Der Argon8 des britischen Herstellers Modal Electronics ist vielleicht eines der besten Produkte, die man sich als Hands-on-Artikel mit Wavetable-Synthese vorstellen kann. Er und seine Varianten 8M und 8X sind klanglich vielseitig, überschaubar strukturiert und bringen zugleich einen umfangreichen Editor gratis mit, der Synthesizer und Computer (Desktop oder Tablet-PC) zu einer praktischen Symbiose verschmelzen lässt. Du kannst gleichzeitig am Gerät und am Rechner arbeiten – sämtliche Aktionen bleiben synchronisiert. Nicht alle Komponenten des Synthesizers werden wir in diesem Beitrag anschneiden oder sogar vertiefen können, aber einige Besonderheiten hervorheben. Neben der Tastatur mit Aftertouch ist es speziell der funktionelle Vier-Achsen-Joystick, der während des Spiels mit dem Argon8 für intuitive und ausdrucksstarke Klangbewegungen sorgen kann. Er lässt sich vielen Parametern der Klangerzeugung und Effektsektion zuweisen und sollte bei der eigenen Patch-Programmierung möglichst sehr oft einbezogen werden.
Quick Facts: Wavetable-Synthese
Beim Modal Argon8 kommen zwei digitale Oszillatoren zum Einsatz. Sie enthalten jeweils mindestens 28 Wellensätze, die auf unterschiedliche Weise (per LFO, Hüllkurve oder Joystick) moduliert werden können und dynamische Klangabläufe ermöglichen. Grundsätzlich erlaubt die Wavetable-Synthese eine so einfache Klangprogrammierung wie die subtraktive Synthese, jedoch aber letztlich eine höhere Soundvielfalt. Im Hinblick auf “klangliche Wärme” sind jedoch Analog-Synthesizer überlegen.
Erste Schritte
Ohne großen Auftakt stürzen wir uns direkt in die Praxis mit dem Wavetable-Synthesizer Argon8 von Modal Electronics und werden dir später noch sieben Klangprogramme spendieren und diese besprechen. Der Argon8, seine tastaturlose Variante 8M, oder der große Bruder 8X sind bereits per USB-Kabel mit deinem Rechner verbunden. Wir verwenden natürlich die benutzerfreundliche MODALapp (für Windows, Mac OS X, iOS und Android verfügbar). Sie ist bei Modal Electronics als eigenständiges Produkt aufgeführt und kann unter diesem Link heruntergeladen werden. Mit diesem Programm kannst du auch die Firmware aktualisieren und alle Einstellungen für deinen Synthesizer überblicken. Bei der Musikproduktion besonders praktisch: Der Editor ist als Plug-In (VST3/AU) in deiner DAW aufrufbar. Mit der aktuellen Version von Apple Logic ProX habe ich es probiert. Kleinere Eingriffe lassen sich schnell erledigen und der Synthesizer läuft temposynchron mit der DAW. Für die ausführliche Soundprogrammierung empfehle ich aber die Standalone-Variante. Das Arbeitsfenster der MODALapp lässt sich frei skalieren und beispielsweise auf die komplette Größe eines 27-Zoll-Bildschirms bringen. Selbst ältere Anwender können also die Lesebrille getrost eingepackt lassen.
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Die Wavetable-Oszillatoren
Sehr rationell startest du, wenn du zunächst ein „Init Patch“ (quasi ein „Sinus-Orgelklang“) anwählst und erst einmal die einzelnen Bereiche des Argon8 in der MODALapp anschaust und probierst, die für die Klangprogrammierung relevant werden. Ein „Init Patch“ entsteht, wenn du oben links auf „Init“ klickst. Die Bänke 3 und 4 dürften aber vermutlich auch noch leer sein. Wie sicherlich schon gesehen, per „Rand“ (`Random) lassen sich zufällige Soundkreationen abrufen. Auch wenn sie manchmal ganz passabel klingen – so lernst du den Argon8 wohl kaum kennen.
Der erste Job ist das Anspielen aller Wavetables des ersten Oszillators. Er befindet sich links und ist als „Wave1“ erkennbar. Nun drehst du den Mix-Regler in der Mitte nach rechts (Wert 63) und hörst die Wavetables bei Oszillator 2 ab. Eher ungewöhnlich: Oszillator 2 bietet vier Wellensätze mehr als der Wave1-Oszillator und diese sind auch noch ziemlich ergiebig: PWM (für Pulsbreitenmodulation) sowie Wellensätze, die Rauschen und klassische Synthesizer-Wellenformen enthalten. Mit dem Spread-Regler lassen sich spielend einfach Schwebungen erzeugen für Flächenklänge und per „Width“-Regler räumlicher gestalten. Zudem beachten solltest du die Voice-Modi, links oben zu finden. Neben Mono und Poly gibt es Unisono (für Bässe und Leads verwenden) und Stack (für akkordische Sounds). Bei den maximal acht Stimmen eines Argon8 sind aber keine großen Sprünge machbar.
Der Wellensatz beider Oszillatoren ist statisch modulierbar, wozu du einmal die Liste bei „Wavemod1“ und „WaveMod2“ akustisch checkst. Richtig, der Basisklang wird rauher, dumpfer oder auch spitzer – je nach Modifikation (Crush, Resample. Shaper, etc.). Dynamische Veränderungen bei den Oszillatoren ergeben sich dank des Reglers „OscMod“. Sehr empfehlenswert für brachialere, rauere und schmutzigere Klangfarben! Drehe den OscMod auf einen Wert zwischen 70 und 100 und probiere die einzelnen Modi aus: Phase Modulation, Ring Modulation, Hard Sync, Wind Sync und so weiter. Aufgepasst, der klangliche Effekt stellt sich meist erst ein, wenn Oszillator 1 (oder der zweite Oszillator) transponiert wird („Tune 1“ oder „Tune 2“). Zudem solltest du dabei das Mischungsverhältnis zwischen den beiden Oszillatoren (Mix-Regler) verändern und die klanglichen Ereignisse beobachten.
Die Standard-Modulation
Es ist bei einem Wavetable-Synthesizer immer die gleiche Aktion: Per LFO und/oder Hüllkurve wird einmal genussvoll der komplette Wellensatz durchfahren und der ansonsten statische Grundsound ordentlich in Bewegung versetzt. Dazu benötigst du die Modulationsmatrix des Argon8, die auffällig (schwarz markiert) von links nach rechts in der Mitte der MODALapp verläuft. Sie verfügt über acht frei belegbare Slots sowie über vier feste Modulationsverknüpfungen (Note/Cutoff, Y+/LFO1-Depth, AftT/Cutoff, Velo AEG-Depth).
Beim ersten freien Slot gibt du unten zunächst LFO1 und danach das Ziel „Wave1“ bei maximaler Intensität (Wert 63) ein. Nun wird der Wellensatz periodisch durchfahren, was du dir einmal bei mehreren Wavetables (jeweils Eintrag für Wave 1 wechseln) anhörst. Den LFO selbst findest du im Block „Modulation“, unterhalb der Modulationsmatrix platziert und zwischen dem „Preset Manager“ und „FX“ zu sehen. Bei „Clock-Div“ kannst du den LFO so einstellen, dass er in Notenwerten (1/8, 1/4, etc.) temposynchron läuft. Die Wellenform beider LFOs lässt sich stufenweise variieren, wenn du den Shape-Wert (von 0 bis 127) veränderst. Wie erwähnt, der Wellensatz wird gern auch per Hüllkurve moduliert. Für diese Aufgabe nimmst du die Hüllkurve „MEG“, die im Modulationsblock rechts neben beiden LFOs anzutreffen ist. Es genügt ein Hüllkurven-Attack ab etwa Wert 80 und natürlich musst du im ersten Slot der Modulationsmatrix anstelle von „LFO1“ den „MEG“ aufrufen.
Übrigens: Die beiden einfachen Hüllkurven (FEG für Filter und AEG für Lautstärke) müssen nicht explizit vorgestellt werden, oder? Beim Filter solltest du vor allem den „Morph“-Regler antesten, mit dem sich die Filtercharakteristik stufenlos zwischen den bekannten Filtertypen, (Tief-, Hoch- und Bandpass sowie Bandsperre („Notch“) blenden lässt – ein tolles Werkzeug! Bei der dreiteiligen Effektsektion brauchst du normalerweise nicht viel zu machen. Meistens reicht es schon, wenn du den Preset Manager aufrufst und bei „FX“ nachschaust. Hier findest du tatsächlich rund 60 nützliche Settings, die du einfach anwählen und direkt nutzen kannst. All diese Vorlagen sind aussagekräftig betitelt worden – „Basic Chorus“, „Big Bright Verb“ oder „Chrs+Dly+Rverb“ verstehen sich eigentlich von selbst.
Sequencer und Preset Manager
Mit dem Modulationsspaß ist beim Argon8 noch lange nicht Schluss. Denn auch der On-Board-Sequenzer bietet neben der Notenspur insgesamt vier Animations-Spuren (Lanes), die Klangabläufe automatisieren können. Ausnahmsweise verlassen wir kurz die MODALapp und wenden uns dem Gerät zu. Spannende Filterfahrten und andere Modulationen, die bis zu acht Takten gehen können, lassen sich besser haptisch mit Drehreglern realisieren. Nimm bitte ein initalisiertes Patch und drücke bei gehaltener Shift-Taste die Patch-Taste. Nun lassen sich die Sequenzen des Argon8 anwählen. Die ersten Plätze (ab 000 Time to Seq) sind bereits belegt, starte etwa mit „032 Init Seq“. Drücke auf die Record-Taste, danach einen Akkord und nun probiere vor allem diese Regler: Wave 1, Osc Mod, Cutoff, Morph. Alle Regler-Bewegungen werden aufgezeichnet, zuvor siehst du auf dem Bildschirm einen nützlichen Hinweis, wie „Assigned Cutoff to Anim2“. Für jede dieser Spuren ist jeweils ein Parameter vorgesehen. Mit insgesamt vier solcher Animationskurven kommt jedenfalls Schwung ins Patch.
Sehr praktisch: Die Modulationsspuren können unabhängig von den aufgezeichneten Noten verwendet werden. Du brauchst nur die Mute-Taste zu drücken, schon verstummen alle Töne und du kannst bei laufender Modulation (Play-Taste muss gedrückt sein) beliebige Akkorde und Phrasen auf dem Keyboard spielen. Die aufgenommene Sequenz kann im Preset Manager gespeichert werden und mit jedem beliebigen Patch „verlinkt“ (SeqLink) werden.
Solche Animationskurven sind in der MODALapp visuell gut nachvollziehbar. Schauen wir uns eine Sequenz mit vier Animationen einmal an. Klicke links auf „M“ und die Noten verstummen. Die eingespielten Noten können wie auch jede Animationsspur per „X“ gelöscht werden. Ob dir dieser Sequenzer-Einsatz zur Klangsteuerung überhaupt zusagt, musst du natürlich selber herausfinden. Es ist letztlich kein Muss. Alternativ lassen sich Regler-Bewegungen in der DAW aufzeichnen, was aber nicht so intuitiv und so nahe am jeweiligen Patch geschieht.
Patches zum Workshop
Den Preset Manager innerhalb der MODALapp wirst du häufig verwenden. Wie schon gesehen: Nicht nur die Patches selbst, sondern auch Effekt-Einstellungen und Sequenzer-Daten lassen sich mit ihm verwalten. Zum Einladen der insgesamt sieben einzelnen Klangprogramme, die wir für diesen Workshop vorbereitet haben, kannst du dir einen beliebigen Speicherplatz aussuchen. Nimm doch einfach die Plätze 400 bis 406, auf denen sich die Patches ursprünglich befanden. Die Speicherplätze 400 bis 406 bei gehaltener Shift-Taste markieren, auf rechte Maustaste tippen und Import wählen – alle Dateien markieren und importieren – fertig.
Audiobeispiele zum Workshop
Sieben einsatzfertige Patches zeigen, was du mit der Wavetable-Synthese beim Argon8 klanglich bewerkstelligen kannst (freilich geht noch einiges mehr …). Am besten hörst du dir alle Klänge einmal näher an und nimmst danach jedes einzelne Patch der MODALapp ins Visier.
Patch Check
Das Patch „Bonedo XY Extreme“ verdeutlicht, welche Parameter mit dem Joystick gewählt werden können für eine insgesamt „extreme“ Klangmodulation. Im Einzelnen findest du vier Zielparameter in der Modulationsmatrix, die dem vierachsigen Joystick zugewiesen sind: Spread“ (Y-) zur Variation des Schwebungseffektes, „FX Level“ zum intuitiven Wet/Dry-Mischen, „Mix“ (X-) zum Ändern des Mischungsverhältnisses zwischen den beiden Oszillatoren und noch „Morph“ (X+), das sich auf die Filtercharakeristik auswirkt. Zum Antesten bitte einen Akkord halten und kräftig, aber bitte ebenso „musikalisch“ mit dem Joystick in alle Richtungen rühren. Obwohl die Wavetables (LFO1/2 zielen auf OscMod und Filter) selber nicht moduliert werden, ist das Ergebnis ein sehr bewegungsreicher digitaler Klang.
Nicht die allerfeinste Effektausstattung, aber du kannst mit ihr gut arbeiten und spacige Leads herausholen, so demonstriert es zumindest das zweite Patch-Beispiel „Bonedo Big Lead“. Die Klangwolke basiert auf FX-2 (Ping-Pong Delay) und FX-3 (Reverb). Das Wirbeln im Grundsound erzeugt LFO 2, der auf die Oszillatoren-Synchronsiation (Slot 2: LFO-2 – OscMod) einwirkt. Per Unisono 2 klingt der Lead-Synth ein wenig „fetter“. Rauer, aggressiver und bissiger wird er, indem du den Distortion-Regler in der FX-Sektion ein wenig (hier auf Wert 35) aufdrehst. Bitte dies als allgemeinen Tipp im Hinterkopf behalten. Der Argon8 liefert nicht den sattesten Pegel aus seinem Stereo-Ausgang. Per Distortion kannst du noch einiges herauskitzeln und vielen Sounds ein wenig mehr „Durchsetzungskraft“ geben.
Eine sphärische Klangcollage, auch hier sind die internen Effekte wichtig, zeigt das Patch „Bonedo Scene“. Wie beim ersten Beispiel kannst du mit dem Joystick den Klang extrem mobilisieren. Schaue doch bitte nun einmal selber in der Modulationsmatrix nach, welche Parameter von X-+ und Y-+ gesteuert werden. Bei dieser Art von Klangsteuerung ist es wichtig, dass beim XY Pad auf der Seite Modulation das hier störende Pitchbending („PitchB“) deaktiviert ist. Der Wellensatz des ersten Oszillators wird mit der MEG-Hüllkurve durchfahren. Das Rauschen (Sine Noise) gefällt dir nicht? Du brauchst nur die Wavetables auszutauschen und den filter-pulsierenden LFO 1 zu verändern … so entstehen mit wenig Aufwand neue brauchbare Sounds!
Na endlich, einen quasi klassischen Wavetable-Flächenklang präsentiert das Patch „Bonedo Easy Pad“. Die Filter-Hüllkurve (FEG) ermöglicht einen sanften Filtersweep, ein allmähliches Anschwellen. Rhythmisch arbeiten die beiden LFOs und setzen den Wavetable des ersten Oszillators und die Phase Modulation (Osc Mod) in Bewegung. Wenn du die Filterfrequenz per Druckdynamik steuern möchtest, schaust du bitte auf die rechte Seite der Modulationsmatrix: „Aftertouch – Cutoff“. Oder du möchtest ein Patch des Argon8 (wie beim Klavier oder E-Piano) etwas dynamischer anspielen: „Velo – AEG-Depth“.
Selbstverständlich beherrscht der Argon8 auch die typischen Arpeggio-Muster analoger Synthesizer. Ein Sägezahn-Oszillator, per Filter-Hüllkurve perkussiver getrimmt und mit Stereo-Delay-Effekten angereichert: Genau dies siehst und hörst du beim Patch „Bonedo Easy Arp 1“. Mit dem Joystick kannst du filtermodulierend zur Sache kommen. Die Arpeggiator-Einstellungen finden sich auf der Keyboard-Seite. Bei „Direction“ lassen sich verschiedene einfache Muster wie „FWD1“ oder „Back3“ anwählen. Die Zahl gibt übrigens den Oktavbereich an, „RAND4“ = zufällige Arpeggio-Noten über vier Oktaven verteilt.
Eine digitale Variante bringt „Bonedo Easy Arp 2“. Das Besondere: Bei laufendem Arpeggiator steuert LFO1 den Wavetable des ersten Oszillators, was schöne Klangsequenzen hervorbringt. Im ersten Slot der Modulationsmatrix sind also LFO1 und Wave1 miteinander verknüpft. Aber das reicht noch nicht ganz, denn es braucht noch einen kleinen Trick: Der LFO muss in den Modus „Free“ gebracht werden. Wenn du auf der Seite Modulation nachschaust, sieht du auch, dass diese Wellensatz-Modulation temposynchron in jeweils zwei Takten (Clock-Div = 2 Bar) abläuft.
Ein letztes Exemplar: „Bonedo Quintus“ gibt einen Quintklang zum Besten. Die beiden Oszillatoren sind im Abstand von sieben Halbtonschritten verstimmt, was sich leicht über den Spread-Parameter (5th) erledigen lässt. Damit das Patch ein- bis vierstimmig gespielt werden kann, ist der Voice-Mode „Stack-2“ zu empfehlen. Wieder einmal wird der Joystick des Argon8 extensiv zur Klang- und Effektsteuerung genutzt. Bitte aber auch auf der FX-Seite nachschauen: Der Tremolo-Effekt für FX-3 ist eine praktische Option für ein gleichmäßiges Aufrütteln des gesamten Klangs – es müssen nicht immer rhythmisierte Wavetables sein.
Schlusswort
Die Synthesizer der Argon8-Familie von Modal Electronics sind Instrumente, die jeden Klangtüftler mit einem Faible für feine modulationsreiche Digitalsounds erfreuen. Als Fazit sei gesagt: Man muss wirklich kein Könner sein, um mit dem Argon8 tolle Sounds zu bauen. Mit der MODALapp, aber auch direkt am Instrument lassen sich sehr leicht neue Sounds programmieren. Ich hatte jedenfalls meinen Spaß mit dem Argon8 und kann jeden, der sich für diesen sehr praktikablen Synthesizer interessiert, dazu motivieren, sich keinesfalls mit den 300 Factory Presets zufriedenzugeben, sondern aktiv individuelle Wavetable-Klänge zu entwerfen, die zur eigenen Musik bestens passen. Keine Frage, es wird funktionieren.
Viel Spaß beim Programmieren!