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Great River Harrison 32EQ Test

Harrison-Konsolen sind allgemein weniger bekannt als die klangvollen Namen Neve, SSL und API. Doch nichtsdestotrotz sind einige der größten Pop-Klassiker auf Harrison-Pulten gemischt worden. Zwei der größten Namen im Pop-Business sind untrennbar mit dem Sound der Harrison-Konsolen verbunden. ABBA arbeiteten an einem solchen Pult in ihren legendären Polar-Studios, und auch Michael Jackson darf in diesem Zusammenhang genannt werden: Sein Album „Thriller“, bis heute mit über 100 Millionen Einheiten das meistverkaufte Album der Tonträgergeschichte, wurde von Bruce Swedien auf einer Harrison-32C-Konsole gemischt – einem Pult, das von Kennern für seinen „warmen und dicken Sound“ (O-Ton Swedien) geliebt wird. Auch bei „Off The Wall“ und „Bad“ spielten Harrison-Konsolen eine wichtige Rolle, ja selbst heute noch vertraut der Altmeister auf ein Pult dieses Herstellers. Wie gut, dass man sich diesen Sound buchstäblich scheibchenweise in sein 500-System holen kann!

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Das 500-Format ist von Beginn an eine Spielwiese für klassische Konsolen-EQs unterschiedlichster Couleur gewesen. Angefangen mit APIs eigenen EQ-Kassetten, über die Electrodyne-EQs, Trident-Clones bis hin zu einer ganzen Reihe von Neve-Derivaten, die vor allem in der jüngeren Vergangenheit vorgestellt wurden. In diesem Reigen befindet sich der Harrison 32EQ also in allerbester Gesellschaft. Harrison selbst hat sich zuletzt vornehmlich auf die Herstellung von Konsolen für Rundfunk und Filmmischung spezialisiert – so verwundert es nicht, dass das 500-Modul von den amerikanischen Analog-Spezialisten von Great River Electronics designt wurde, einer Firma, die sich einen Namen vor allem mit modernisierten Neve-Derivaten gemacht hat. Allerdings soll bei der Entwicklung der 500-Kassette im Sinne größtmöglicher Originaltreue auch einer der ursprünglichen Harrison-Ingenieure ein Wörtchen mitgeredet haben.

Details

Im Kern handelt es sich bei der erstaunlich schweren 500-Kassette um einen semiparametrischen 4-Band-EQ, der nach dem Proportional-Q-Design arbeitet – die Filtergüte passt sich also automatisch an, ohne dass ein eigenes Bedienelement für den Q-Faktor benötigt wird. In der Praxis sorgt das für sehr intuitives Arbeiten, es erlaubt einen guten Kompromiss zwischen flexiblen, vielseitigen Filterkurven und einfacher Bedienung. Sowohl schmales Filtern von Problemfrequenzen als auch breitbandiges Sweetening ist möglich: Je stärker die Filteramplitude, desto schmaler wird automatisch das Band. Zudem arbeitet der 32EQ – ebenso wie APIs 550a – reziprok, die Filterkurven und der Phasengang sind also bei Anhebungen und Absenkungen identisch. Somit kann eine einmal gemachte Einstellung in einem späteren Durchgang theoretisch wieder rückgängig gemacht werden.

Dichtes Gedränge auf der Frontplatte des Harrison EQ32
Dichtes Gedränge auf der Frontplatte des Harrison EQ32

Ein Qualitätsmerkmal eines guten (semi-)parametrischen EQs ist, dass die Filterbänder sich weit überlappen, damit auch komplexere Kurven realisiert werden können. Auch beim 32EQ ist dies der Fall: Das Bassband reicht von 40 – 800 Hz, die Tiefmitten von 200 Hz – 4 kHz, die Hochmitten von 400 Hz – 8 kHz, und die Höhen von 800 Hz – 16 kHz. Sämtliche Bänder erlauben Amplituden von ±10 dB.  Das liest sich auf dem Papier weniger üppig, reicht aber in der Praxis allemal aus.
Bässe und Höhen können wahlweise in Peaking- und Shelving-Charakteristik eingesetzt werden. Daneben verfügt die Kassette noch über zwei Hoch- und Tiefpassfilter mit 12 dB Flankensteilheit und den Einstellbereichen 25 Hz – 2.75 kHz sowie 160 Hz – 20 kHz: Mehr Funktionalität in einer 500-Kassette mit einer Slotbreite geht vermutlich nicht!

Nur nicht danebengreifen: Parameterfülle beim GR Harrison 32EQ
Nur nicht danebengreifen: Parameterfülle beim GR Harrison 32EQ

Die EQ-Kassette verfügt über einen Bypass-Schalter für die vier semiparametrischen Bänder, die Filtersektion kann separat aktiviert/deaktiviert werden. Über eine Status-LED verfügt die Kassette nicht, vermutlich stand hierfür schlichtweg kein Platz mehr zur Verfügung. Weil die insgesamt 10 Potis leicht versetzt angeordnet sind, kann man die Kappen greifen, ohne versehentlich die Nachbar-Potis mitzuverstellen. Trotzdem muss man etwas aufpassen, erst recht, wenn man zum Lager der Grobmotoriker gehört. Vom platzmäßigen Luxus einer Pultec-Frontplatte mit drei 19“-Höheneinheiten ist man hier meilenweit entfernt, aber das hat umgekehrt auch sein Gutes: Der 32EQ bietet unglaubliche Flexibilität auf engstem Raum, was in vielen Situationen allein das schon ein Kaufargument sein mag.
Diese Vielseitigkeit wird zudem auch durch die Tatsache unterstützt, dass der 32EQ über Potis und nicht über Drehschalter verfügt, es lassen sich also alle Bänder inklusive der beiden Cut-Filter stufenlos durchstimmen. Hier findet sich allerdings auch ein – völlig unverständlicher – Wermutstropfen: Die Gain-Potis haben keine Mittenrastung in der Neutralposition, hier muss man also raten. Der Reset des EQs gestaltet sich also fummelig, ohne dass man sich völlig sicher sein kann, dass man die Nullposition tatsächlich getroffen hat. Dies ist zwar die einzige Stelle, wo man dem Hersteller funktionales Verbesserungspotenzial anzukreiden hat, aber dafür keine ganz unwichtige.

Fotostrecke: 4 Bilder Der Great-River-EQ ist lehrbuchmäßig gefertigt…

Abgesehen davon ist die Kassette aber konstruiert wie aus dem Lehrbuch für hochwertigste Tonstudiotechnik. Das Gehäuse aus gebürstetem Edelstahl wirkt, also ob man das Modul mit einem Lastwagen überfahren könnte, ohne dass es dadurch ernsthaften Schadennehmen würde. Auch die sauber gefertigte Technik unter der Haube kann sich sehen lassen. Zwar sind die Filter als aktive RC-Filter auf Basis von OpAmp-ICs aufgebaut (anders ließe sich dieser Funktionsumfang bei diesem Platzangebot eh nicht realisieren), aber dafür verfügt das Modul über eine Ausgangsstufe, die es in sich hat. Der originale EQ des Harrison-Kanalzugs verfügt über keinen eigenen Ausgangsübertrager, dieser sitzt erst am Ausgang des gesamten Channelstrips. In die 500-Kassette wurde der Übertrager als wichtiges Sound-Element der originalen Schaltung aber trotzdem integriert, inklusive einer diskreten Class-A-Stufe, die ihn füttert. Mit der Great-River-Kassette erhält man also nicht nur das Filterlayout des originalen Harrison-Channels, sondern dazu auch noch ein wesentliches klangfärbendes Element des ursprünglichen Mischpultkanalzuges. Mittels zweier Jumper auf der Hauptplatine kann man zudem die Gegenkopplung der Transistorstufe beeinflussen und damit direkt die Klangeigenschaften: Die Möglichkeiten sind eine etwas wärmere, rundere Abstimmung, sowie eine etwas transparentere, offenere.

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