In diesem Workshop geht es um ein kleines, aber mächtiges Werkzeug, welches dir helfen kann, die eine oder andere Bassline gehörig aufzupeppen: Dead Notes auf dem Bass. Dead Notes (auch: Ghost Notes) wirken zwar zunächst unscheinbar, können aber – richtig eingesetzt – eine enorme Wirkung entfalten und den Flow deiner Grooves massiv verbessern! Wir wollen uns in diesem Workshop ausschließlich auf Dead Notes bei der Fingerstyle-Technik konzentrieren.
Dead Notes – Definition
“Was ist eine Dead Note?”
“Dead Note” bedeutet wörtlich übersetzt “tote Note”, und es gibt auf nahezu jedem Instrument eine Spieltechnik, wie man Dead Notes erzeugen kann. Dead Notes sind also keineswegs nur auf Saiten- oder Schlaginstrumente beschränkt!
Mitunter wird anstelle von “Dead Note” auch der Begriff “Ghost Note” (“Geisternote”) verwendet. Beide Übersetzung sind jedoch nicht gerade elegant und zutreffend. Eigentlich ist nämlich in erster Linie eine Note gemeint, welche keine eindeutige Tonhöhe besitzt. Ohne diese bleibt vom gespielten Ton lediglich der perkussive Anteil übrig – in Fall eines Saiteninstrumentes ist dies in erster Linie das Anschlagsgeräusch!
Dead Notes – Notation
Notiert werden Dead Notes als kleines Kreuz bzw. “X”. Da sie keine Tonhöhe besitzen, werden sie zumeist als die Leersaite notiert, auf der sie angeschlagen werden. Das ist die eigentlich korrekte Art der Notation und sieht folgendermaßen aus:
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Allerdings birgt diese Schreibweise auch ein paar Probleme: Befinden wir uns in einer Tonart, in der unsere Leersaiten E, A, D, G durch Vorzeichen verändert werden, so müssen die Dead Notes jedes Mal mit Auflösungszeichen dargestellt werden. Das führt zu einem ziemlich undurchsichtigen Notenbild, wie dieses Beispiel in der Tonart Ab-Dur zeigt:
Daher werden Dead Notes auch häufig als die Note aufgeschrieben, über der sich die Hand gerade beim Greifen befindet. Das macht zwar mehr Sinn und ergibt eine saubere Notation, allerdings weiß man nicht, auf welcher Saite sie gespielt werden sollen. Dass dies einen großen Unterschied macht, sehen wir später noch.
Beide Notationsweisen besitzen also ihre Vor- und Nachteile – für uns ist es wichtig zu wissen, dass sie uns beide im Bassistenalltag über den Weg laufen können. Ich verwende in diesem Workshop die Variante Nummer 1 und notiere die Dead Notes als Leersaiten.
Spieltechnik bei Dead Notes auf dem Bass
Bei dieser Technik gibt es im Grunde nicht sehr viel zu beachten, denn der Unterschied zu gegriffenen Noten ist relativ gering. Für die Anschlagshand ändert sich rein gar nichts, und in der Greifhand lassen wir den greifenden Finger los, bleiben jedoch nach wie vor auf der Saite liegen, denn wir wollen sie ja abdämpfen.
Wenn möglich, nehmen wir auch alle anderen Finger dafür zur Hilfe. Auf diese Weise stellen wir sicher, dass keine unerwünschten Geräusche, wie z.B. Flagoletts entstehen. In diesem Video kannst du das gut sehen:
Der entscheidende Punkt ist die Koordination mit der Anschlagshand. Die entscheidende Frage lautet: Wann schlage ich an und greife den Ton, und wann schlage ich an und dämpfe den Ton ab? Dieses Wechselspiel muss absolut rund vonstatten gehen!
Um dies zu erreichen, habe ich nachfolgend ein paar Basisübungen für euch, die sich gezielt mit der Koordination zwischen rechter und linker Hand beschäftigen. Nicht alle, aber einige davon davon habe ich für euch zum besseren Verständnis aufgenommen. Sucht euch am besten jeden Tag verschiedene Übungen aus, je nach Zeit und Lust!
Bass spielen mit Dead Notes: Wirkung und Zweck
Die Wirkung der Dead Notes liegt auf der Hand: sie erzeugen einen perkussiven Effekt, sind aber aufgrund der mangelnden Tonhöhe deutlich subtiler als gegriffene Noten. Diese Unterschiede in der Lautstärke nennt man Dynamik ‑ und die ist in Musik eigentlich nie verkehrt!
Neben Dynamik besitzen Dead Notes einen weiteren positiven Effekt: Diesmal meine ich nicht die Musik an sich, sondern uns selbst. Durch das subtilere Auftreten ermöglichen uns die Dead Notes, mehr Elemente aus kleineren rhythmischen Unterteilungen (z.B. Sechzehntel) in unser Spiel zu integrieren. Das gibt uns Sicherheit und kann uns enger mit den Drums verknüpfen!
Beispielgrooves mit Dead Notes
Nehmen wir uns einen einfachen Fingerstyle-Funkgroove und würzen ihn mit ein paar Dead Notes. So klingt unsere Bassline, die uns als Ausgangspunkt dient:
Mit ein paar Dead Notes bringen wir nun im nächsten Schritt etwas zusätzliche “Perkussion” ins Spiel und verleihen uns gleichzeitig mehr rhythmische Sicherheit, da wir Elemente aus dem zugrunde liegenden Sechzehntelraster einbinden. Es macht allerdings Sinn, die Dead Notes nicht willkürlich immer dort zu spielen, wo gerade Platz ist. Besser ist, wenn sie eine gegriffene Note vorbereiten (siehe PDF):
Fügen wir nun abermals etwas mehr Dead Notes hinzu, klingt das schon nach einem richtigen Fingerstyle-Funkgroove. Auch hier dienen die Dead Notes wieder dazu, eine Note vorzubereiten:
Wie schon angesprochen, sind Dead Notes etwas subtiler in ihrem Auftreten. Daher eignen sie sich auch hervorragend, etwas zu dichte und vordergründige Basslines auszudünnen. Hier ist ein melodischer Finger-Groove, der etwas an Jaco Pastorius erinnert.
Die prinzipielle Idee ist sicher gut, aber irgendwie sind es dann doch zu viele Noten und die Bassline wirkt zu dominant. Ersetzt man einige Noten durch Dead Notes, kann man das Ganze auf das rechte Maß zurechtstutzen. Zudem ist die Bassline dadurch deutlich luftiger, dynamischer und funkiger:
Dead Notes auf anderen Saiten des E-Basses
Dead Notes sind nicht gleich Dead Notes, es kann tatsächlich entscheidend sein, auf welcher Saite sie gespielt werden! Das hängt zum einen vom jeweiligen musikalischen Kontext bzw. der Bassline ab, zum anderen davon, welche Wirkung ich erzielen möchte bzw. welchen Zweck ich mit den Dead Notes verfolge.
Sehr gut lässt sich dies anhand einer Walking-Bass-Figur zeigen. Die Dead Notes dienen hier als kleine Verzierungen, um die Viertelnoten der Figur etwas aufzulockern. Im ersten Beispiel spiele ich simple Viertel, im zweiten die Dead Notes auf derselben Saite (A-Saite) wie die gegriffenen Noten, und im dritten Beispiel spiele ich die Dead Notes auf der nächst höherliegenden Saite (D-Saite).
Variante 2 klingt im Vergleich richtiggehend “grob” und eher nach einem Rock-Shuffle. Variante 3 ist viel eleganter, in ihr kann ich meinen Finger auf der A-Saite liegen bzw. die Töne länger klingen lassen und es wirkt deutlich authentischer. Kleiner Unterschied, große Wirkung; auf welcher Saite die Dead Notes gespielt werden, ist hier das Zünglein an der Waage!
Hier noch einmal das Ganze im Video:
Bei funky Grooves kommen häufig mehrere Dead Notes hintereinander vor, was zu einer gewissen Monotonie und Banalität führen kann, wenn man alle auf einer Saite spielt. Hört man sich z.B. Jaco Pastorius an, so stellt man schnell fest, dass seine Basslines stets unglaublich dynamisch sind. Ein nicht unwesentlicher Faktor ist dabei die Verteilung der Dead Notes auf verschiedene Saiten. Dadurch entstehen unterschiedliche Sounds und Lautstärken. Im folgenden Beispiel befinden sich die Dead Notes immer auf zwei gegenüberliegenden Saiten und sorgen so für den angesprochenen Effekt.
Und hier das Ganze im Video:
Dead Notes als Unterstützung eines Feels
Mit Dead Notes lässt sich wunderbar auf subtile Art und Weise ein Feeling in den Groove implizieren, welches sich eventuell in einer kleineren rhythmischen Ebene befindet als unsere Bassline. Das klingt vielleicht zunächst verwirrend, ist aber im Grunde ganz einfach!
Nehmen wir z.B. unseren Walking Bass von vorhin. Hier spielen wir in der Regel erst einmal nur Viertelnoten, das typische Swing-Feeling entsteht aber “eine Etage tiefer” auf der Achtelebene. Möchte ich dieses Swing-Feeling ab und zu andeuten, aber gleichzeitig nicht zu aufdringlich werden lassen, sind Dead Notes (am besten von einer Saite tiefer oder höher) eine gute Wahl.
Beliebt ist dieser Trick auch im Neo Soul, Hip Hop, R&B etc., da hier gerne Grooves mit Swingfeeling gespielt werden. In dieser 6/8-Ballade werden die Achtelnoten noch einmal in Sechzehntel unterteilt, die mit einem Swingfeeling gespielt werden. Die zweite Sechzehntel kommt dabei später – wie spät sie gespielt wird, hängt von der jeweiligen Interpretation ab. Die Dead Notes deuten hier auch wieder dieses Feeling an, während die eigentlich Bassline mit gegriffenen Tönen eine Ebene höher (Achtel) stattfindet.
Ich hoffe, ich konnte verdeutlichen, dass Dead Notes zwar ein kleines, aber auch ein sehr mächtiges Tool sein können. Ich wünsche euch viel Spaß mit euren eigenen Dead-Note-Experimenten!
Bis bald, euer Thomas Meinlschmidt