edjing Premium Edition Test

Edjing ist eine erweiterbare, im klassischen Turntable-Look gestaltete DJ-App für iOS, Android und Windows 8, die sich primär an Hobby-DJs wendet, die ihre eigene Musikbibliothek oder Tracks der Streaming-Dienste Deezer und Soundcloud mixen wollen. In der Tat laufen DJ-Apps momentan wie warme Semmeln und schon seit einiger Zeit fungieren sie nicht mehr nur ausschließlich als Remote-Beiwerk professioneller DJ-Software, vielmehr transformieren sie selbst inzwischen Smartphones oder Tablet-PCs in Mixing-Konsolen. Neben Algoriddims Djay oder Mixvibes Cross DJ trifft man in den App-Store-Charts auch auf das Programm „edjing“, das sich bezüglich seines grundsätzlichen Layouts und seiner Ausstattungsmerkmale nicht vor den Mitbewerbern verstecken muss. Zum Einstieg bietet edjing eine Basisversion als Gratis-Download an, wer jedoch auf zusätzliche Features wie Brot-und-Butter-Effekte nicht verzichten möchte, sollte für 5,49 Euro auf die von mir getestete „Premium Edition“ updaten. Es geht allerdings noch etwas üppiger und zwar mit der Vollversion, für die weitere knapp 10 Euro zu entrichten sind. Das hinterlässt bei mir einen etwas faden Beigeschmack, denn erst mit dieser Version wird das in meinen Augen für ein adäquates Mixing elementare Pre- und Multi-Cueing freigeschaltet. Zudem bringt sie weitere Effekte, Skins, Overloops und einen Beat-Shuffler mit. Die visuelle Umsetzung mit zwei virtuellen Plattentellern und diversen Reglern vermittelt dabei das Gefühl, mit wenigen Fingerbewegungen seine eigenen Mixes erstellen zu können und somit auch „ein DJ zu sein“. Doch ist das wirklich so einfach?

edjing_Teaser
DJ-App für iOS, Android und Windows 8


Jemandem, der seit Jahren hinter einem Mixer an den Reglern schraubt und seine Platten auf Technics-Turntables in den Beat schubst, fällt es sicherlich schwer, die Glaubwürdigkeit einer DJ-App wie edjing nicht anzuzweifeln, schließlich reduziert sie das Auflegen auf das spielerische Drücken und Schieben von Tasten und Reglern. Das hat mit der „analogen Handhabe“ nur wenig gemein. Dementsprechend möchte ich den professionellen Anspruch in diesem Artikel ausblenden und vorrangig den Spaßfaktor beziehungsweise das Handling bewerten. Auf geht’s.

Details

Der Kauf über den App-Store und die Installation auf meinem iPhone 6+ verläuft reibungslos. Bevor ich mich der Oberfläche und der Ausstattung widmen darf, brieft mich edjing bezüglich der besonderen, auf den ersten Blick doch recht vielversprechenden Features. Danach erscheint das Display mit zwei übersichtlichen, aber etwas puristisch visualisierten Decks, die bei genauerer Betrachtung doch einige „Mankos“ aufzeigen. Je nach gewähltem Skin möchte die App beispielsweise ein optisches Turntable-Feeling wecken, indem sie zwei Tonarme einblendet. Zugunsten der Oberflächensymmetrie wurde der Tonarm des linken Tellers jedoch links und nicht rechts angebracht. Somit würde die Schallplatte dort streng genommen rückwärts abspielen – für mich schon das erste Indiz, dass es sich hier mehr um ein Toy als ein Tool handelt.
Die beiden Decks definieren sich etwas spartanisch über eine Play-Taste, einen Button für den Equalizer, die Effekte und den Pitch. Den Mix regle ich entweder über den mittig platzierten Crossfader oder die ungewöhnlich links und rechts an den Display-Außenseiten angeordneten Lautstärke-Fader. In der Mitte finde ich den Sync-Taster und die Knöpfe für den Kopfhörer, der allerdings nur in der Vollversion funktioniert. Dazu gesellen sich Auto-Mix zum automatischen Abspielen einer Playlist und Record zum Aufzeichnen einer Session.
Ein großer Pluspunkt ist die Musikverwaltung, die nicht nur aus den eigenen iTunes-Ordnern bestehen darf, sondern auch den Zugriff auf Soundcloud und den Streaming-Dienst Deezer erlaubt. Um in die Library zu gelangen und Musiktitel auf die Decks zu laden, drücke ich einfach die beiden Noten-Buttons neben den Tellern. Die Titelnamen einschließlich der Spielzeit blendet edjing innerhalb der beiden untereinander angeordneten Wellenformen ein, die leider nur auszugsweise über den Track-Verlauf informieren. Das Setup-Menü untergliedert sich in „Meine edjing-Seite“, einen Reiter für die eigenen Mixes, verschiedene Skins und weitere „kleine“ Einstellungen bezüglich der Lautstärke und Zeitanzeige (remaining/elapsed).

Fotostrecke: 2 Bilder Die Einstellungsmöglichkeiten sind arg begrenzt.

Praxis

Obwohl ich schon sehr auf den Praxislauf gespannt bin, nehme ich mir zunächst ein wenig Zeit, um die Software und ein edjing-Profil einzurichten. Bezüglich der Skins sollte man am besten beim Standard bleiben, denn wenngleich die vergoldete Oberfläche recht schick anmutet, irritiert mich bei ihr und den anderen grafischen Benutzeroberflächen auf jeden Fall der schon erwähnte falsch angebrachte Tonarm am linken Deck. Bei den sehr puristischen Neon-Versionen dürften sich die Geister hingegen „geschmacklich“ scheiden. Laut App sind allerdings noch weitere Skins in Arbeit.
Beim Einrichten des Profils bietet mir edjing den Login via Facebook an, sodass alle Daten übernommen werden und gleichzeitig eine Verknüpfung mit Soundcloud erfolgt, sofern man sich dort ebenfalls mit dem Facebook-Profil registriert hat. Andernfalls ist eine Anmeldung bei Soundcloud und auch eventuell bei Deezer nötig, um die Library-Möglichkeiten voll auszuschöpfen. 

Fotostrecke: 2 Bilder Die Library greift nicht nur auf die Musik von iTunes zu.

Nachdem ich meine Library eingerichtet habe, suche ich über den Track-Button für das jeweilige Deck einen Titel aus. Eine Selektion anhand der BPM zu treffen, ist leider nicht möglich, denn das jeweilige Tempo wird erst angezeigt, wenn der Track in das Deck geladen und die Pitch-Funktion aktiviert ist.
In der Pitch-Ansicht lassen sich die BPM aufs Hundertstel genau anpassen (durch Verschieben des inneren Deck-Kreises). Starte ich anschließend den linken Song über die Play-Taste, kommt dieser jedoch mit einer leichten Verzögerung in Gang. Ein beatgenaues manuelles Einstarten ist in der Praxis daher recht schwieig zu bewältigen, denn der Track hängt stets hinterher und nur die Sync-Funktion schafft hier Abhilfe. Oder man entscheidet sich generell für die Vinyl-ähnliche Lösung: Die virtuelle Platte im Play-Modus festhalten und auf den Beat loslassen. Die Drops mit dem Finger auf dem Teller im Scratch-Modus gelingen nämlich recht genau und kleine Phasen-Korrekturen lassen sich über die Decks zügig beheben. Alternativ greift man abermals auf die Sync-Funktion zu, die erfreulicherweise wirklich exakt arbeitet.
Bedauerlicherweise lassen sich spezielle Song-Positionen nur ziemlich ungenau über die Zeitanzeige des jeweiligen Tracks anfahren, denn ich muss die Stellen durch Tippen mit dem Finger anvisieren. Hier vermisse ich eine sekundengenaue oder sogar Frame-basierte Suche, ebenso eine Pegelanzeige, um meine beiden Tracks visuell in der Lautstärke anzupassen. Auch das Abgleichen der beiden Kanäle anhand der Linefader-Positionen ist durch die Anordnung der virtuellen Schieber an den beiden Außenkanten keine optimale Lösung.
Unter dem EQ-Button verbergen sich Regler für die Bässe, Mitten, Höhen und den Gain. Scrolle ich im Menü einen Button weiter, entdecke ich endlich auch den Cue, der einen recht zackigen Start des Decks ohne Delay ermöglicht. Allerdings bietet mir die Premium-Edition nur das Speichern und Abrufen eines einzelnen Startpunkts an, denn Multi-Cueing ist der Vollversion vorbehalten. Einen Cue-Point in einem Untermenü zu verstecken, das die komplette Display-Hälfte verdeckt, lässt mich abermals die Stirn runzeln. Mitunter ist beim wiederholten Drücken des Cues auch ein störendes Knacksen zu hören.

Fotostrecke: 2 Bilder Unglücklich gelöst: der Cue-Point.

Die EQ-Menüleiste präsentiert neben dem Cue-Button noch Loops, die entweder manuell oder mit einer Länge von einem Viertel bis acht Beats gesetzt werden können. Dazu serviert edjing einige Effekte, die für mich letztlich den Höhepunkt der App ausmachen. Dank ihrer Darstellung im Koordinatensystem lassen sie sich spielerisch leicht und effektvoll in ihrer X- und Y-Achse modifizieren. Das Sortiment umfasst:

  1. Phaser
  2. Gate
  3. Bliss
  4. Resonator Reverb
  5. Hoch- und Tiefpassfilter
  6. Double Fliping
  7. Autoscratch
  8. Reverse
Die Effekte sind das Salz in der Suppe.
Die Effekte sind das Salz in der Suppe.

edjing verfügt auch über einen Auto-Mix-Modus zum automatischen Abspielen einer mit Musiktiteln vorbestückten Playlist. Nach der Zuweisung des ersten Tracks auf das linke oder rechte Deck spielt die App alle folgenden Musikstücke hintereinander ab. Von Mixen möchte ich hier jedoch lieber nicht sprechen, denn die Überblendungen erfolgen kaum beatsynchron, sondern oftmals sehr holprig, es sei denn, man betätigt während des Übergangs erneut die Sync-Taste und greift dem Programm somit ständig unter die virtuellen Tonarme. Die Dauer und der Zeitpunkt des Übergangs lassen sich zum Glück in den Einstellungen anpassen, sodass der Fade wenigstens schnell über die Bühne geht. Nach ein paar „manuellen“ Überblendungen gewöhnt man sich an die Handhabung der App und am Ende gelingen doch recht passable Mixes. Mit der integrierten Record-Funktion speichere ich diese im Wav-Format ab und füge die Datei entweder der Playlist oder meinem edjing-Profil hinzu – so gewünscht.

Fazit

Mit der DJ-App edjing lässt sich spielerisch Musik aus der eigenen Library oder von den Streaming-Diensten Soundcloud und Deezer mischen. Dies gelingt dank einer Auto-Sync-Funktion recht sauber, denn trotz wahrnehmbarer Latenzen beim Auslösen der Play-Taste oder im Automix-Modus bringt sie die Beats wieder in Phase. Auch die zackig reagierende, leider in einem Untermenü versteckte Cue-Taste sorgt in diesem Punkt für Abhilfe. Alternativ verlässt man sich auf Old-School-Tugenden und mixt manuell mit Pitch und Drops vom virtuellen Jogwheel. Die leicht zu handhabende Batterie an Effekten erhöht nebenbei den Spaßfaktor. Allerdings ist es nur den Besitzern der Vollversion vorbehalten, die Tracks über den virtuellen Kopfhörer vorzuhören und auch auf eine Level-Anzeige zum Gain-Angleichen verzichtet edjing. Ebenfalls etwas unglücklich gelöst: Die Wellenformen der Tracks werden lediglich auszugsweise angezeigt, sodass einem nur der grob orientierte Fingertipp auf dem Zeitstrahl bleibt, um einen bestimmten Part im Track anzufahren. Hier sehe ich Optimierungsbedarf.
Auf die geschürten hohen Erwartungen, mit der man einer App begegnet, die mit dem LES App Award ausgezeichnet wurde, zudem die App-Charts belegt und vom Hersteller als Top-DJ-Tool beworben wird, folgt am Ende die Ernüchterung. Denn generell ist edjing in der Premium Edition zwar ein nettes Toy, lässt aber trotz des „vierten Updates“ unterm Strich einige Wünsche offen. Ferner ist das Vorenthalten elementarer Funktionen wie Vorhören und Multi-Cues für die nochmals kostenpflichtige Vollversion zu kritisieren. Dennoch könnte die App durchaus so manchen Abend retten, sei es daddelnd zu Hause auf dem Sofa oder zur Überbrückung eines System-Absturzes beim DJ-Gig.

Unser Fazit:
3 / 5
Pro
  • Übersichtliches Layout
  • Zugriff auf Soundcloud und Deezer
  • Exaktes Beat-Sync
  • Große Effektauswahl
  • Beat-Loops
  • Dreiband-EQ pro Kanal
  • Verschiedene Skins
Contra
  • Umständliches Handling
  • Delay beim Einstarten der Tracks
  • Fehlende Pegelanzeige
  • Ungenaue Suchfunktion
  • Pre-Cueing und Multi-Cues nur in der Vollversion
  • Mitunter Knacksen beim Cueing
  • Holpriger Auto-Mix
Artikelbild
edjing Premium Edition Test
DJ-App für iOS, Android und Windows 8
DJ-App für iOS, Android und Windows 8

Hinweis: Die App ist aktuell nicht mehr im App Store verfügbar (Stand 06/2017). Eine Alternative wäre edjing PRO.

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