, um alle 64 Sampleslots zu mappen, deren Status abzufragen und Bedingungen und Modifier zu setzen, ist ungleich höher als bei den Traktor Versionen zuvor. Doch können wir die Einschränkung der Befehlspalette für die breite Masse an dieser Stelle nicht außer Acht lassen. Schließlich bemängeln wir auch bei Serato immer wieder, dass die Anwender keinen Zugriff auf die MIDI-Befehle in Form einer integrierten Programmier-Oberfläche bekommen. Soweit ist es zwar bei Traktor nicht, doch einen leicht faden Beigeschmack hat es schon, dass nur F1-Käufer in den vollen Genuss kommen (war beim S4 und den Sample Decks zu Beginn auch so…) und alle anderen Traktor 2.5-User mit ihrem Controller aktuell im buchstäblichen Regen stehen. Vergessen wir bei diesen Ausführungen jedoch nicht, dass ein Funktionsumfang ähnlich der Remix Decks im Scratch Live-Lager mit heuer 349 Tacken für Ableton Live zu Buche schlägt und obendrein vielleicht noch eine APC zur Ausstattung gehören sollte. Das Update der alten Sample Decks hingegen ist bei NI erst mal kostenlos.
Einige Neuerungen sind allerdings auch jetzt schon im Controller-Manager auszumachen, die zum einen aus der Unterstützung des F1, der Remix Decks an sich sowie der ersten vier Player samt Änderungen in Bezug auf die Namensgebung mancher Befehle resultieren. Für die Mannschaft der Individualisten dürfte die hinzugekommene Lernfunktion für MIDI-Out nicht ohne sein.

Abschließend möchte ich noch anmerken, dass ich, nachdem ich ein paar Tage mit den Remix Decks gearbeitet habe, diese nicht wieder hergeben möchte. Auch wenn der F1 – sofern schon eine Traktor-Lizenz vorhanden ist – nicht unbedingt ein Megaschnäppchen ist (der Xone:K2 kostet mit integriertem Audio-Interface kaum mehr) und gerade weil die Remix Decks nicht an die Komplexität eines Ableton Live herankommen (und in meinen Augen auch nicht müssen.) Ich finde, der Kontrol F1 macht Einsteigern und fortgeschrittenen Anwendern bei entsprechender Vorarbeit das Live-Remixen ziemlich leicht. Leichter jedenfalls, als würde die Synchronisation externer Gerätschaft, verschiedener Devices und Rechner anstehen. Der Übersichtlichkeit dient auch die Tatsache, dass eben nicht alle 16 Samples einer Seite abgefeuert werden können, sondern nur eines pro Samplekanal. Dennoch lässt dies schnell das Verlangen nach einer zweiten Unit auf der anderen Seite des Mischpultes aufkommen, um mehr als vierstimmig zu arbeiten. Zum Schluss stellt sich mir noch die Frage, ob eine Timeline-Integration der nächste logische Schritt wäre, wie wir es bei TheOne (hoffentlich) bald erleben werden – falls es mal fertig wird. Danke fürs Durchhalten! Zeit fürs Fazit.

FAZIT

Traktor 2,5 erweitert das Kreativpotenzial der Berliner Software um die Remix Decks, die zu neuen Mashup und Live-Remixen einladen. Und Traktor Kontrol-F1 ist das perfekte Steuerwerkzeug für eben diese Artillerie. Die Verarbeitungsqualität kann überzeugen, das visuelle Feedback ist toll und es lassen sich die Funktionen der Remix Decks adäquat bedienen. Wer seine Sample-Packs live zusammenschrauben, mixen, scratchen und tweaken will, bekommt hier eine Alternative zum Konglomerat von Scratch Live, Bridge und Ableton Live geboten, die sicherlich einen anderen Ansatz bietet, aber mit effizientem Workflow, niedriger Systemlast, einer fetten Portion Spaß und dem sprichwörtlichen Berliner Charme neue Maßstäbe setzt. Die Performance ist klasse – bis auf den noch vorhandenen MP3-Bug und den weiterhin winzigen Controller-Editor gibt es kaum etwas zu beanstanden. Dem Paket liegt für 249 Euro die 2.5-Vollversion mit kompletter Remix Deck-Unterstützung bei. Für alle anderen gibt’s ein kostenloses Update, bei dem sich die Remix-Player jedoch ähnlich der nun ersetzten Sample Decks geben. Was die Steuerbefehle des Controller-Managers für das Mapping mit anderen MIDI-Einheiten angeht, zeigt sich NI noch knauserig, doch man verspricht, die Palette nach und nach voranzutreiben.  
Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Für Sampleakrobaten und Live-Remixer, die einen unkomplizierten, effizienten Workflow schätzen, ist der F1 die ideale Ergänzung zu einem Traktor Scratch Setup oder einem S2/S4, denn der schlanke Controller lässt sich anstandslos, autokonfigurierend in ein bestehendes Hardware-Line-Up integrieren und kann im fliegenden Wechsel zwischen Remix- und User-Mode selbst Track Decks, FX, Loops und Hotcues steuern. Sein Hauptanliegen ist jedoch ein Clip-Feuerwerk abzubrennen. Dafür wurde er geschaffen und das macht er wirklich sehr gut.

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