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Dave Smith Instruments Poly Evolver Rack Test

Die Produkte von Dave Smith gelten ja (immer noch) als Exoten auf dem Synthesizermarkt. Was wohl daran liegt, dass sie zum einen zur rar gewordenen Spezies „Analog“ gehören. Andererseits verfolgen sie eine kompromisslose Philosophie. Nämlich die, sich auf bestimmte Klangmöglichkeiten zu beschränken, um dann das, was sie können, besonders gut zu machen.


Die Beschränkungen des Poly Evolvers liegen bei seiner maximalen Polyphonie von nur vier Stimmen. Er besitzt auch kein vielseitiges Multimode-Filter und kann nur sehr eingeschränkt Klänge von akustischen oder elektromagnetischen Instrumenten nachahmen. Auch hat er keine Effekte wie Chorus, Reverb oder Vocoder im Gepäck. Immerhin aber ein dreifaches Stereo-Delay, ein stimmbares Feedback und zwei interessante Verzerrer. Das Konzept ist auf charaktervollen Klang mit vielfältigen Modulationsmöglichkeiten ausgelegt. Zwei analoge Oszillatoren mit den klassischen Schwingungsformen und Osc-Sync, zwei digitale Wavetable Oszillatoren mit FM, eine konsequente True-Stereo Architektur, das wieder aufgelegte, legendäre Curtis Lowpassfilter als klangfärbendes Herzstück, Wavetables, die u.a. schon im Vintage Synth Sequential Prophet VS verwendet wurden, markante Effekte und ein mächtiger Step-Sequencer definieren das Feld, in dem sich der Soundschrauber hier bewegen kann. Der Poly Evolver ist in zwei Varianten erhältlich: als Performance Keyboard mit Tastatur, zahlreichen Potis, Encodern und Tastern – oder als 19“ Rackmodul. Die Klangerzeugung ist bei beiden Varianten identisch, die Unterschiede liegen in wenigen Ausstattungsdetails, in der Bedienung, Platzbedarf und Preis. Das Rack ist gut 1000 Euro günstiger als die „mit Keyboard Variante“. Schaunmermal, ob man den komplexen Möglichkeiten des Poly Evolvers auch mit einer äußerlich stark reduzierten Rackversion gerecht werden kann.

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DETAILS 
Im Karton ist neben dem Synthesizer noch ein englisches Handbuch und ein externes Netzteil mit verschiedenen Netzsteckeraufsätzen zu finden.

Auf der Frontseite des Racks findet man zunächst den Power-Knopf und ein zweizeiliges LED-Display mit zwei Endlos-Encodern: Der obere dient zum Aufrufen von Parametern, der untere zur Veränderung seines Wertes. Daneben sind neun Taster zum Aufrufen weiterer Funktionen oder Betriebsmodi angeordnet. Weiter rechts zeigen vier LEDS an, welche Stimme zur Zeit aktiv ist, ganz rechts befinden sich das Mastervolume-Poti und ein Stereo-Kopfhörerausgang.

Auf der Rückseite gibt es Buchsen satt: Ein Stereo/Mono-Summenausgang macht den Anfang, gefolgt von „Mix Input“, den Stereo-Einzelausgängen aller vier Stimmen, einem Eingang für die Bearbeitung externer Audiosignale, dem MIDI-Trio und der Stromversorgung. Pedal- und CV-Eingänge, wie man sie bei der Keyboard-Variante findet, gibt es hier nicht! Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der Rack-Variante ist der Eingang „Mix Input“, denn diesen Eingang gibt es NUR bei dieser Ausführung. Man kann hier ein Audiosignal zur Mastersumme dazumischen, was sich beispielsweise beim „Polychain“, also dem Kaskadieren mehrerer Poly Evolver oder Mono Evolver anbietet. „Polychain“ bekommt bei der Rack-Version keine eigene Sync-Buchse spendiert, so wie es bei der Keyboardausführung der Fall ist. Beim Rack wird die Synchronisation mit einer Doppelfunktion des MIDI-Interfaces realisiert. Durch Polychain ist es möglich, die Polyphonie durch Master/Slave-Betrieb von bis zu drei Geräten auf bis zu zwölf Stimmen zu erweitern, je nachdem, ob man Poly Evolver oder Mono Evolver „verkettet“. Auch der eigentlich monophone Combo Mode, in dem man bis zu vier monophone Sounds layern kann, lässt sich dann polyphon spielen!

Alle, die hier jetzt eine detaillierte Beschreibung der Klangerzeugung erwarten, möchte ich auf den <span class=”external-link-new-window”></span><i>bonedo Testbericht des Poly Evolver Keyboard</i> verweisen. Seine Klangerzeugung ist zu 100% identisch mit der Rackversion. Auch jede Menge Audiobeispiele sind dort zu finden. Vielmehr möchte ich mich dem Software Editor von Soundtower zuwenden, den man als Käufer des Poly Evolver Racks über Dave Smith Instruments kostenlos beziehen kann. Das gilt übrigens auch für Käufer eines gebrauchten Poly Evolvers. Besitzer des Poly Evolver Keyboards können den Editor für 49,- Dollar erwerben. Der Software Editor ist für aktuelle Mac- und Windows-Rechner erhältlich. Ein MIDI-Kabel stellt die Verbindung zwischen Computer und Rack-Synthesizer her. Am Bildschirm wird die Klangerzeugung des Poly Evolvers dann grafisch so dargestellt:

Man kann die Darstellung der einzelnen Fenster in mehreren Größen wählen, von 25% bis Bildschirm füllend. Insgesamt ist hier alles recht schlicht und funktional gestaltet, und man erhält einen guten Überblick über die Parametereinstellungen der einzelnen Programme. Aber auch über MIDI Control Changes, für ein Modul, das vor allem durch DAWs, Masterkeyboards oder sonstige Eingabewerkzeuge bedient werden will, nicht ganz unwichtig. Auch dass ein Wavetable-Editor integriert ist, mit dem man 32 der Wavetables (Nr. 97-128) editieren und neu speichern kann, soll hier lobend erwähnt werden. Freunde von Backups oder unendlichem Programmspeicherplatz dürfte es interessieren, dass man mittels Software Editor Sounds und Soundbänke des Poly Evolvers auf dem Rechner speichern kann.

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PRAXIS

Tja, das ist schon ein anderer Schnack. Letzte Woche hatte ich noch das Poly Evolver Keyboard vor mir stehen, die Klangschrauber-Spielwiese mit unzähligen Potis und Encodern. Nun sitze ich vor einem ernüchternden 1-HE-Modul, das ich in mein Studiorack eingebaut habe. Viele Klänge kommen mir noch sehr vertraut vor, es sind ja auch die selben Presets wie beim „Großen“. Aber der Zugang zum Instrument will nicht so richtig in die Gänge kommen. Tast- und Sehsinn werden nicht gerade gebauchpinselt, und von direktem Zugriff auf die Klangerzeugung kann hier nicht die Rede sein. Ich sehe mich mit Tastern, Value Encodern und Display auf der Parameterebene umgeben. So viel sei gesagt: Es ist möglich, den hochkomplexen Poly Evolver mit diesen wenigen Armaturen zu editieren, die simple und lineare Menüführung führt einen überall hin, beherztes Encoder-Kurbeln und Aufs-Display-Starren vorausgesetzt. In manchen (Not)Fällen kann das sicherlich auch von Vorteil sein, aber unter Programmierspaß und Workflow verstehe ich etwas völlig anderes! Deswegen will ich mich gleich dem Software Editor zuwenden. Im Handbuch ist von einer Installations-CD die Rede, die aber leider nicht mit im Karton war. Ich versuche Hilfe auf der Dave Smith Instruments Website zu finden und werde dort zum Anbieter support@davesmithinstruments.com schreiben. Von diesem Prozedere steht leider weder etwas im Handbuch, noch findet man auf den beiden Hersteller-Webseiten Informationen dazu. Dies sei aber der „normale Weg“, den Software Editor als Käufer eine Poly Evolver Racks gratis zu kommen, sagte man mir dort. Man hat es hier ganz offensichtlich nicht mit einem in allen Bereichen durchgestylten Global Player des Synthesizermarktes zu tun. Muss ja aber auch nicht immer.
Kommen wir zum Praxiseinsatz. Der Editor ist schnell installiert. Seine Oberfläche ist sicherlich nicht als grafische Meisterleistung zu bewerten, aber er funktioniert ganz ordentlich. Nicht immer gelingt es mir, mit der Maus präzise Werte einzustellen. Abhilfe kann dann aber das fein auflösende Mausrad leisten. Denn auch damit lassen sich die virtuellen Potis steuern. Editiert man, während man auf dem Evolver spielt, entstehen oft kurze Stotter- oder Glitchklänge, als ob sich er der Synth sich an den vom Editor gesendeten Daten kurz verschluckt hätte.
Insbesondere den Sequencer grafisch zu bedienen gefällt, Übersicht ist alles! Und auch das Feature, sich Sequencer-Patterns auf dem Rechner abzuspeichern bzw. von dort laden zu können, kann einem das Programmieren versüßen!

Auch Einstellungen bezüglich Control Changes lassen sich schnell erstellen bzw. ablesen. So kann man die Encoder seines Masterkeyboard oder seine DAW schnell zum Steuern einzelner Parameter einbinden. Leider tritt bei den dreistelligen CC (also ab CC100) ein grafischer Bug auf, die Nummern lassen sich nur erahnen.

Gute Extras des Editors sind „Snapshot“ oder das Menü der „Program Genetics“. Mit Snapshot kann man bestimmte Szenarien einer Soundprogrammierung abspeichern. Nicht selten soll es ja vorkommen, dass man sich beim „Schrauben“ vergaloppiert. Legt man sich jedoch in den Kreativsessions immer schön ein paar „Snapshots“ an, kann man – ähnlich wie bei einer Undo-Liste – jederzeit zu früheren Zuständen zurückkehren.

Unter „Program Genetics“ werden vier Modi angeboten, neue Sounds (Kids) aus zwei bestehenden Programmen (Mommy&Daddy) abzuleiten. Wie süß! Wer möchte, kann dabei sogar noch in die Zeugung eingreifen und bestimmte Parameter von den Metamorphosen ausschließen. Hier ein Beispiel mit dem Modus „Morph“: Erst hört man Mommy, dann Daddy, dann eines von vielen „Kids“, das aus den Parameter-DNAs der Eltern erzeugt wurde.

Audio Samples
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Familienplanung

In den folgenden Audiobeispielen ist zunächst eine Filterfahrt mit einem externen Drumloop zu hören, sämtliche Effekte des Poly Evolvers kommen zum Einsatz. Als zweites zeige ich einen Chorus Effekt, den man durch langsam modulierte Delayzeiten erreicht (per LFO mit Dreiecksschwingung). Die Modulationsintensität nimmt im Verlauf des Audiobeispiels stetig zu. Als Drittes hört man eine Modulation des Hochpassfilters und des Distortion-FX durch die 3. Hüllkurve. Beim Envelope3 habe ich eine Einsatzverzögerung und eine lange Attack-Zeit gewählt, sodass der hörbare Effekt immer erst etwas verzögert einsetzt. Im Verlauf des Audiobeispiels verändere ich die Parameter der Hüllkurve.

Audio Samples
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external Drumloop Chorus Hochpassfiltermodulation
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FAZIT
Der Poly Evolver Rack ist  klanglich ein ganz Großer, auf seine Bedienung mit sehr wenigen Armaturen bzw. per Software Editor muss man sich allerdings einlassen. Andererseits bekommt man den Poly Evolver auch für 1000 Euro weniger als Mr. Smith für seinen großen Bruder, die Keyboardvariante mit vielen Potis und Encodern, verlangt. Der Preis ist trotzdem fair, denn der Klang, den man dafür erhält, ist es allemal wert. Auch ein Software Editor ist im Kaufpreis enthalten, mit ihm lässt sich der komplexe Synth gut am Bildschirm editieren. Er bietet sogar noch einige gute Extras. Kleinere Unzulänglichkeiten gibt es hier zwar schon, aber damit kann man leben. Summa summarum ist die Rack-Variante eher etwas für anspruchsvolle Studiotüftler, die gerne am Rechner ihre Sounds „schrauben“, mit der Spezies Plug-in aber nicht immer klarkommen. Aber auch Besitzer eines Poly Evolver Keyboards, die in Sachen Polyphonie aufrüsten wollen, könnten hier eine (nicht ganz günstige) Lösung finden. Das „Polychain Feature“ macht es möglich.

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • Hochwertiges Lowpassfilter
  • Zahlreiche Modulationsmöglichkeiten
  • Gute Effekte
  • Vielseitiger Step-Sequencer
  • Audioeingang und Mixeingang
  • Solide Hardware
  • Guter, kostenloser Software Editor
Contra
  • Maximale Polyphonie von 4 Stimmen
  • Kein Arpeggiator
  • Keine Pedal- und CV-Eingänge
Artikelbild
Dave Smith Instruments Poly Evolver Rack Test
Für 1.399,00€ bei
Technische Details
  • Programmspeicher: 512 Plätze im Program Mode (4 Bänke à 128), 384 Plätze im Combo Mode (3 Bänke à 128).
  • Oszillatoren pro Stimme: 2 DCOs (Sägezahn, Dreieck, Sägezahn/Dreieck Mix, Puls, Puls mit variabler Breite und PWM sowie Osc. Hard Sync.), 2 digitale Wavetable Oszillatoren (Prophet VS Wavetables, FM- und Ringmodulation)
  • White Noise Generator
  • 2 Lowpass Filter pro Stimme: 1 analoges Curtis Filter pro L-R Stereokanal, 2-pole oder 4-pole Mode
  • 3 ADSR-Hüllkurven pro Stimme: Lowpass Filter, VCA, frei verfügbare 3. Hüllkurve
  • 4 LFOs pro Stimme
  • Regelbares Glide (Portamento)
  • Analoger VCA
  • Digitales Highpass Filter
  • 3 digitale Stereo-Delays
  • Tuned Feedback mit Verzerrer-Option “Grunge”
  • Distortion
  • Output Hack (=Bitcrush FX)
  • 16 x 4 Step-Sequencer pro Stimme
  • Größe:
  • Gewicht:
  • MIDI In, Out, Thru
  • Stereo Audioeingang: 6,3mm Klinke, unsymmetrisch
  • Stereo Mixereingang: 6,3mm Klinke, unsymmetrisch
  • Stereo/Mono Summe Audioausgang: 6,3mm Klinke, unsymmetrisch
  • Audio Einzelausgänge pro Stimme, stereo: 6,3mm Klinke, unsymmetrisch
  • Kopfhörerausgang: 6,3mm Stereoklinke
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