Bei Multi-Sampling-Instrumenten und kreativem Sounddesign war Kontakt von Native Instrument lange das Maß der Dinge – allerdings auch verbesserungsfähig an allen Enden. UVI Falcon 3 preist sich nun als die modernere, vielseitigere und kreativere Alternative an – zurecht?
Seit Jahren taucht Falcon mit als erstes auf, wenn man nach Alternativen zum gigantischen NI-Kontakt-Universum sucht. Noch komplexer, noch moderner, noch mehr Klangerzeugungs- und Modulationsmöglichkeiten – dafür weitaus weniger Libraries von anderen Herstellern.
Aber auch bei UVI gibt es immerhin schon 24 Erweiterungen aus allen möglichen Genres. Und die Zahl der Erweiterungen wächst rasant. Aber wie klingt die Workstation? Und wie fällt der Workflow des Kontakt- und HALion-Konkurrenten aus?
Das Wichtigste In Kürze
- Multi-Sampler und Software Synthesizer
- 13 Oszillatoren, unter anderem neu VOSIM (Vocal Synth), Bowed String (Physical Modelling) und Harmonic Resonator
- 7 Sampler-Engines
- Drei neue Effekte: Opal (Opto-Kompressor), Ladder Filter und Dispersor; insgesamt über 100
- Mit MIDI-Out-Noten aus Arps und Sequencern zu anderen VSTs und Hardware senden
- Mit Workspaces Ansichten individuell gestalten
- Komplexe Sounds und Multi-Sampling , 1500 Presets
DETAILS & PRAXIS
UVI Falcon 3: drei neue Oszillatoren, vier neue Effekte und vieles mehr
Aus Platzgründen können wir beim äußerst komplexen UVI Falcon 3 in diesem Test nur an der Oberfläche kratzen. Also schauen wir uns vor allem die Neuheiten im Update an.
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Hinzu gekommen sind drei Oszillatoren, vier Effekte und drei MIDI-Generatoren. Außerdem gibt es nun zwölf Vorlagen als Starthilfe für neue Instrumente. Und die beste Nachricht: Für Besitzer früherer Versionen ist das Update kostenlos!
Zu den zehn Oszillatoren gesellen sich nun VOSIM (VOice SIMulation), eine Hommage an einen in den Siebzigern entwickelten Formant-Oszillatoren, Bowed String, ein Physical-Modelling-Modul für die besonders realistische Simulation von Streichinstrumenten und Harmonic Resonator. In diesem steckt, ähnlich wie man es von Physical Modelling Oszillatoren kennt, ein Exciter, der sechs stimmbare Resonatoren bespielt.
Über 100 Audioeffekte bringt UVI Falcon 3 mit. Und vier davon sind neu. Den Harmonic Resonator gibt es jetzt nämlich auch als Effekt, außerdem ist Opal dazu gekommen, eine Opto-Kompressor-Emulation, die man auch schon als eigenständiges VST-Plugin erwerben konnte. Ebenso mit dabei: ein dem Moog-Original-ähnliches Ladder Filter und Dispersor, ein ungewöhnlicher Transient Shaper.
Neue Presets satt in Falcon 3
Über 1.500 Presets sind im Update dabei. Dazu hat UVI den Preset-Browser im Vergleich zum Vorgänger überarbeitet. Der kommt rechts im Plugin dann aber doch recht schlicht daher, insbesondere bei der großen Menge an Presets. Ordner aufklappen in den Soundkategorien, Doppelklick zum Laden, fertig. Möglichkeiten, hier weiter zu sortieren, wie man es nicht nur von Kontakt, sondern auch Analog Labs oder Omnisphere kennt, fehlen leider gänzlich.
Immerhin kann man Favoriten markieren – bei der Menge nicht ganz unwichtig. Und ich komme aus dem Markieren kaum noch raus. Zwar kann ich nicht erkennen, welche Presets im Vergleich zum Vorgänger neu sind, dafür gehören für mich als Falcon-Neuling Qualität, Individualität und Detailreichtum vieler hier mitgelieferter Presets zum Besten, was ich bei Software-Instrumenten in den letzten Jahren gehört und gespielt habe.
Der Workflow in UVI Falcon 3 – Workspaces für eigene Ansichten
Einige DAWs wie Logic Pro liefern sie schon länger mit: vorkonfigurierbare Ansichten. Mit den Workspaces stellt man in Falcon die Ansicht je nachdem, was man vorhat, ein.
Denn sonst wird es beim Soundbauen ganz schnell unübersichtlich mit Layering, dem Inspector links, den sechs verschiedenen Arbeitsebenen in der Mitte und dem Browser mit seinen sieben Unterbereichen links.
Alles voreinstellen, unten links auf eine der acht Ziffern mit gehaltener SHIFT-Taste klicken und fertig ist die abgespeicherte Ansicht. Neben der etwas moderneren Oberfläche, die mich in Teilen an Optik und Workflow von HALion 7 erinnert, gehen diese Workspaces im Vergleich zu Kontakt einen gewaltigen Schritt voraus, zumindest was den Workflow betrifft.
Multis, Parts, Programs, Layers, Keygroups – die Ebenen von Falcon 3
Wer sich in die Tiefen des Plugins begibt, und die sind wirklich tief, trifft beim Bearbeiten und Erstellen von Instrumenten auf das Ebenenprinzip. Von der Klangerzeugung über Effekte und Sequencer hin zu ganzen Skripten, die selbstständig Noten erzeugen, hat alles seinen Platz.
An unterster Stelle stehen die 20 Oszillatoren, also 13 Wellenerzeuger und 7 Sampler. Bei diesen sind von einfachen Abspielern über Time-Stretching-Module hinzu Granularspielereien viele kreative Einstiegspunkte dabei.
Die Punkte erzeugt und bearbeitet man auf der Keygroups-Ebene. Auf derseleben Ebene lädt man auch Modulatoren wie Hüllkurven und LFOs und wählt aus den über 100 Effekten aus, die dann pro Stimme angewandt werden – mächtig und CPU-belastend.
Über den Keygroups kommt die Layer-Ebene. Hier lädt man ebenfalls Effekte, vor allem aber MIDI-Effekte wie den Arpeggiator. Innerhalb eines Layers kann man mehrere Keygroups anlegen und in jedem wieder andere Oszillatoren, Modulatoren und Effekte kombinieren.
Auch die Polyphonie und den Unison-Anteil stellt man hier ein. Außerdem findet man hier das neue MIDI-Out-Modul, das Noten „nach draußen“ in die DAW zu anderen Instrumenten schickt.
Die oberste Ebene eines Presets (oder Parts) ist die Program-Ebene. In dieser kombiniert man wiederum mehrere Layer zu einem Monster-Instrument. Auch hier kann man Effekte laden und modulieren oder MIDI-Sequencer laden. Das MIDI-Mapping findet hier zwischen Parametern in UVI Falcon 3 und Reglern auf einem MIDI-Controller statt.
Über 100 Effekte, davon vier neu: Opal, Harmonic Resonator, Ladder Filter und Dispersor
Opal ist eine Emulation verschiedener Analogkompressoren, allen voran des berühmten Optokompressoren LA-2A. Damit gehört er nicht unbedingt zu den schnellsten und saubersten Kompressoren. Aber so punchy die Drums, so satt und präsent die Bässe, so viele Sounds klingen durch Opal einfach besser.
Das ebenfalls neu dazugekommene Ladder Filter emuliert das gleichnamige berühmte Modul aus dem Hause Moog – allerdings eher durchschnittlich. Hier geht vor allem basslastigem Klangmaterial bei niedrigem Cutoff schnell die Puste aus. Ganz so warm und druckvoll, wie im Original oder mit anderen Emulationen klingt es mit ihm selten.
Und Harmonic Resonator gibt es eben nicht nur als Oszillator, sondern auch als Effekt. Und für Sounddesign-Fanatiker wie ist er äußerst kreativ, zum Beispiel dann, wenn man Blätterrascheln und Regentropfen durch die Resonatoren tonal klingen und plätschern lassen möchte.
Und bei Dispersor scheint UVI sich nicht nur namentlich sehr stark am Disperser von Kilohearts orientiert zu haben. Dieser besondere All-Pass-Filter lässt vor allem Transienten in Drum-Loops auf eine ganz besondere Art „nass“ klingen.
Falcon vs. Kontakt vs. HALion 7
Nicht wenige werden sich aber die Frage stellen, ob UVI Falcon 3 nun wirklich als Alternative zu Native Instruments Kontakt 7 oder anderen Samplern wie Steinberg HALion 7 dient. In einem Bereich ist Kontakt absolut unschlagbar: in der schieren Menge an Librarys. Bei dem, was Native Instruments selbst samt Drittanbieter hier auffährt, kann kein anderer Sampler mithalten.
Damit ist auch das Laden und die Verwaltung von Presets in Kontakt weitaus komfortabler und zugänglicher. So gibt es in Falcon keine Möglichkeiten, die vielen Presets weiter zu sortieren, geschweige denn sie vorzuhören. Aber sobald man aber eigene Instrumente erstellt, viel Sounddesign betreibt, sich im stundenlangen Modulieren, Schichten und Verdrehen von Sounds verliert, ist Falcon Kontakt um Meilen voraus.
In Sachen Workflow und Optik ist das Plugin von Native Instruments vor zehn oder fünfzehn Jahren stehengeblieben. Dafür sorgen die neue Workspaces-Funktion und die 21 integrierten Vorlagen beim Erstellen eigener Instrumente in Falcon für Spaß, während man sich in den Tiefen des VSTs verliert – Kontakt ist da eher auf der Seite der Wutausbrüche.
FAZIT — UVI Falcon 3 Test
UVI Falcon 3 ist eine Einladung an die, die sich mit NI Kontakt nie anfreunden konnten oder dem veralteten Workflow überdrüssig sind. Aber auch an die, die den Sounddesign-Exzess l(i)eben und denen Phase Plant und Bitwig gerade genug sind.
Man muss aber auch sagen, dass Falcon 3 zwar sehr viel ist, aber nicht unbedingt zugänglich. Viele der mitgelieferten Sounds klingen zwar grandios, doch ist der Preset-Browser genauso unzureichend, wie die der Fünf-Ebenen-Workflow umständlich ist. Wer damit leben kann, bekommt mit Falcon 3 eines der fortschrittlichsten und kreativsten Software-Instrumente auf dem Markt!
Features
- Software Instrument: Synthesizer und Multi-Sampler mit LUA-Skript-Engine
- 13 Oszillatoren: Analog, Drum, Analog Stack, FM, Noise, Organ, Pluck, Texture, Additive, Wavetable, VOSim, Harmonic Resonator, Bowed String
- 7 Sampler: Sampler, Slicer, Stretch, Ircam Granulator, Ircam Multi Granular, Ircam Stretch, Ircam Scrub
- 100 Effekte: neu dabei Opal (Optokompressor), Harmonic Resonator (Resonanzeffekt), Ladder Filter (Moog-Filter-Emulation) und Dispersor (Transient Designer)
- MIDI-Effekte: neu dabei Snowflake, Motion Grid und Note Arp
- MIDI-Out zum Senden von MIDI-Noten zu anderen VSTs oder Hardware
- 1.500 Presets
- Systemvoraussetzungen: VST2, VST3, AAX und AU, Ab Windows 10 (64bit) und macOS 10.14 (Apple Silicon Native) – auch Standalone
- PREISE:
- UVI Falcon 3: EUR 349,- (Straßenpreis am 06.11.23) – Einführungspreis EUR 199,- bis 05.11.2023
- Update für Vorbesitzer: kostenlos
- Moderne Oberfläche für tiefgreifendes Sounddesign
- Workspaces für schnelles Wechseln der Ansichten
- Soundqualität und Vielfalt der Presets
- Kreative Sequencer und Skripte
- Mitgelieferte Effekte klingen großartig
- MPE-Integration
- Kein dezidierter Preset-Browser
- Kleinteiliger, nicht immer gradliniger Workflow