Millenia Twin Direct TD-1 Test

Komponist, Produzent & Arrangeur Phil Shenale, unter anderem bekannt durch seine großartigen Arbeiten für Tori Amos, kommentiert den TD-1 mit den Worten „wie ein Schweizer Taschenmesser“, und in der Tat steht der Millennia TD-1 Preamp mit seiner Omniverwendbarkeit ganz alleine auf weiter Flur.

Millennia Media, 1989 von John und Cynthia La Grou gegründet, ist eine Firma, die vorrangig mit hochwertigen Klassikaufnahmen in der Audiowelt für Furore sorgte. John La Grou war zuvor Entwickler für die Firma Acer in der hochtechnisierten Computerwelt des Silicon Valley. Als er schließlich umsattelte und sich wieder seiner früheren Leidenschaft als Toningenieur – vorrangig akustische Klassik- und Jazzrecordings – zuwandte, merkte er schnell, dass das Equipment nicht das zu leisten vermochte, was er sich wünschte. Er experimentierte daraufhin ein volles Jahr mit neuen Schaltungen und Bauteilen in Mikrofonvorverstärkern. Ergebnis war der legendäre HV-3, von dem mittlerweile weltweit über 35.000 Stück verkauft wurden. Der HV-3 Preamp ist auch das Kernstück des TD-1, der an unserem Test teilnimmt. Er bietet so ziemlich alles, was für hochwertige Aufnahmen notwendig sein sollte. Auf der Rückseite des Gerätes liest man schmunzelnd die Bemerkung „lovingly handcrafted in Placerville CA, USA“. Das wärmt das Bassistenherz schon mal vor für die anstehende Untersuchung.

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DETAILS

Der Twin-Direct 1 ist ein Preamp im Halbrackformat, das heißt, zwei davon nebeneinander füllen eine Rackbreite aus, die Höhe entspricht zwei Höheneinheiten oder kurz 2 HE. Der Oberbegriff zum TD-1 ist Twin-Topology®, was nichts anderes bedeutet, als dass er wahlweise mit den zwei Vorstufentypen Röhre oder Halbleiter arbeitet. Dies sollte man wissen, wenn man sich den Aufbau des Gerätes betrachtet. Jede Menge Knöpfe, LEDs und Schalter sind zu sehen, die Rückseite ist von einer großen Zahl XLR- und Klinkenbuchsen förmlich übersät und jeder freie Zentimeter wird zur Unterbringung der zahllosen Features genutzt. Frei nach dem Motto: so viele Optionen wie möglich auf so wenig Raum wie nötig.

Die Front:
Schick, schwarz und in Hochglanz mit weißer Beschriftung bietet sie trotz reichhaltiger Bevölkerung einen sortierten Überblick über die Funktionen.

Fotostrecke: 2 Bilder Frontpanel – links

Eingänge:

  1. Klinke: Instrument & Speaker Input – dieser Eingang besitzt eine Doppelfunktion als Instrumenteneingang und als Eingang für das Signal einer Endstufe, zum Beispiel eines Bassverstärkers parallel zu einer angeschlossenen Box.
  2. XLR Line & Reamp Input (mehr hierzu später)

Schalter:
Alle Schalter auf dem Frontpanel sind Druckschalter, die bei Inbetriebnahme farbig leuchten. Die jeweilige Farbe ist hier jeweils am Zeilenende in Klammern angegeben.

  1. 470 K – Instrument Input Impedanzwahl „low“ (grün)
  2. 2 M Ohm – Instrument Input Impedanzwahl „medium“ (rot)
  3. Beide Impedanzschalter inaktiv bedeutet, dass der TD-1 Eingang mit 10 M Ohm „high“ ausgerichtet ist.
  4. PAD -20 dB – globale Eingangspegelabsenkung um -20 dB (grün)
  5. +48 V Phantom – aktiviert die Phantomspeisung am MIC IN Eingang auf der Rückseite (rot)
  6. Input Groundlift ISO – zur Behebung von Brummschleifen am Eingang (gelb). Diese Groundliftfunktion am Input sollte nur aktiviert werden, wenn die am rückseitigen Ausgang erfolglos verläuft. Der TD-1 verfügt über Groundliftoptionen für Netzteil, Eingangssektion und Ausgangstransformator.
  7. Polarity Reverse – zur Phasenumkehrung des Eingangssignales an allen Eingängen (gelb)
  8. Speaker Soak – aktiviert die Speaker Soak Funktion am Klinken-Instrument/Speaker Input (grün). Wenn ein Verstärker mit parallel angeschlossener Box an den TD-1 angeschlossen wird, dann MUSS dieser Schalter zur Absenkung der Signalstärke aktiviert sein, da es sonst durch den hohen Ausgangspegel der angeschlossenen Endstufe zu Schäden am TD-1 kommen kann.
  9. EQ In – aktiviert/deaktiviert global beide parametrischen EQs gemeinsam, allerdings ist jeder EQ auch einzeln schaltbar (rot)
  10. TT (TwinTopology) – schaltet wahlweise zwischen Röhren- (Tube, 1 x 12AT7 Röhre) und Transistorschaltkreis (FET) (gelb)
  11. Input Select – Wahlschalter zwischen Instrumenten-Klinkeneingang und XLR-Line/Mic Inputs (gelb)
  12. LF IN – aktiviert den parametrischen EQ für die Frequenzbereiche 20Hz bis 2,5kHz, vorausgesetzt der globale EQ IN Schalter ist aktiv (rot)
  13. LF IN x 10 – erhöht die Frequenzen des Regelbereichs vom LF-EQ um das Zehnfache, also von 20 Hz bis 250 Hz auf 200 Hz bis 2,5 kHz (gelb)
  14. HF IN – aktiviert den parametrischen EQ für die Frequenzbereiche 250 Hz bis 25 kHz, vorausgesetzt der globale EQ IN Schalter ist aktiv (rot)
  15. HF IN x 10 – erhöht die Frequenzen des Regelbereichs vom HF-EQ um das Zehnfache, also von 250 Hz bis 2,5 kHz auf 2,5 kHz bis 25 kHz (gelb)

Regler:

  1. Gain – regelt die Ausgangslautstärke bis zu +65 dB oder +45 dB am Line-Input
  2. Parametric EQ Low Frequency Control – wählt die Centerfrequenz von 20 Hz bis 2,5kHz
  3. Q – regelt die Bandbreite der Nachbarfrequenzen zur eingestellten Frequenz

Nach diesem schon sehr ergiebigen Ausflug über die Vorderseite geht es nicht minder turbulent auf der Rückseite zu:

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Eingänge:
1.    Mic In – Symmetrischer HV-3 XLR-Mikrofoneingang, der den gleichen Mic-Preamp verwendet wie der Line-Eingang auf der Vorderseite, jedoch auf Mikrofonpegel ausgerichtet ist. Für Linesignale im Mixdown oder auch Masteringprozess wird der Line-Eingang an der Vorderseite empfohlen.

Ausgänge:
1.    Balanced Line Out XLR – in der Sektion “Balanced Outputs” (600 Ohm)  der symmetrische Ausgang mit maximalem Outputlevel +32dBu via XLR
2.    Balanced Line Out Klinke – in der Sektion “Balanced Outputs” (600 Ohm) der symmetrische Ausgang mit maximalem Outputlevel +32dBu via Stereoklinke
3.    Unbalanced Line Out XLR – in der Sektion “Unbalanced Outputs” (600 Ohm) der unsymmetrische Ausgang mit maximalem Outputlevel +26dBu via XLR
4.    Unbalanced Line Out Klinke – in der Sektion “Unbalanced Outputs” (600 Ohm) der unsymmetrische Ausgang mit maximalem Outputlevel +26dBu via Monoklinke
5.    Balanced XFMR Out XLR – von Millennia selbst entwickelter Trafo-symmetrierter, galvanisch getrennter, symmetrischer XLR-Ausgang mit Mic-Level Output (ca. 150 Ohm) mit eigenem Groundlift-Schalter
6.    Direct Out Klinke – Monoklinkenausgang, quasi ein „Direct Thru“.  Hier wird das Originalsignal, das an der Instrumentenklinkenbuchse der Vorderseite anliegt, unbearbeitet weitergegeben. Wahlweise kann man aber im Inneren des TD-1 mithilfe eines Minischalters (Jumper) bestimmen, ob das Signal an diesem Ausgang vorher doch durch die Vorstufe gehen soll.
7.    Phones Out – Kopfhörerausgang, der laut Hersteller für Sennheiser HD-600 optimiert wurde, jedoch für alle Kopfhörermodelle geeignet ist. Die Kopfhörerlautstärke ist über ein kleines Trimpoti regulierbar.
8.    Reamp Out 1 – ein speziell von Millennia entwickelter Übertrager, der an die Bedürfnisse eines Gitarrenverstärker-Eingangs angepasst ist und die Soundeigenschaft eines Gitarrentonabnehmers emuliert, hier speziell eines Stratocaster Singlecoils.
9.    Reamp Out 2 – auch der zweite Übertrager ist an einen Gitarrenverstärker-Eingang angepasst und emuliert die Soundeigenschaft eines Gitarrentonabnehmers, hier speziell eines Les Paul Humbuckers. Dieser Ausgang soll auch für die meisten Bassanforderungen funktionieren.

Zum Thema Reamping:
Der Hintergrund für die Entwicklung von zwei derart spezialisierten Ausgängen an einer D.I. Box liegt in bestimmten Studioanforderungen. Oftmals besteht nach abgeschlossener Aufnahme die Notwendigkeit, weiter an einer Gitarren- oder Bass-Spur zu arbeiten. Die direkte Ausgangsimpedanz einer Bandmaschine, eines Digital/Analogwandlers oder ähnlichem ist um etwa einhundert Mal geringer als die eines passiven Tonabnehmers. Schickt man nun aber das auf Speichermedium vorhandene Gitarren/Bass-Signal zurück in einen Verstärker, um es erneut zu bearbeiten und aufzunehmen, klingt der Verstärker anders als mit einer direkt angeschlossenen Gitarre. Die Re-Ampfunktion des TD-1 „gaukelt“ dem Verstärker nun vor, es wieder mit einem passiven Tonabnehmer zu tun zu haben. Laut Millennia sind weitere Emulationen für den Re-Amping Sektor in Entwicklung, vor allem auch Emulationen wie Jazz- und Precisionbass.

Schalter:
1.    Earth Lift – dieser Schalter hebt im Falle von auftretenden Brummschleifen die internen Netz-und Audio-Erdverbindungen auf. Die Verbindung zwischen Erde und Gehäuse bleibt jedoch jederzeit erhalten. Auch wenn ich mich wiederhole: Die Erdverbindung zwischen Netz und Gehäuse darf niemals abgekoppelt werden, zum Beispiel durch Abkleben der Schutzleiter am Netzstecker.  
2.    XFMR Output GND Lift – wie schon erwähnt der Groundschalter für den per Transformator symmetrierten Ausgang.
3.    Netzschalter mit Sicherung und Netzbuchse

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Zum Thema Ground Lift:
Das Thema Erdung sorgt immer wieder für Missverständnisse. Das Phänomen der berüchtigten Brummschleife entsteht nicht zwangsläufig durch das simultane Vorhandensein mehrerer Erdverbindungen, sondern durch Kapazitätsunterschiede zwischen diesen Verbindungen. Haben Stromkreise beispielsweise Kabel oder Kabelwege mit unterschiedlichen Kapazitäten oder Widerständen, dann wirken sich diese Unterschiede als hörbares Brummen aus. Ursachen dafür sind auch Stromschwankungen an Veranstaltungsorten, Unverträglichkeiten zwischen den unterschiedlichen Konstruktionen von Audioequipment und mehr.  

Das totale Aufheben einer von beispielsweise zwei simultanen Erdverbindungen kann zwar das Brummen eliminieren, aber klebt man einen der Erdleiter ab, trennt man die Erdverbindung bereits vor dem betreffenden Gerät und nicht erst – wie im Falle einer internen Erdaufhebung – danach. Tritt jetzt ein Kurzschluss auf, kann der Strom nicht mehr über die Schutzleitung abfließen und sucht sich seinen Weg über das unisolierte Gehäuse. Berührt man dieses Gehäuse oder hat Kontakt über beispielsweise ein angeschlossenes Gitarrenkabel, so wirkt der menschliche Körper wie eine neue Erdverbindung und der Strom fließt ungehindert durch ihn in den Boden, was in der Regel fatale Folgen hat.

Spricht man von Ground-Lift, sind stets nur Masseverbindungen hinter dem Netzteil und zwischen den Audioverbindungen gemeint, nie jedoch direkt zwischen Netzteil/Gehäuse und Stromkreis.
Millennia bietet im TD-1 sage und schreibe fünf Optionen zum Thema Ground-Lift. Möglichkeit Nummer Eins sorgt für die Aufhebung aller internen Masseverbindungen, die Input Sektion bietet die zweite Groundliftoption, der per Transformator galvanisch getrennte XLR Out die dritte und dessen Groundliftschalter die vierte.

Als letzte Variante kann man innerhalb des TD-1 nach Entfernung der Deckplatte an einem Minischalter (Jumper) die Option „resistive + capacitive isolation, when input ground lift switch is selected“ auswählen. Während bei der Ground-Lift Funktion die Masseleitungen aufgehoben werden, erfolgt bei der Erd-Isolation keine 100%ige Trennung, sondern eine Minimierung durch in Reihe geschaltete passive Elemente zwischen den Verbindungen. Dadurch wird zwar noch Massefluss an den Verbindungen erkannt, dennoch sind sie quasi isoliert. Diese letzte Option kann gezogen werden, wenn bei schwierigen Fällen und allen vorher angewandten Mitteln immer noch Brummen zu hören sein sollte.

Sonstiges:
1.    Phones Level – kleines Poti, nur zugänglich mit Schraubenzieher, zur Regulierung der Kopfhörerlautstärke
2.    gelbe LED “Power” – zeigt den Betriebszustand An/Aus
3.    grüne LED “SP” – zeigt an, dass ein Audiosignal mit mindestens -25dBu anliegt.
4.    rote LED “OL” – zeigt an, dass ein Audiosignal am symmetrischen XLR Ausgang +26dBu übersteigt. Das bedeutet nicht, dass das Signal übersteuert oder clippt, denn der TD-1 hat ein Ausgangslevel von +32dBu und verfügt daher über den doppelten Headroom bis zum Clipping. Die rote LED darf also im Idealfall bei maximalen Pegelspitzen aufleuchten.

Im Lieferumfang enthalten ist ein Tragegriff, der wahlweise oben oder an der Seite montiert werden kann. Will man den TD-1 ohne Rack transportieren, empfiehlt sich die Anbringung des Griffes schon alleine wegen des Gewichts von stattlichen sieben Kilos.

Wichtig zu wissen ist auch, dass nicht alle Eingänge über die gleichen Schaltkreise laufen:

•    Der Instrument/Speaker Eingang läuft über die TT-Schaltung und wahlweise den Röhren- oder Transistor FET-Schaltkreis.
•    Der MIC IN Eingang auf der Rückseite läuft über den HV-3 Mikrofonverstärker mit bis zu +65 dB Gain.
•    Der Line Input läuft über einen symmetrierten Empfänger mit +45 dB.

PRAXIS 

Wem nun nach der ausufernden Vorstellung der einzelnen Komponenten die Spucke weggeblieben sein sollte, der sei beruhigt. Der TD-1 ist superleicht zu bedienen und reiht sich bequem in die Palette der hochwertigen Preamp D.I. Boxen ein.

Für den Bassisten lautet natürlich ebenso wie bei den anderen Kandidaten die entscheidende Frage, wie der Bass klingt, wenn er über den Preamp direkt ins Pult gespielt wird?

Für die Verwendung mit Instrumenten wie dem E-Bass gibt Millennia die Eingangsempfindlichkeit von 2M Ohm an, was man dadurch erreicht, dass man den entsprechenden roten Schalter auf der Vorderseite aktiviert. Für alle Testsounds wurde der Millennia über den Balanced Transformer XLR Out mit dem Mischpult verbunden.

Schließt man nun einen Bass an, erschließt sich die hohe Qualität des TD-1 sofort und ohne dass die Klangregelung eine Rolle spielt. Der Ausgangspegel kann über den Gainregler stufenlos angepasst werden und hat enorm viel Headroom. Man ahnt, dass auch für empfindlichste Signale wie zum Beispiel eines Piezotonabnehmers ausreichend Spielraum zur Verfügung steht.

Schon im Standalone-Betrieb mit der FET-Transistorschaltung und ohne EQ klingt der Bass sensationell klar, druckvoll und präzise. Natürlich drängt sich jetzt die Frage auf, wie im Vergleich dazu die Röhrenschaltung punktet. Über den Druckschalter TT (Twin Topology) wechselt man vom Transistor zum Röhrenbetrieb. Dabei hört man deutlich ein Relais klacken, anschließend gibt es einen Aussetzer von etwa einer Sekunde, der laut Hersteller normal ist, und voila, die Röhre ist aktiviert. Der Unterschied zwischen FET- und TUBE-Schaltung ist beim Bass eher subtil und längst nicht so drastisch hörbar, wie man es vermuten würde. So klingt die Röhrenschaltung subjektiv nicht wärmer als die FET-Schaltung – eher ein wenig voluminöser, leicht komprimiert, aber stets ungeheuer klar.

Nimmt man nun die zwei Bänder des parametrischen EQs in Betrieb, so kann man sehr gezielt in das Klanggeschehen eingreifen. Ganz gleich, wie extrem man hier vorgeht, es bleibt stets eine hohe Transparenz erhalten – der Sound wird nie steril oder Hi-Fi-mäßig. Das Besondere an dieser Klangregelung sind die zwei Frequenzbereiche, die jede der beiden parametrischen Sektionen per Druckschalter zur Verfügung stellt. So kann man im parametrischen Low Frequency Bereich die Frequenzen von 20 Hz bis 250 Hz bearbeiten, oder nach Betätigen des x10-Schalters die von 200 Hz bis 2,5 kHz. Das Gleiche gilt für die zweite parametrische Sektion, die Frequenzen von 250 Hz bis 2,5 kHz oder alternativ von 2,5 kHz bis 25 kHz abdeckt. Auch hier ergibt sich ein ungeheuer breiter Anwendungsbereich, der weit über den E-Bass hinausgeht. Jede parametrische Einheit besitzt zudem einen Q-Regler, der bestimmt, wie breit der manipulierbare Frequenzbereich um die gewählte Zentralfrequenz sein darf.

Audio Samples
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Flat FET Flat Tube EQ FET EQ Tube

Den Sound kann man generell als „clean“ bezeichnen. Wer am Bass mit extremen Charaktersounds arbeiten will, der wird mit dem TD-1 allerdings kaum weiterkommen – es sei denn, er schließt das Ausgangssignal eines Verstärkers am Speaker-Soak an. Auf diese Weise kann man speziell bei einem Vollröhrenverstärker nicht nur die Klangeigenschaften seiner Vorstufe, sondern eben auch die Färbung der Endstufe nutzen, und das Signal direkt ins Pult einspeisen. Das funktioniert auch sehr gut, wenngleich es immer noch ein riesiger Unterschied zu einem Signal ist, das per Mikrofon vom Speaker abgenommen wird. So kann man den Speaker Soak zwar durchaus als Alternative oder Ergänzung betrachten, aber nicht als Ersatz für das Speaker-Mikrofonsignal.

Bei der Verwendung des Speaker-Soak Eingangs ist äußerste Sorgfalt und Vorsicht angesagt. Der Instrumenten-Klinkeneingang transportiert sowohl den Linepegel als auch per Umschalter das bis zu mehreren 100 Watt starke Endstufensignal. Ist der Umschalter nicht auf Speaker-Soak gestellt, kann der TD-1 Schaden nehmen. Ebenfalls muss parallel zum angeschlossenen Verstärker oder dessen Endstufe eine Box angeschlossen sein, da der TD-1 lediglich das Signal abnimmt, für die Endstufe aber keinen Lastwiderstand darstellt. Ohne angeschlossene Box könnte die Endstufe also unter Umständen zerstört werden. Wer also glaubt, mit dem Speaker-Soak große Lautstärken umgehen zu können, indem er nur den TD-1 an den Verstärkerausgang anschließt, der muss enttäuscht werden. Für diese Anwendung wäre eine so genannte „Loadbox“ notwendig, die den Lastausgleich zu einer fehlenden Lautsprecherbox leistet. Das sind allerdings Maßnahmen, die vorrangig im Gitarrenbereich Verwendung finden. Für den Bassisten gibt es weitaus weniger aufwendige und ebenso effektive Methoden, wie zum Beispiel die Verwendung parallel geschalteter Röhrenvorstufen oder Simulationen.

Ein weiteres Feature des TD-1 ist die patentierte Reamping-Option. Wie unter „Details“ bereits erwähnt, wurden dem Gerät zwei spezielle Ausgänge mit Schaltungen spendiert, die die Soundeigenschaften von Gitarrentonabnehmern imitieren oder simulieren. Dieses Feature habe ich nicht gesondert getestet, da es nur dann zum Tragen kommt, wenn man bereits aufgenommene Signale erneut bearbeiten will. Zudem wurden in unserem Testmodell ausschließlich Gitarrentonabnehmer simuliert. Hier beginnt das hohe Einmaleins der Produktionstechnik. Dennoch ist das Feature natürlich erwähnenswert und lädt zum Experimentieren ein. Naturgemäß erfordert es eine gewisse Studioperipherie, will man wirklich für den Bass Kapital daraus schlagen und es als Alternative zur direkten Bearbeitung des Signals im Computer nutzen.

FAZIT

Der Millenia Twin Direct TD-1 ist definitiv gleichermaßen Schweizer Taschenmesser und Rolls Royce unter den hier getesteten D.I. Preamps. Höchste Klanggüte, wahlweise mit FET-Transistor und Röhrenschaltung per Knopfdruck umschaltbar, eine unglaublich große Auswahl an simultan verwendbaren Ausgängen, die Möglichkeit des Re-Amping über zwei gesonderte Ausgänge mit Pickup-Simulationen, der sorgfältigsten Widmung des Themas „Groundlifting“ bei auftretenden Brummproblemen mit sage und schreibe fünf Optionen, zwei parametrische EQs, enormer Headroom und superflexible Eingangspegelmöglichkeiten – all das lässt den Millennia TD-1 glänzen, und nicht nur als Bass-D.I. Box. Er ist geradezu omnipotent einsetzbar, vom Vorverstärker für Mikrofone oder akustische Instrumente bis hin zur Nutzung als Mastering-EQ im Stereoverbund.

Als D.I. Box für den Bass ist der TD-1 definitiv die Luxusvariante. Was im Umkehrschluss auch bedeutet, dass man mit seinem Einsatz bei den meisten Anwendungen unter Umständen etwas über das Ziel hinausschießt. Wer es sich aber leisten kann, der sollte den Test wagen: Er erhält auf jeden Fall einen hochwertigen und vielseitigen Mic-Preamp mit einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis, den man auch hervorragend für den Bass einsetzen kann.

Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • hochklassige Instrument DI Box und Mic Preamp mit vielen Features
  • zwei vollwertige, separate Schaltkreise: Röhre und Transistor
  • 9 unterschiedliche Ausgänge
  • mehrere Möglichkeiten des Groundlift
  • auch zur Abnahme von Endstufensignalen geeignet
  • 2 sehr hochqualitative, separat zuschaltbare parametrische EQs
Contra
  • gerechtfertigter Preis, aber eben nicht gerade erschwinglich
  • hohes Gewicht
Artikelbild
Millenia Twin Direct TD-1 Test
Für 2.999,00€ bei
Technische Daten Millenia TD-1
  • Instrument / DI Input Verstärker
  • Twin Topology® (Röhre und Transistor)
  • Röhre: Twin Trioden Röhren Verstärker (200 V)
  • Transistor: Diskreter J-FET Verstärker (50 V)
  • Harmonische Verzerrung und Rauschen, 20 Hz – 30 kHz (35 dB Gain): 0.0005% mic / line, 0.03% Röhre
  • Intermodulare Verzerrung: 0.0009% mic / line, 0.03% Röhre
  • Frequenzgang @ -3 dB: 3 Hz to 300 kHz, varriert mit Routing und Schaltkreis
  • Maximaler symmetrischer Line Eingangspegel: +23 dBu (+43 dBu mit aktiviertem PAD Schalter oder >110 Volts rms)
  • Maximaler DI Eingangspegel (Röhre & Transistor): +18 dBu (+26 dBu mit aktiviertem PAD Schalter oder >15 Volts rms)
  • Maximaler Ausgangspegel: +32 dBu aktive, symmetrische Ausgänge, +26 dBu unymmetrische Ausgänge
  • Maximaler System Pegel: 45 dB standard (65 dB mit optionalem HV-3 mic preamp)
  • Eingangswiderstand (DI): Schaltbar: 470 kilohms / 2 megohms / 10 megohms
  • Rauschen (Mic) (60 dB Gain): -128 dB EIN, 150 ohm Quelle, -130 dB EIN allgemeine Quelle
  • Rauschen (Line) (10 dB gain): -105 dBu
  • Rauschen (DI) (10 dB gain): -90 dBu (solid state)
  • Phasen Fehler (EQ out): Weniger als +/- 5 Grad 50 Hz to 20 kHz
  • Parametrischer Equalizer
  • Maximaler Boost and Cut: +/– 15 dB (in 21 Schritten schaltbar)
  • “Q” Range: Q+ 0.4 bis 4.0 wählbar
  • Low Freq Wahl: 20 Hz bis 220 Hz oder 200 Hz bis 2.2 kHz; 10X Range Schalter wählbar
  • Hi Freq Wahl: 250 bis 2.5 kHz oder 2.5 kHz bis 25 kHz; 10X Range Schalter wählbar
  • Stromverbrauch: 35 Watt Maximum
  • Strom (wählbar): 100-120V, 200-240V Wechselstrom, 50/60 Hz
  • Maße (BxHxT): 216 x 89 x 330 mm
  • Gewicht: 9 kg
  • Preis: ca. 1.777,- €
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