Retro Synth Bass Sounds, die uns direkt in die 80er Jahre katapultieren, sind aktuell wieder voll im Trend. Egal ob im Indie-Bereich bei Bands wie She Past Away oder im Mainstream-Pop à la The Weeknd – retro Synth Bass Klänge im Stil von Blue Monday sind überall zu hören. Doch wie klingt dieser Sound auch im Jahr 2025 modern und frisch?

Der Grundaufbau einer Synth-Bassline hat sich in den letzten 40 Jahren kaum verändert: Man nehme einen Sequencer oder Arpeggiator und bespielt damit (Vintage-)Synth. Was sich allerdings deutlich weiterentwickelt hat, sind Produktionstechniken und Sounddesign. Gerade im Bassbereich erwarten Hörer*innen heute mehr Präsenz und Frequenztiefe als in den 80ern.
In diesem Tutorial erstellen wir in fünf Schritten eine Synth-Bassline, die den modernen Anforderungen gerecht wird, dabei aber ihren Retro-Charakter nicht verliert. Die Soundbeispiele wurden in Ableton mit Serum 2 erstellt, aber alle Schritte lassen sich problemlos auf Hardware- oder Software-Synths mit mindestens zwei Oszillatoren übertragen. Für den passenden Kontext sorgt ein Beat aus LinnDrum-Samples.
1. Die Basis des Synth Bass
Bevor wir mit der eigentlichen Melodie in der Piano Roll oder dem Step-Sequencer loslegen, wird zunächst die Grundlage für unseren Bass-Sound benötigt. Dieser Grundklang wird in den kommenden Schritten weiter verfeinert, bis am Ende ein satter retro Synth Bass steht.
Oszillatoren als Ursprung
Anders als bei modernen Hip-Hop-Bässen wollen 80s-Synthbässe nicht nur durch Subfrequenzen überzeugen, sondern vor allem durch ihren melodischen Charakter. Entscheidend dafür ist die Wahl der richtigen Wellenformen an den Oszillatoren. Wir brauchen Formen, die sowohl ein solides Fundament im Tiefbass liefern als auch genug Obertöne mitbringen, damit sich der Sound im Mix behauptet.
Eine Faustregel: Je kantiger die Wellenform, desto mehr Obertöne enthält sie. Deshalb wählen wir für unseren ersten Oszillator eine Pulswelle. Sie bietet reichlich Obertöne, klingt aber nicht zu harsch – im Gegensatz zur Sägezahnwelle bleibt sie ausgewogen und liefert zusätzlich solide Mitten und Bassanteile. Unser zweiter Oszillator übernimmt eine Dreieckswelle, die im Bassbereich besonders rund und druckvoll klingt. Durch ihre spitze Form erinnert sie ein wenig an eine leicht angezerrte Sinuswelle – ideal für das Fundament. Damit der Klang noch massiver wird, stimmen wir diesen zweiten Oszillator eine Oktave tiefer. Danach passen wir die Lautstärkeverhältnisse zwischen beiden Oszillatoren an – und schon steht das Fundament unseres Retro-Basses.
Filter für die Form
Als Nächstes widmen wir uns dem Filter. Für einen klassischen Synth Bass setzen wir auf einen Lowpass-Filter, wie er in nahezu jedem Synth vorhanden ist. Je nach Geschmack ist ein 12 dB (weicher) oder 24 dB (prägnanter) Filtermodell passend. Der Lowpass entfernt die Höhen – perfekt, um den Bassbereich in den Fokus zu rücken.
Damit unser Sound trotzdem im oberen Frequenzbereich durchsetzungsfähig bleibt, modulieren wir die Filterfrequenz mit einer Hüllkurve – idealerweise der gleichen, die auch für die Lautstärke (Amp Envelope) verwendet wird. Das sorgt dafür, dass der Klang bei jedem Anschlag hell und präsent startet und dann weich und bassig ausklingt. Für diesen Effekt stellen wir Attack auf 0, Decay auf etwa 1/2, Release eher kurz und Sustain niedrig. So erhalten wir einen bouncigen, druckvollen Klang.
Die Modulationstiefe – also wie stark die Filterfrequenz durch die Hüllkurve bewegt wird – sollte im mittleren Bereich liegen. Je höher die Modulationstiefe, desto aggressiver und offener klingt der Sound. Hier entscheidet euer Geschmack und das Ziel eures Tracks.
Jetzt geben wir eine erste 2-Bar-Sequenz in den Step-Sequencer oder die Piano Roll ein – und schon klingt unser erster Synth-Bass ziemlich amtlich. Hier das Ergebnis – einmal solo:
einmal mit Drums für den Kontext:
Wer sich mit den Begriffen und Funktionen der subtraktionen Synthese noch schwer tut, kann hier nochmal nachlesen:

Hier erfahrt ihr alles über die Grundlagen der subtraktiven Synthese.
2. Die Sequenz ausbauen
Bevor es weiter um Sounddesign geht, kümmern wir uns erst um die Midispur. Denn so sehr der retro Synth Bass von Wiederholungen der Sequenzer leben, sorgen kleine Variationen für den benötigten funkigen, tanzbaren Charakter. Wir beginnen damit, unsere ursprüngliche 2-Bar-Sequenz auf 8 Bars zu duplizieren. Dadurch gewinnen wir mehr Fläche, um gezielte Akzente zu setzen, ohne die Grundidee zu verlieren.
Stille als Groove Element
Der erste Trick aus der Groove-Toolbox ist Stille. Gezielt gesetzte Pausen – sogenannte Pockets – durchbrechen Erwartungen und schaffen Raum für andere Elemente wie Drums oder Percussion. Das sorgt für Spannungsbögen, welche wiederum zum Tanzen bewegen.
Inspiriert vom Funk der 70er Jahre bietes es sich an, diese Pockets beispielsweise auf die 3 oder 4 eines Takts zu setzen – jedoch lohnt es sich kreativ zu werden. Einfach ausprobieren: Einzelne Steps löschen, anhören, neu bewerten. Sobald ein paar Varianten gefunden wurden, werden diese in die 8-Bar-Sequenz implementiert. Bei dieser Länge reichen ein bis zwei Pockets, mehr können wir später in der nächsten 8-Bar-Passage unterbringen, usw.
Wichtig dabei: Nicht übertreiben – die Ursprungsidee soll erkennbar bleiben. Es geht um Ergänzung, nicht um komplette Neugestaltung.
Oktavsprünge für die Dynamik
Im nächsten Schritt bringen wir Bewegung ins Oktavspektrum. Manche Noten einer Melodie wollen einfach mehr Aufmerksamkeit – ein einfacher, aber wirkungsvoller Trick ist es, einzelne Töne eine Oktave nach oben zu verschieben.
Dank der Oszillatoreinstellungen aus Schritt 1 bleibt unser Bass auch eine Oktave höher noch druckvoll und präsent. Auch hier hilft Ausprobieren: Wir setzen Oktavsprünge punktuell an markante Stellen – nach dem gleichen Prinzip wie bei den Pockets – und erhalten eine abwechslungsreiche Bassline, die aber trotzdem ihre ursprüngliche Form beibehält.
3. Synth Bass individualisieren
Nachdem die Basis steht, geht es nun an den Feinschliff. Viele Synthesizer – ob Hard- oder Software – bieten zusätzliche Funktionen, mit denen sich der Sound gezielt veredeln lässt. Um den Retro-Charakter zu bewahren, lohnt es sich, auf klassische Techniken zurückzugreifen, wie sie auch in den analogen Vorbildern der 80er Jahre zu finden sind.
Frequenz Modulation
Ein spannender Ansatz ist die Frequenzmodulation (FM) zwischen den Oszillatoren. In unserem Fall moduliert OSC 1 (Pulswelle) die Tonhöhe von OSC 2 (Dreieck, eine Oktave tiefer). Wichtig dabei: Die FM-Intensity so einstellen, dass der Sound tonal kontrollierbar bleibt. Durch diese Art der Modulation entstehen zusätzliche Obertöne, die bei stärkerem Einsatz metallisch oder sogar „glitchy“ wirken können. Im subtilen Bereich entsteht jedoch genau das gewisse Etwas – ideal für dunkle, leicht raue Sounds mit Vintage-Flair, wie man sie aus Darkwave oder Industrial kennt.
Pulsweitenmodulation (PWM)
Wenn mit einer Pulswelle gearbeitet wird, sollte PWM auf keinen Fall fehlen. Dabei wird die Pulsbreite moduliert – am besten mit einem LFO. Das sorgt für Bewegung im Klang und verleiht dem Bass eine warme, analoge Note. Gerade in Verbindung mit einem langsamen LFO entsteht ein charakteristisches „Wabern“, das viele retro Synths aus den 80ern geprägt hat.
Unison Stimmen
Ein weiterer Trick: die Polyphonie einzelner Oszillatoren erhöhen. Viele virtuelle Synths erlauben es, mehrere leicht verstimmte Stimmen gleichzeitig pro Oszillator zu spielen – sogenanntes Unison oder Voice Stacking. Für einen Basssound sollte das vorsichtig dosiert werden, um die Durchsetzungskraft im Mix nicht zu verlieren. Wird zum Beispiel nur der Pulswellen-Oszillator (OSC 1) auf fünf Stimmen gestellt und leicht gegeneinander verstimmt, entsteht ein breiter, aber immer noch klarer Sound. Die tiefer gestimmte Dreieckswelle sorgt weiterhin für ein solides Low-End. So lässt sich der Sound etwas größer und runder gestalten – ohne ihn zu verwässern.
4. Layering
Ein gut gebauter retro Synth Bass kann auch allein schon überzeugen. Für Produktionen, die heutigen Hörgewohnheiten gerecht werden sollen, lohnt sich aber oft ein wenig mehr Substanz. Layering, also das Übereinanderlegen mehrerer Stimmen, ist eine bewährte Methode, um einen Bass voller und definierter wirken zu lassen – ohne den retro Sound zu verlieren.
Layer 1
Unsere erste Layer ist denkbar einfach und effektiv. Der Hauptbass-Sound wird dupliziert und die gesamte Melodie eine Oktave höher transponiert. In höheren Lagen tragen die gleichen Noten deutlich mehr zur Präsenz im Mix bei.
Ein EQ mit einem Lowcut bei ca. 300–500 Hz sorgt dafür, dass sich die beiden Bassspuren im unteren Bereich nicht in die Quere kommen. Im nächsten Schritt pegeln wir die Layer ein bis der Sweet Spot gefunden ist. Ziel ist es nicht, einen zweiten Synth zu erzeugen, sondern den Hauptbass subtil zu unterstützen.
Optional: Falls in der Hauptsequenz Oktavsprünge enthalten sind (Schritt 2), kann es hilfreich sein, diese im Layer rückgängig zu machen – gerade in höheren Frequenzbereichen wirken diese oft unruhig oder übertrieben.
Layer 2
Unsere zweite Layer dient nicht der Fülle, sondern der Fokussierung: Hier werden einzelne, besonders prägnante Noten der Bassline (z. B. Oktavsprünge oder synkopierte Betonungen) herausgegriffen und separat gespielt. Dafür eignet sich ein leicht modifizierter Patch auf Basis des Originals – mit etwas veränderten Wellenformen, eventuell einer zusätzlichen Oktave, aber ähnlichem Envelope-Verlauf.
In unserem Beispiel kommt eine Mischung aus Pulswelle mit PWM und einer Sägezahnwelle, die eine Oktave nach oben transponiert ist, zum Einsatz. Die Release-Zeit wird etwas verlängert, um den Noten mehr Raum zu geben. Auch hier empfiehlt sich ein Lowcut, damit der Layer sich harmonisch in den Mix einfügt, ohne den Bassbereich zu überfrachten.
Die Lautstärke des zweiten Layers bleibt niedrig – das Ziel ist eine subtile Betonung, kein eigener Synth-Part. Wenn er richtig sitzt, fällt er kaum auf – aber der Groove wirkt präziser, lebendiger und vor allem: moderner.
Layering kann schnell zu einem verwaschenen Klangbild führen – gerade im Bassbereich. Mit gezieltem EQing und klarem Mixing-Verständnis lässt sich das aber gut kontrollieren. Entscheidend ist die Perspektive: Layer sind Ergänzungen, keine neuen Instrumente. Sie sollen den Hauptsound stützen – nicht ersetzen.
5. Effekte für den retro Charme
Der Sound steht, die Sequenz groovt – Zeit für die Details. Mit gezielt eingesetzten Effekten lässt sich der Basssound abrunden, modernisieren oder weiter in Richtung Vintage formen. Auch hier gilt: Weniger ist mehr. Gerade bei Bass-Sounds entscheidet oft die Dosierung über Erfolg oder Matsche.
Ich habe mich bei diesem Schritt an Effekten orientiert, die bereits in den 80ern eine Rolle gespielt haben – entweder als Hardware oder als stilprägende Elemente in Produktionen. Wer digital arbeitet, kann auf Vintage-inspirierte Plugins zurückgreifen, muss es aber nicht. Auch mit den Bordmitteln der DAW lässt sich ein authentischer Sound erzielen.
Chorus, der 80s Klassiker
Wohl kaum ein Effekt prägt den Klangcharakter von 80s-Synths so sehr wie der Chorus – allen voran der berühmte Juno-106-Sound. Chorus-Effekte verdoppeln das Eingangssignal leicht verstimmt und zeitlich versetzt. Das Ergebnis: ein schwebender, warmer Sound, der sich besonders bei statischen Bassnoten bezahlt macht.
Saturation, Wärme und Charakter
Ein bisschen Saturation kann dem retro Synth Bass richtig gut tun – vor allem, wenn es darum geht, den Sound im Mix nach vorne zu bringen. Tape- oder Röhrensättigung (Tube/Tape) eignen sich hier besonders gut. Wichtig ist, dass der Effekt nicht übertrieben wird: Ziel ist ein satter, dichter Ton, nicht ein übersteuerter Gitarren-Ersatz.
Reverb, ungewöhnlich aber wirkungsvoll
Reverb auf dem Synth Bass? Klingt erstmal falsch – kann aber richtig eingesetzt sehr viel ausmachen. Vor allem, wenn es um das räumliche Gefühl und den Retro-Charakter geht. Die Kunst liegt im Timing und im Frequenzmanagement.
Ein kurzer, charaktervoller Halltyp wie Spring Reverb funktioniert hier besonders gut. Das Signal wird vorher mit einem Lowcut bei etwa 500–700 Hz bearbeitet, entweder direkt im Reverb-Plugin oder über einen vorgeschalteten EQ. So bleibt der Tiefbass unberührt, und der Effekt wirkt eher in den oberen Frequenzen – wo er für Luftigkeit sorgt.
Fazit
Mit der richtigen Basis und ein paar Tricks aus der Sounddesign Toolbox lässt sich ein retro Synth Bass bauen, der sowohl charakteristisch klingt als auch im modernen Mix überzeugt. Entscheidend ist nicht die Komplexität, sondern ein klarer, charakterstarker Sound mit einem Hauch 80s. Natürlich wird hier nur eine kleine Auswahl an Tips vorgestellt, jedoch sollten sie reichen um die eigene Kreativität anzufeuern.