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Twisted Electrons MEGAfm Test

Egal ob es sich um den legendären „SID-Chip“ (Commodore C64), den „RP2A07“ (NES Konsole) oder den „AY-3-8910“ (Atari ST, ZX Spectrum, Vectrex, etc.) handelt, Twisted Electrons haben einige Erfahrung darin, altgediente Sound-Mikroprozessoren in neue Synthesizer-Konzepte zu integrieren und ihnen dabei nicht nur MIDI, Presets und Audioausgänge mit auf den Weg zu geben, sondern auch, sie mit haptischen Bedienelementen und Zusatzfunktionen wie Sequenzer/Arpeggiator und Plug-In Steuerung auszustatten.

Twisted Electrons MEGAfm Test. (Foto: Numinos)

Details

Im Fall des hier zum Test antretenden „MEGAfm“ haben sich die französischen Synth-Bastler den „YM2612“ von Yamaha vorgenommen, ein FM-Synthesizer-IC das schon in der „Sega Megadrive“-Konsole und vielen anderen Spielhallen-Automaten für den Sound sorgte. Und da ein einzelner dieser Chips sechs Stimmen (Channels) liefern kann, verbauen Twisted Electrons gleich zwei davon, was entsprechend stattliche zwölf Stimmen liefert, die in vier unterschiedlichen Voice-Modi (Poly12, Wide6, Dual ch3, Unisono) eingesetzt werden können. Jeder dieser Kanäle verfügt über vier Operatoren, die in acht Algorithmen-Typen miteinander – respektive gegeneinander – modulieren können. Zur Modulation dienen auch die drei integrierten LFOs, die mit vier Schwingungsformen (Rechteck, Sägezahn, Dreieck und Rauschen) ausgestattet sind, über eine Retrigger- und Loop-Funktion verfügen und wahlweise eigenständig oder synchronisiert zu MIDI-Clock vor sich hin oszillieren. Für weitere subtile Bewegung im Klang sorgt ein Vibrato-Effekt. Ebenfalls mit an Bord: Ein Arpeggiator mit insgesamt sieben Modi, von denen zwei in der Lage sind, eigene Sequenzen wieder zu geben.
Alle 32 Fader und 14 Potentiometer zur Steuerung der Klangerzeugung, senden ihre Positionsinformation via MIDI-CC an angeschlossene Gerätschaften. Umgekehrt, sind sämtliche Parameter des MEGAfm durch Controller-Informationen fernsteuerbar. Und weil das so ist, haben Twisted Electrons direkt auch noch ein kleines Editor Plug-In programmiert, über das sich aus der DAW heraus sämtliche Stellschrauben der Klangerzeugung ansprechen lassen. Damit nicht genug, versteht der MEGAfm sogar MPE und erlaubt es so, die Tonhöhe jeder einzelnen Stimme zu befehligen. Epische 600 (!) Speicherplätze (6 Bänke á 100 Sounds) stehen zur Klangverwaltung bereit. Und falls einem mal die Inspiration fehlen sollte, überlässt man das Sounddesign der integrierten Zufallsfunktion.

Auspacken

Dem unscheinbaren schwarzen Karton entnehme ich den Synthesizer, ein Info-Blatt auf dem die Setup-Optionen ersichtlich sind, ein externes Netzteil sowie ein paar hübsche Sticker von Twisted Electrons.

Fotostrecke: 2 Bilder Die Verpackung des MEGAfm. (Foto: Numinos)

Erster Eindruck

Der MEGAfm steht mit nahezu dem gleichen Formfaktor wie beispielsweise Rolands Boutique-Serie auf dem Studiotisch und kann für sich entsprechend den gleichen Niedlichkeits-Sympathiefaktor verbuchen. Dabei ist der MEGAfm – mit seinem gebürsteten Aluminium-Gehäuse, den durch Kontermuttern gesicherten Potis und den Poti-Köpfen, die ebenfalls aus Aluminium gefertigt sind – dann sogar noch richtig ordentlich und wertig verarbeitet, was den Haben-wollen-Faktor noch größer macht. Der Typen-Sticker an der Unterseite verrät sogar, dass es sich um echte französische Wertarbeit handelt. Dass sich Twisted Electrons für das „MEGA“ an der Typografie des Game-Herstellers „SEGA“ orientiert haben, ist natürlich kein Zufall, sondern gewollt und trägt viel zum hübschen Retro-Charme des Synth bei.

Fotostrecke: 4 Bilder Der MEGAfm erfreut mit einem gut gestalteten Bedienfeld. (Foto: Numinos)

Anschlüsse zur Außenwelt

Auf der Rückseite warten – von links nach rechts – ein Stereo/Phones-Ausgang, zwei Mono 1/2-Ausgänge, ein DIN MIDI-In/Out und eine Strombuchse auf Anschluss zur Außenwelt. Besondere Erwähnung verdienen die beiden Mono-Ausgänge. Ist nur der erste Port konnektiert, werden die Stimmen beider Chips in Mono über diesen Ausgang geleitet. Ist auch der zweite Ausgang verbunden, teilt der MEGAfm die Stimmen abhängig vom gewählten Voice-Mode:

  • Poly12: Alle gespielten Stimmen werden immer abwechselnd über Ausgang 1 und 2 wieder gegeben.
  • Wide6: Beide Chips spielen die gleichen 6 Stimmen – gleichzeitig über Ausgang 1 und 2 und mit wählbarem Detune (über den „Fat“-Regler).
Die Rückseite des MEGAfm. (Foto: Numinos)
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Praxis

Inbetriebnahme

Nach dem Verkabeln und dem Einschalten mit dem – etwas versteckt – in der linken, oberen Ecke platzierten Power-Taster geht es natürlich erstmal an die Inspektion der Werksklänge, die man über zwei kleine Taster links und rechts neben dem Display umschaltet (0-99). Möchte man die Bank wechseln, gilt es, während des Umschaltens auch schnell einen der sechs LFO-Taster zu betätigen, die in Doppelfunktion die sechs Bänke repräsentieren.

Fotostrecke: 3 Bilder Sounds wechselt man u00fcber die Up/Down-Taster neben dem Display. Bu00e4nke u00fcber die LFO-Taster. (Foto: Numinos)

Bei so vielen Bedienelementen will man aber natürlich automatisch viel lieber selber schrauben und drehen. Ausgesprochen hilfreich ist dabei – wie bei fast allen FM-Synthesizern – eine gewisse Grundkenntnis dieser Syntheseform. Ohne die wird man keinen Spaß am MEGAfm haben, so haptisch einladend er seine Parameter auch präsentiert.
Es ist im Grunde auch gar nicht weiter kompliziert, was man hier unter den Fingern hat: Die vier Operatoren werden über die vier fünfstufigen Hüllkurven (ADSRR) gesteuert. Jeder Operator verfügt zusätzlich über die Parameter Detune (Verstimmung), Multiplikator (Transposition in harmonischer Obertonreihe) und Total Level (Lautstärke des Operators). Dann gilt es noch den gewünschten Algorithmus zu wählen, bei Bedarf die Feedbackschleife für den ersten Operator zu adjustieren und dem Klang durch die drei LFOs und Vibrato ein bisschen Eigenleben einzuhauchen.
Dabei gibt es Gutes wie Schlechtes zu berichten: Von Anfang an stellt man so beispielsweise fest, dass viele Parameter sehr stufig aufgelöst sind und ein ungleichmäßiges Regelverhalten besitzen. Das geht los mit der Gesamtlautstärke, die sich nur unter hörbaren Knacksgeräuschen ändern lässt und im oberen Bereich eine deutliche Klangformung in Richtung Verzerrung zur Folge hat, gefolgt vom „Total Level“ der Operatoren, der in den ersten zwei Dritteln (0 – 43) fast gar nichts macht, während es in den letzten vier Werten (43 – 63) in deutlichen Stufen (bis zur Verzerrung) nach oben geht, bis hin zur Feedback-Schleife, die leider nur über acht Werte verfügt. Als schwierig erweist sich beim Sounddesign auch der Umstand, dass Änderungen in der Hüllkurve – besonders des Sustain-Pegels – erst nach dem erneuten Auslösen übernommen werden. Ich kann mir vorstellen, dass hier der Parameter zwar in Echtzeit in das entsprechende Register des ICs geschrieben wird, seine Wirkung aber erst nach dem erneuten Auslösen entfaltet.

Audio Samples
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Operator-Multiplikator Operator-Level Aliasing-Artefakte Main-Volume-Stufung

Die Stufigkeit ist natürlich dem gewollten Umstand geschuldet, dass hier ein 9-Bit Prozessor am Werk ist und binäre Logik kennt nun mal – gerade am unteren und oberen Ende der Wortlänge – keine Zwischenstufen. Diese Stufigkeit kann man sich unter Zuhilfenahme der LFOs natürlich zunutze machen und authentische Retro-Game-Sounds designen. Dabei erweist sich die Koppelung von Parametern an einen der drei LFOs als ausgesprochen elegant gelöst, denn man drückt dazu einfach den Link-Taster, bewegt den entsprechenden Regler und fertig. Gut ist dabei auch, dass jeder der LFOs wahlweise endlos, oder als One-Shot agiert (Loop on/off) und entweder bei jedem Tastendruck neu startet oder ewig vor sich hin wabert (Retrigger). Dabei gibt es keinen Parameter, der sich nicht automatisieren lässt und auch die Mehrfach-Zuweisung von Parametern zu Modulatoren ist möglich.

Fotostrecke: 3 Bilder Mit dem Voice-Mode Taster schaltet man nicht nur die Stimm-Ausgabe um, sondern erreicht durch Gedru00fcckt-Halten auch den Setup-Modus. (Foto: Numinos)

Überhaupt ergibt es eine gewisse Zweiteilung im Bedienkonzept des MEGAfm: Auf der einen Seite zählt er aufgrund seiner reichhaltigen Ausstattung mit Bedienelementen zu einem der zugänglichsten FM-Synthesizer, die ich jemals unter den Fingern hatte. Denn alles, was unmittelbar die Klangformung betrifft ist hier im direkten Zugriff. Gleichzeitig gibt es eine ganze Reihe von Zusatz-Funktionen und Bedienschritten, für die man dann doch in die Dokumentation schauen muss. Dazu zählt neben dem Aufrufen und Speichern von Sounds auch und vor allen Dingen der Setup-Modus, der eine ganze Reihe zusätzlicher Stellschrauben bereithält, wie etwa die Synchronisation der LFOs, des Arpeggiators und des Vibrato zur MIDI-Clock (ein/aus) und die feste Adressierung von LFO-Tiefe (1-3) auf die Velocity, Modwheel und Aftertouch. Auch dass der Arpeggiator nur im Unisono-Modus verfügbar ist, wurde mir erst beim Lesen der Bedienungsanleitung klar. Und so konsequent der MEGAfm in Bezug auf Design und Klang auch den Retro-Anspruch verfolgt – irgendwie hätte ich mir am Ende dann doch eine USB-Buchse gewünscht, um im Zweifel eine Alternative zur klassischen DIN-MIDI-Verbindung zu haben, die man – im neuzeitlichen DAW-Verbund – ja immer über ein zusätzliches Interface am Rechner herstellen muss. Ist die MIDI-Verbindung hergestellt, agiert der MEGAfm natürlich auch als vollwertiger MIDI-Controller und lässt sich – mit seiner schönen Bedienoberfläche und nach entsprechender Anpassung des CC-Mappings – natürlich auch zur Steuerung jedes anderen MIDI-fähigen 4-Operator-FM-Synthesizers verwenden (ich denke da beispielsweise an den Yamaha Reface DX oder den FM4 von Primal-Audio).

Wie klingt der MEGAfm?

In seiner grundsätzlichen Charakteristik ist der MEGAfm ein ziemlich rauer Geselle. Das liegt primär natürlich an der FM-Synthese selbst, die Prinzip-bedingt zu eher in Richtung metallener, obertonreicher und „harter“ Sounds geht, sobald man komplexere Operator-Verschachtelungen anwählt. Im Fall des hier zum Einsatz gebrachten YM2612-ICs kommt aber noch hinzu, dass die Digital/Analog-Klangwandlung von einem integrierten 9-Bit DAC erledigt wird, der sich extrem leicht zu hörbarer Crossover-Distortion anregen lässt. Auch der so genannte „Ladder-Effekt“ kommt hier zum tragen (man könnte es auch Clipping nennen), der bewirkt, dass die reine Sinus-Wellenform der Operatoren bei erhöhten Lautstärken eine stärker werdende Rechteck-Charakteristik erhält. Neun Bits heißt aber auch, dass hier lediglich 512 dezimale Lautstärke-Stufen möglich sind, was für deutlich hörbare Aliasing-Artefakte und die oben bereits angesprochene „Stufigkeit“ der Parametrisierung sorgt.

Audio Samples
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Sound: Modulationen Sound: Algorithmus-Random-LFO Sound: Retro-Gamer

Dem gegenüber steht, dass der MEGAfm von seinen klanglichen Möglichkeiten ein durchaus potenter Synthesizer ist, wobei insbesondere die drei, sehr flexibel einsetzbaren LFOs, für viel Bewegung und Komplexität im Klang sorgen können. Damit reicht das Spektrum von rohen FM-Bässen, über komplexe Random- und Noise-Sounds bis hin zu „retroesk-schiefen“ Pads, die man dem Zeitphänomen „Hauntology“ zurechnen kann. Nur eines kann der MEGAfm nicht: Sauber und clean klingen. Aber dafür tritt er erklärtermaßen auch gar nicht an.

Audio Samples
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Sound: Bass Sound: Glide Sines Sound: Pseudo-Filter Pad Sound: Soft Bells Sound: Wonky Pad Sound: More Glide-Pad

Demovideo mit Twisted Electrons Mega FM Patches für Techno und Ambient

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Fazit

Der MEGAfm von Twisted Electrons liefert ein zwiespältiges Bild: Auf der einen Seite haben die Entwickler hier wirklich ganze Arbeit geleistet und man hat über das tolle haptische Bedienfeld und eine Vielzahl von Zusatzfunktionen einen wirklich umfassenden Zugriff auf sämtliche klangliche Möglichkeiten des verbauten „YM2612“-Soundchip. Hinzu kommt die vollständige Kontrolle aller Parameter über MIDI und der Umstand, dass der MEGAfm alle Fader und Regler als CC-Values an die DAW sendet. Es macht also grundsätzlich ziemlich viel Spaß, mit diesem Synth zu arbeiten – auch und gerade in Verbindung mit dem tollen Editor-Plugin. Dem gegenüber steht eine sehr stufige Auflösung vieler Parameter, was nicht an Twisted Electrons liegt, sondern der Architektur des Yamaha-Chips geschuldet ist. Insbesondere beim Gesamtvolumen, Einzellautstärke der vier Operatoren und der Feedbackschleife des ersten Operators. Zu dieser „Kantigkeit“ der Parametrisierung kommen noch die Aliasing- und Crossover-Verzerrungen des integrierten 9-Bit DACs, die in der Summe für sehr „artefaktige, rauschige und punkige“ Sounds sorgen. Das musikalische Einsatzspektrum bewegt sich also in einem relativ engen Korridor und richtet sich vornehmlich an Musiker, die ganz bewusst mit dieser Low-Fi/Retro-Ästhetik arbeiten möchten. Für einen angemessenen Preis haben die Entwickler hier einen schönen Synthesizer gebaut – allerdings um einen Chip herum, der sich mit seiner geringen Wortbreite der analogen Bedienung zu widersetzen scheint, wie um zu beweisen, dass er dafür konzipiert ist, mit knallhart deterministischem Maschinencode angesprochen zu werden und nicht mit feinfühligen Reglerbewegungen.

Unser Fazit:
3,5 / 5
Pro
  • Ansprechendes und robustes Design
  • Sehr viele Funktionen
  • Plug-In-Steuerung
  • CC-Out aller Bedienelemente
Contra
  • Phones/Out-Pegel hat hörbares „Stepping“ und ist unlinear
  • Phones-Out für Kopfhörer sehr leise
  • Fader der Hüllkurven etwas eng stehend
  • Kein USB-MIDI
  • Sehr starke Aliasing-Artefakte/Crossover-Distortion
  • Hüllkurven-Sustain muss für Änderungen neu getriggert werden
Artikelbild
Twisted Electrons MEGAfm Test
Für 555,00€ bei
Twisted Electrons MEGAfm Test. (Foto: Numinos)
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Profilbild von Nix Nutz

Nix Nutz sagt:

#1 - 19.02.2021 um 15:28 Uhr

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Attribute wie harsch und rauh gehören eigentlich nicht wirklich zur FM-Synthese. Schade, dass hier dieser Chip und nicht der (8-Stimmige, multimode-fähige) Ym-2151 aus dem CX5M oder der folgende Ym-2164 aus dem FB-01 (und den späteren CX auch) verwendet wurde. Diese Chips haben keinen eingebauten DAC und klingen offenbar besser und sauberer, weil ein DAC erst extra dahinter geschaltet werden muss. Jedenfalls hätte ich mit dem alten CX5M erst bei Verwendung eines Overdrives einen Klang wie "Soft Bells" hier, mit dessen ungeheurlicher Rauschfahne, hinkriegen können.
In der Parametrisierung (und auch sonst) hatte ich seinerzeit übrigens kaum Probleme mit dem Aliasing. Das muss also an den hier verwendeten Umsetzern liegen.
Kann mir schwer vorstellen, dass sich jemand ein Gerät wie dieses kauft, um klanglichen "Schmutz" out-of-the-box zu produzieren, ohne die Möglichkeit zu den FM-typischen, feinen, glasklaren und silbernen sounds. Fast ein Overdrive per default, nur um des "Kultes" willen, das sieht ein wenig fade aus. Beides zusammen aber - kauf ich sicher.

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