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Arturia MicroBrute Test

Mit dem MicroBrute hat Arturia die Synthesizerwelt ein weiteres Mal überrascht. Nachdem der ursprünglich als Softwarefirma gestartete Hersteller vor zwei Jahren mit dem MiniBrute ein eindrucksvolles Gesellenstück im Bereich analoger Synthesizer vorgelegt hatte, lassen die Franzosen die Schaltkreise nun im Micro-Format glühen. Dass der Synth aus der gleichen DNA wie der erfolgreiche und überaus eigenständige MiniBrute geschnitzt ist, erkennt man schon am Namen und am Design. Aber soviel kann ich schon verraten: Wer jetzt mit den Schultern zuckt und einfach einen geschrumpften MiniBrute mit weniger Features erwartet, wird sich eines Besseren belehren lassen müssen.

Angriff der Analogzwerge: Der Arturia MicroBrute ist ganz vorne mit dabei
Angriff der Analogzwerge: Der Arturia MicroBrute ist ganz vorne mit dabei


Der MicroBrute verleugnet seine Herkunft nicht: Die Oszillator- und Filtersektionen basieren auf jenen des MiniBrute, dem sie mit ihren nicht alltäglichen Schaltungen seinen unverkennbaren Charakter gaben. Auch äußerlich ist die Nähe zum großen Bruder nicht zu übersehen. Aber wer genauer hinsieht, entdeckt schnell einige Panel-Beschriftungen, die es beim MiniBrute noch nicht gab, und dann ist da ja noch das kleine Patchfeld rechts oben. Was hat der MicroBrute, was der MiniBrute nicht hat, und braucht man am Ende vielleicht sogar beide?

Details

Konzept

Der monophone, subtraktive MicroBrute ist wie sein größerer Kollege durch und durch analog. Es gibt keine Presets, keine Speicherplätze und keine MIDI-Übermittlung von Reglerstellungen (von Pitchbend und Modulation einmal abgesehen). Stattdessen bekommt man pures Schraubvergnügen – „What-you-see-is-what-you-hear“ in Reinkultur. Statt Speicherplätzen liegen dem Synth eine Reihe von Overlay-Karten bei, die man auf die Bedienoberfläche legt, um Reglerstellungen darauf zu markieren. Auch einige „Preset“-Sheets sind enthalten, die bei der Programmierung der ersten Sounds helfen, einen Überblick über die Möglichkeiten bieten und einen Startpunkt für eigene Klangkreationen bilden können. Ganz ohne Presets kommt der Synth also doch nicht, das nehme ich zurück… Jenseits aller Nostalgie halte ich das Prinzip „Handyfoto“ aber für die praktikablere Variante der Preset-“Speicherung“.

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Mehr Informationen
Arturia MicroBrute Demovideo

Gehäuse

Ganz dem aktuellen Trend folgend, ist der MicroBrute klein, kompakt und handlich. Der Synthesizer nimmt ungefähr die Grundfläche eines DIN-A4-Blattes ein und passt damit in jeden Rucksack. Allerdings ist das Gehäuse bis auf die Metall-Bodenplatte aus Kunststoff gefertigt – beim größeren MiniBrute ist hier abgesehen von den Seitenteilen alles aus Alu. Dennoch wirkt der Synth robust und stabil, das Gehäuse lässt sich nicht in sich verdrehen und zumindest unser Testexemplar kippelt auch nicht – beim MiniBrute war das ein gelegentlich geäußerter Kritikpunkt. Die Potis, Schalter, Taster und Fader sind baulich identisch mit denen des MiniBrute, wobei vor allem die Drehregler durch einen angenehm festen, Vertrauen erweckenden Drehwiderstand auffallen. Man läuft beim MicroBrute jedenfalls nicht Gefahr, ein Drehpoti durch bloßes Berühren versehentlich zu verstellen. Wie der MiniBrute besitzt der Micro eine Tastatur mit zwei Oktaven Umfang, die hier allerdings aus Minitasten besteht, ein Pitchbend- und ein Modulationsrad sowie zwei Taster zur Oktavumschaltung samt LED-Kette. Der ganze Synth wirkt trotz seiner Kompaktheit solide gebaut und dürfte auch den einen oder anderen Rucksacktransport unbeschadet überstehen.  

Fotostrecke: 4 Bilder Der MicroBrute orientiert sich beim Design am MiniBrute

Anschlüsse

Das Anschlussfeld an der Rückseite beherbergt neben dem Netzschalter und der Buchse für das externe Netzteil einen Mono-Ausgang (Klinke), einen Kopfhörerausgang (Miniklinke) und einen Mono-Audioeingang (Klinke) nebst versenktem „Input Level“-Poti. Dieses fährt beim Druck darauf aus und kann dann eingestellt und wieder im Gehäuse geparkt werden. Sehr edel und Rucksack-freundlich. Außerdem gibt es drei Miniklinkenbuchsen für CV/Gate, und zwar Gate In/Out (+5V) und Pitch CV Out (1V/Okt.). Weitere CV-Verbindungen lassen sich über das Patchfeld auf dem Panel realisieren, das wir uns gleich noch genauer ansehen werden. Zu guter Letzt besitzt der MicroBrute einen MIDI-Eingang (der Ausgang wurde hier eingespart, aber als Masterkeyboard bietet sich der Synth wegen der Minitasten ohnehin nicht wirklich an) und eine USB-Buchse. Letztere überträgt MIDI-Daten (hier auch hinaus) und ermöglicht die Verwendung der kostenlosen MicroBrute Connection Software, über die man Zugriff auf einige speziellere Parameter bekommt (mehr dazu im Praxisteil). Auch ein Finetune-Poti ist hinten zu finden, das sch ebenfalls im Gehäuse versenken lässt.

Fotostrecke: 2 Bilder Viele Anschlüsse für einen kleinen Synth

Oszillator

Der MicroBrute verfügt über einen analogen Oszillator. Das klingt zunächst nach wenig – die meisten „richtigen“ Analogsynths können mit mindestens zwei VCOs aufwarten und brauchen diese auch, um hörenswerte Klänge zu erzeugen. Doch der Oszillator des MicroBrute hat es in sich und sollte auf keinen Fall unterschätzt werden. Die Oszillatorsektion ähnelt der des MiniBrute, die mit ihrem nicht alltäglichen Konzept zu einem großen Teil für dessen eigenständigen Klangcharakter verantwortlich ist. Wo man sich andernorts zwischen den Schwingungsformen entscheiden muss, kann man hier Dreieck, Rechteck und Sägezahn gleichzeitig verwenden und jeweils in der Lautstärke regeln. Der MicroBrute besitzt Drehregler statt Fader für das Mischungsverhältnis. Wie beim MiniBrute verfügt jede der drei Grundschwingungsformen über ihre eigene Shaping-Funktion, die das klangliche Potenzial drastisch erweitert und jeweils mit einem Drehregler gesteuert wird. Beim Sägezahn regelt ein Poti den sogenannten „Ultrasaw“, namentlich eine Hommage an die legendäre „Supersaw“-Wellenform des virtuell-analogen Roland JP-8000, dem wir so manchen klassischen Trance-Anthem-Leadsound verdanken. Der Sound geht in Richtung mehrerer Sägezähne im Unison-Mode. Beim Rechteck gibt es einen Regler für die Pulsbreite, die per Patchfeld auch vom LFO oder der Hüllkurve moduliert werden kann. Beim Dreieck wartet schließlich ein Poti namens „Metalizer“. Was diese Funktion genau macht, lässt sich schwer in Worte fassen und war schon beim MiniBrute Gegenstand mancher Spekulationen. Fakt ist, das Ergebnis klingt glockig-brillant bis aggressiv – bisweilen sogar in Richtung digitaler Syntheseverfahren wie Yamahas FM oder Casios Phase Distortion – und sorgt für Klangspektren, hinter denen man nicht unbedingt einen subtraktiven, analogen Synthesizer vermuten würde.
Während der MiniBrute einen recht klassischen Suboszillator bietet, der sich zwischen Rechteck und Sinus umschalten lässt und eine oder zwei Oktaven unter dem VCO klingt, gibt es beim MicroBrute einen sogenannten „Overtone“-Oszillator mit einer Rechteckschwingung. Wie ein Sub ist er fest an den VCO gekoppelt. Allerdings klingt er eine Oktave unter und gleichzeitig (!) eine Quinte über dem VCO und man kann dazwischen stufenlos überblenden und diese Überblendung modulieren. Die Quinte erinnert dabei klanglich ein bisschen an einen per Hardsync an den VCO gekoppelten Oszillator. Damit haben wir das erste Feature des MicroBrute zu fassen, das man beim MiniBrute vergeblich sucht. Zwar muss man beim Micro auf die Sinusschwingung und die zweite Oktave unter dem VCO verzichten, aber diese „Overtone“-Abteilung verspricht eine erfreuliche Erweiterung des Klangspektrums.

Filter

Die fünf Klangquellen (Sägezahn, Rechteck, Dreieck, Overtone und der externe Eingang – auf den Rauschgenerator des MiniBrute wurde beim Micro leider verzichtet) werden dann zusammengemischt und dem Filter zugeführt. Auch hier orientiert sich der Synthesizer am großen Bruder. Verbaut ist ein eher ungewöhnliches Steiner-Parker-Multimodefilter mit 12 db/Okt. Flankensteilheit, das als Tiefpass, Hochpass oder Bandpass arbeitet. Den vierten Filtertyp des MiniBrute („Notch“) bietet der MicroBrute nicht. Das Filter verfügt über Potis für Cutoff, Resonanz, EG Amount und Keytracking und lässt sich darüber hinaus per Modulationsmatrix beeinflussen. Außerdem hat der MicroBrute natürlich auch ein Poti für den „Brute Factor“ – ein Filter-Feedback-Loop, der schon beim MiniBrute für fiese Klangverbiegungen verantwortlich war.

Fotostrecke: 3 Bilder Aufgeräumte Schaltzentrale: Bedienfeld des MicroBrute

LFO und Hüllkurve

Zu Modulationszwecken gibt es einen LFO und eine Hüllkurve. Ersterer verfügt über die Schwingungsformen Rechteck, Sägezahn fallend und Dreieck und lässt sich auf Wunsch zum Sequencer synchronisieren. Damit läuft er bei Bedarf im Gleichschritt mit einer MIDI-Clock oder einem getappten Tempo, was Studio-Bastler und Live-Performer gleichermaßen freuen wird.
Ein mit vier Fadern einstellbarer ADSR-EG ist einer weniger als beim MiniBrute, und auch auf dessen „ENV Speed“-Umschaltung (Slow/Fast) muss man hier verzichten – im direkten Vergleich ist die Hüllkurvengeschwindigkeit irgendwo zwischen den beiden Einstellungen des MiniBrute angesiedelt. Mit einem Schalter kann man den VCA auf „Gate“ schalten und dem Einfluss der Envelope entziehen, wodurch sich das Fehlen des zweiten EG in vielen Fällen kompensieren lässt. Eine grüne LED visualisiert den Verlauf der Hüllkurve.

Modulationsmatrix, Patchfeld, CV/Gate

Anders als der MiniBrute, bei dem die Modulationsroutings fest verdrahtet sind, besitzt der MicroBrute eine kleine Steck-Matrix aus acht Miniklinkenbuchsen. Zwei kurze, knall-orangene Patchkabel liegen dem Synth bei. Das verhält sich in Ansätzen so wie beim halb-modularen Korg MS-20 (mini), bei dem man die fest verdrahteten Routings mit Steckverbindungen „überschreiben“ bzw. ergänzen kann. Einige wichtige Modulationen sind auch beim MicroBrute fest verbunden und lassen sich einfach per Poti hineindrehen bzw. schalten: Filter-Hüllkurvenintensität, Filter-Keytracking, VCA-Envelope über Schalter Env/Gate und LFO-Amount oder Cutoff über Modulationsrad). Zwei weitere Routings sind auf der Platine „vordefiniert“ und werden erst durch das Einstecken von Patchkabeln unterbrochen: Wenn keine Kabel gesteckt sind, wirkt die Hüllkurve auf den Metalizer und der LFO auf die Tonhöhe – vorausgesetzt, die entsprechenden „Amount“-Regler in der EG- bzw. LFO-Abteilung sind aufgedreht. Per Patchkabel kann man diese Verbindungen kappen und die beiden Modulationsquellen flexibel zu den sechs Zielen Metalizer, Ultrasaw, Sub/Overtone-Überblendung (s.o.), Pitch, Filter und Pulsbreite schicken. Die Intensität der Patchfeld-Modulationen wird mit den jeweilgen „Amount“-Potis in den LFO- und Envelope-Sektionen geregelt, wobei sich der LFO Amount auch auf das Modulationsrad legen lässt.
Nebenbei verfügt der MicroBrute damit über CV-Eingänge nicht nur für Pitch und Filter, sondern auch für die drei Shaping-Funktionen des Oszillators sowie die Overtone-Überblendung, und CV-Ausgänge für LFO und EG. Damit wird der Synth zu einer interessanten Erweiterung für ein bestehendes modulares CV/Gate-Setup (einen Gate Ein- und Ausgang und Pitch CV Out gibt’s ja auf der Rückseite). In Sachen CV/Gate überholt der MicroBrute den größeren MiniBrute jedenfalls mühelos und fühlt sich im Kabelsalat eines Analogfricklers mindestens genauso wohl wie in einem modernen DAW-Setup. Vielleicht sogar wohler, denn per CV kann man deutlich mehr Klangparameter extern steuern als über MIDI (über MIDI lassen sich lediglich LFO-Depth oder Cutoff steuern, indem man sie dem Modulationsrad zuweist).

Sequencer

Anstelle des klassischen Arpeggiators des MiniBrute verfügt der MicroBrute über einen programmierbaren Stepsequencer mit acht per Drehregler anwählbaren Pattern-Speicherplätzen. Er synchronisiert sich automatisch zu einer eingehenden MIDI-Clock oder lässt sich per Tap-Tempo oder Rate-Poti auf das gewünschte Tempo einstellen. Beim Abspielen können die Patterns durch Drücken von Tasten auf der Tastatur transponiert werden. Auf weitere Parameter des Sequencers kann man mit der Editor-Software Einfluss nehmen, die auch das Archivieren von Patterns auf dem Computer erlaubt.

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Praxis

Oszillator

Nach einem Kaltstart muss man dem MicroBrute zunächst einige Minuten Aufwärmzeit gönnen, bis die Schaltkreise die Stimmung halten. Analogliebhaber nehmen das natürlich gern in Kauf, denn es ist der untrügliche Beweis, dass wir es hier tatsächlich mit einem analogen Synthesizer zu tun haben. Heutzutage weiß man das ja manchmal gar nicht mehr so genau. Ist der Synth dann auf Touren gekommen, so hält er die Stimmung äußerst zuverlässig.
Hier zunächst die drei „nackten“ Schwingungsformen des Oszillators bei ganz geöffnetem Filter:

Fotostrecke: 3 Bilder Machen auch auf dem Oszilloskop eine gute Figur: Die Grundschwingungsformen Sägezahn,…
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Saw Square Triangle

Das klingt schon mal ziemlich gut. Alle drei Schwingungsformen können gleichzeitig verwendet und gemischt werden. Zusätzlich bietet jede Schwingung eine modulierbare Shaping-Funktion. Beim Sägezahn ist das der sogenannte „Ultrasaw“, der aus zwei zusätzlichen Sägezahnschwingungen besteht, die mit einem Poti hinzugemischt werden können. Indem man eine Modulationsquelle – in der Regel den LFO – in die „Saw“-Buchse auf dem Patchfeld patcht, lassen sich diese Kopien in der Tonhöhe modulieren, was dann Unison-artige Schwebungen zur Folge hat. Der größere MiniBrute besitzt zu diesem Zweck einen weiteren, dezidierten LFO, der beim Micro leider eingespart wurde. Hier muss man den Haupt-LFO für die Ultrasaw-Modulation opfern. Und so klingt es:

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Ultrasaw

Beim Rechteck gibt es einen Regler für die manuelle Einstellung der Pulsbreite. Über eine Patch-Verbindung lässt sie sich per LFO oder Hüllkurve modulieren.

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PWM

Beim Dreieck wartet der geheimnisvolle „Metalizer“, eine Art Fluxkompensator mit enorm hohem Warp-Faktor. Er „faltet“ die Schwingung und erzeugt obertonreiche, metallische Spektren, die für bissige, durchsetzungsfähige Klänge sorgen und manchmal fast nach einem digitalen Synthesizer klingen (das ist hier ausdrücklich positiv gemeint!). So klingt es, wenn man das „Metalizer“-Poti langsam aufdreht:

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Metalizer

Der Metalizer ist zu Modulationszwecken mit der Envelope verbunden, ohne dass man dafür eine Steckverbindung herstellen müsste. Das heißt, er wird von der Hüllkurve beeinflusst, wenn man in der EG-Sektion den „ENV Amt“-Regler aufdreht. Wird in eine der betreffenden Patch-Buchsen ein Kabel gesteckt, so wird diese Verbindung unterbrochen und man kann den Metalizer z.B. auch per LFO modulieren. Hier ein Beispiel dafür, was man allein mit Metalizer und Hüllkurve so alles machen kann. Dieser Sound kommt nur von der Dreieckschwingung – Filter, „Brute Factor“ und alles andere haben wir noch gar nicht angefasst.

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Metalizer ENV

Overtone

Ganz links in der Oszillatorsektion warten die beiden Potis der „Overtone“-Abteilung, die beim MicroBrute an die Stelle des Suboszillators des MiniBrute tritt. Dahinter verbirgt sich eine Rechteckschwingung, die bei ganz nach links gedrehtem Poti „Sub > Fifth“ eine Oktave unter dem VCO klingt. Der Sub des MiniBrute bietet auch eine Sinusschwingung und eine zweite Oktave – auf beides muss man hier verzichten. Stattdessen kann „Overtone“ auch eine Quinte über dem VCO klingen und man kann per Poti oder LFO/EG-Modulation auf das Verhältnis zwischen tiefer Oktave und Quinte Einfluss nehmen. Heraus kommen Klänge, die man einem „normalen“ Suboszillator eben nicht entlocken kann.
Im nächsten Beispiel ist nur die Overtone-Sektion zu hören, die drei anderen VCO-Schwingungsformen sind aus. Per Poti und LFO wird „Overtone“ moduliert. Das ist nun wirklich mal ein Sub der etwas anderen Sorte und eine echte Bereicherung. In Kombination mit den anderen Schwingungsformen erweitert „Overtone“ die klanglichen Möglichkeiten jedenfalls beträchtlich und sorgt dafür, dass das Klangmaterial trotz des Fehlens eines zweiten, “richtigen” VCO nicht so bald zu Ende geht.

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Overtone
Der MicroBrute hat nur einen VCO, aber trotzdem jede Menge klangliche Möglichkeiten
Der MicroBrute hat nur einen VCO, aber trotzdem jede Menge klangliche Möglichkeiten

Filter

Verlassen wir nun die Oszillator-Abteilung und werfen einen Blick auf das Filter. Schon beim MiniBrute machte Arturia hier einiges anders als die meisten anderen Hersteller moderner Analogsynthesizer und baute eben nicht zum hundertsten Mal das Moog-Filter nach. Stattdessen haben die Brute-Synths ein Multimodefilter nach Art des heute kaum bekannten Steiner-Parker Synthacon, der in der Synthesizergeschichte eine Randnotiz blieb. Das resonanzfähige Filter weist eine Flankensteilheit von 12dB/Okt. auf und bietet beim MicroBrute die Typen Tiefpass, Bandpass und Hochpass. Hier ein paar Filterfahrten mit einer Sägezahnschwingung und verschiedenen Resonanz-Einstellungen:

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Filter LP Filter BP Filter HP

Der Sound ist schon ein anderer, als man ihn von all den Ladder-Imitaten gewohnt ist. Mit der eher flachen Flankensteilheit packt das Filter bei moderater Resonanz nicht ganz so entschlossen zu. In der Selbstoszillation kreischt es manchem hingegen vielleicht ein bisschen zu rüpelhaft. Ganz so kultiviert und seidig wie etwa bei einem Moog geht es hier jedenfalls nicht zu, aber das macht das Filter meiner Ansicht nach nicht unbedingt schlechter. Es trifft sicherlich nicht jeden Geschmack und so mancher knackige Synth-Bass würde zweifelsohne von einer höheren Flankensteilheit profitieren – ich persönlich mag es aber und finde vor allem toll, dass jemand mal ein Filter baut, das einfach ein bisschen anders ist. Wie beim Oszillator geht Arturia hier einen eigenen Weg und versucht nicht einfach, Bewährtes zu kopieren. Gerade von einem Hersteller, dessen Name so untrennbar mit Software-Imitaten von Synthesizerlegenden verbunden ist, hätte man so viel Eigenständigkeit gar nicht erwartet.
Hinter dem namensgebenden „Brute Factor“ verbirgt sich ein Feedback-Loop, der den Sound bei moderaten Settings etwas aufrauht. Bei stärker aufgedrehtem Poti treten teils heftige Verzerrungen auf den Plan. Dabei hat der „Brute Factor“ schon leicht grenzdebil-gewalttätige Züge und besonders in Kombination mit viel Resonanz führt sein Einsatz häufig zu gänzlich unerwarteten Ergebnissen und einer ordentlichen Portion Chaos.  

Modulationen

Der LFO bietet die Schwingungsformen Dreieck, Sägezahn (fallend) und Rechteck und lässt sich auf Wunsch zum Sequencer und damit auch zu einer MIDI-Clock synchronisieren. Im Sync-Modus steuert das Rate-Poti den Notenwert im Verhältnis zur Clock. Wenn im Patchfeld kein Kabel in der LFO-Buchse steckt, beeinflusst der LFO die Tonhöhe. Mittels Patch-Verbindungen kann man ihn alternativ auf den Filter-Cutoff, die Pulsbreitenmodulation, den Metalizer, „Supersaw“ oder die Sub-Fifth-Überblendung routen. Die Stärke der Modulation wird durch das Amount-Poti bestimmt und lässt sich dem Modulationsrad zuweisen. Dieses kann wahlweise auch direkt den Filter-Cutoff steuern. Damit sind die LFO-Intensität und der Cutoff zugleich die einzigen unmittelbaren Klangparameter, die ohne Zuhilfenahme eines MIDI-to-CV-Konverters von außen per MIDI beeinflusst werden können.
Die ADSR-Envelope ist fest mit dem Filter-Cutoff verdrahtet, wo sie über ein Poti positiv oder negativ zum Einsatz kommen kann. Steht der VCA-Schalter auf „ENV“, so steuert sie zusätzlich die Lautstärke. Darüber hinaus kann die Hüllkurve über das Patchfeld bei Bedarf auf eines der übrigen sechs Modulationsziele geroutet werden, wobei die Intensität dieser Modulation über ein zweites „ENV Amt“-Poti in der Envelope-Sektion geregelt wird. Über die Editorsoftware lässt sich das Legato-Verhalten der Envelope einstellen.
Dank der Kombination einiger fest verbundener Routings mit dem kleinen, aber wirkungsvollen Patchfeld sind die Modulationsmöglichkeiten erfreulich vielseitig. Wenn man den Pitch-CV-Ausgang an der Rückseite mit einbezieht, kann man über das Patchfeld zum Beispiel auch Keytracking-Effekte etwa für den Metalizer oder die Sub-Überblendung erzielen. Außerdem eignet sich die kleine Steckmatrix dazu, den MicroBrute auf verschiedenste Weisen mit anderen CV-fähigen Synthesizer(modulen) zu verkabeln. Ich finde dieses Konzept klasse – auf der einen Seite bekommt man einen kompakten Synthesizer, den man sich unter den Arm klemmen und einfach spielen kann. Gleichzeitig bietet der MicroBrute erfreulich viel Freiraum für Experimente in Verbindung mit anderem analogen Equipment. Alles richtig gemacht, würde ich sagen.
Das Schrauben am MicroBrute macht viel Spaß, weil es sehr direkt ist und der Synth immer kräftig, durchsetzungsstark und ein bisschen ungezügelt klingt. Hinzu kommt das urtümliche Patchen im Steckfeld, das manchmal unerwartete Ergebnisse hervorbringt und sich wunderbar analog anfühlt. Die Kleinen müssen ja immer am lautesten schreien, und das kann der MicroBrute hervorragend. Wie der ältere Bruder wirkt er ein bisschen wie der leicht ungepflegte Außenseiter mit den Sommersprossen und der Rotznase, der beim Fußball nicht mitspielen darf, aber am geschicktesten Äpfel klaut und beim Kirschkernweitspucken immer gewinnt. Er mag vielleicht keine drei Oszillatoren und kein Highend-Filter haben, aber dafür besitzt er jede Menge Charakter und vorlaute Eigenständigkeit. Großes Kino für einen Synth, der gerade einmal knapp 300 Euro kostet, finde ich. Ich hege große Sympathien für solche Konzepte: Lieber etwas weniger Funktionen, dafür aber schnelle, klanglich meistens überzeugende Ergebnisse und jede Menge Spaß. Dafür bin ich gern bereit, auf Luxus wie Speicherplätze und MIDI-Übertragung von Reglerbewegungen zu verzichten – andere werden das anders sehen und gute Gründe dafür haben. Doch hört am besten selbst:

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Bass Sequence Detuned Sequence Overtone Pad Bass LFO Mayhem

Sequencer

Der MicroBrute verfügt über einen kleinen Stepsequencer mit acht Patterns, zwischen denen man per Drehschalter wechseln kann. Jedes Pattern kann bis zu 64 Steps umfassen, auch beliebige „ungerade“ Pattern-Längen sind kein Problem. Das Tempo wird mit dem Rate-Poti eingestellt, getappt oder von einer MIDI-Clock vorgegeben. Mit einem Schalter versetzt man den Sequencer in den Aufnahmemodus und kann dann einfach die gewünschten Noten nacheinander eingeben. Pausen lassen sich mit einem Druck auf den Tap-Button einfügen. Danach wechselt man in den Play-Modus und kann das Pattern per Tastendruck „abfeuern“, wobei es beim Spielen verschiedener Tasten transponiert wird. Das ist einfach und effektiv und mal etwas anderes als ein klassischer Arpeggiator, wie man ihm zum Beispiel beim MiniBrute vorfindet. Übrigens ist es auch möglich, Patterns mit einer einfachen Syntax in einem Texteditor zu programmieren und dann per Editorsoftware in den MicroBrute zu laden. Dieser eigentlich eher „unmusikalische“ Programmierprozess kann zu sehr interessanten Ergebnissen führen.

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Sequence 1 Sequence 2 Sequence 3

Über die Editorsoftware bekommt man Zugriff auf einige weitere Sequencer-Einstellungen. Zunächst einmal gibt es hier einen Hold-Schalter, der für eine kontinuierliche Wiedergabe eines Patterns sorgt. Hierfür hätte ich mir einen Hardware-Switch am Instrument selbst gewünscht, damit man mal eben ein Pattern „festhalten“ und mit beiden Händen schrauben kann. Außerdem kann man das Retrigger-Verhalten des Sequencers wählen, also ob das Pattern beim Spielen einer weiteren Note von vorne losläuft oder mit dem gerade erreichten Step weitermacht. Auch das Verhalten beim Wechsel von Patterns und die Step-Länge in musikalischen Unterteilungen des Clock-Signals lassen sich festlegen. In einem analogen Umfeld besonders interessant ist aber die „Step On Gate“-Einstellung, die es erlaubt, die Steps nicht per Clock, sondern mit eingehenden Gate-Impulsen weiter zu schalten. So hört der Sequencer bei Bedarf auch auf analoge Taktgeber wie etwa einen LFO und die Tür ist weit offen für Experimente, zum Beispiel Step-Geschwindigkeiten jenseits der Grenze zum hörbaren Bereich.

Der Software Editor bietet Zugriff auf erweiterte Einstellungen
Der Software Editor bietet Zugriff auf erweiterte Einstellungen

Software Editor

Die MicroBrute Connection Software von Arturia ist als kostenloser Download erhältlich und läuft auf Mac und PC. Das Programm ist natürlich kein kompletter Editor zur vollständigen Programmierung des Synths, bietet aber Zugriff auf einige Settings, die sich nicht am Instrument selbst einstellen lassen. Neben den erwähnten erweiterten Parametern für Sequencer, LFO und EG findet man hier Einstellmöglichkeiten für die Noten-Priorität (höchste, tiefste, neueste), die Velocitykurve (wobei das nur die über USB versendeten MIDI-Noten betrifft – die Klangerzeugung reagiert nicht auf Velocity), den MIDI-Kanal und die Bend-Range, die man im Gegensatz zum MiniBrute nicht direkt am Instrument einstellen kann. Auch der Sync-Modus kann hier gewählt werden (External, Internal und automatisch). Praktisch ist weiterhin die Möglichkeit, die Sequencer-Patterns auf dem Computer zu sichern und bei Bedarf wieder in den MicroBrute zu laden.

MicroBrute vs. MiniBrute

Dass der MicroBrute nicht einfach bloß ein „MiniBrute light“ ist, ist im Verlauf dieses Tests schon deutlich geworden. Zwar fehlen ihm ein paar Bausteine des größeren Bruders – die zweite Hüllkurve, der Rauschgenerator, der Notch-Filteryp, der Sinus-Suboszillator, die zusätzlichen LFOs für Vibrato und Ultrasaw und der Arpeggiator, um die wichtigsten zu nennen. Zum Teil wird das aber durch interessante Neuerungen kompensiert, die man wiederum beim MiniBrute vergeblich sucht: Den neuen „Overtone-Sub“, den programmierbaren Stepsequencer und die erweiterten CV-Fähigkeiten durch das Patchfeld gibt es nur beim MicroBrute, der damit auch für MiniBrute-Besitzer interessant wird. Ich bin fast geneigt zu sagen, dass man tatsächlich beide Synths gebrauchen kann, sofern man den Brute-Sound grundsätzlich mag. Die moderaten Preise rücken das auch in den Bereich des Möglichen – die 300 Euro für den MicroBrute möchte ich angesichts des Sounds sogar als echtes Schnäppchen bezeichnen.

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Fazit

Der Arturia MicroBrute mag ein kleiner Synthesizer sein, doch wer ihn unterschätzt, begeht einen Fehler. Er hat einen tollen, direkten und eigenständigen Sound, ein inspirierendes (weil einfaches) Bedienkonzept und einen enorm hohen Spaßfaktor. Zwar verzichtet der Synth auf einige wichtige Features des größeren MiniBrute – vor allem die zweite Hüllkurve und den Rauschgenerator vermisst man schon manchmal, und die Minitasten sind auch nicht jedermanns Sache – aber dafür bringt er eine Reihe von Neuigkeiten mit, die man schon nach kurzer Zeit nicht mehr missen möchte. Der innovative Sub/Fifth-Oszillator sorgt für ein erweitertes Klangspektrum, der programmierbare Sequencer ist leicht zu bedienen und flexibler als ein Arpeggiator, und das Patchfeld bietet vielseitige CV-Anschlussmöglichkeiten zur Integration in ein modulares Setup. Am besten gefällt mir aber, dass er genau wie der MiniBrute ein bisschen anders ist als die meisten Konkurrenten und mit seinem eigenwilligen Oszillator und dem seltenen Filterdesign frischen Wind in den Synthesizer-Fuhrpark bringt. Angesichts des Kampfpreises von knapp 300 Euro freue ich mich, hier mal von Herzen eine Kaufempfehlung aussprechen zu können.  

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • kraftvoller, eigenständiger Analogsound
  • flexibler Oszillator mit simultan nutzbaren Schwingungen
  • Overtone-Oszillator
  • Multimodefilter mit Brute-Factor
  • programmierbarer, leicht bedienbarer Stepsequencer
  • viel umfangreichere CV/Gate-Konnektivität als der MiniBrute
Contra
  • kein Rauschgenerator
  • nur eine Hüllkurve
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Arturia MicroBrute Test
Für 279,00€ bei
Für knapp 300 Euro ist der Arturia MicroBrute ein echtes Schnäppchen
Für knapp 300 Euro ist der Arturia MicroBrute ein echtes Schnäppchen
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