Dass Hersteller nur ein Produkt einer Kategorie auf den Markt bringen, ist heutzutage relativ unüblich. Man denke da nur an die Automobil-Branche: Oft gibt es eine enorm breite Spanne an Ausführungen, wobei die Topmodelle häufig das Zigfache der Einstiegsmodelle kosten. Vom Hersteller Sony allerdings gibt es momentan wirklich nur zwei mobile Digitalrecorder. Dabei ist der hier getestete kleinere PCM-M10 schon ein Gerät der mittleren Ausstattungskategorie.
Die Hände eines Interessenten können hier nach nur moderater Eintauchtiefe ins Portemonnaie ein kleines Aufnahmegerät mit dem vertrauten Sony-Zeichen halten. Das mit dem Portemonnaie konnte ich mir als Tester natürlich sparen – aber dafür ist die Zeit, die ich den M10 in den Händen halten kann, eben auch nur begrenzt. Wie sich der PCM in diesem Testzeitraum angestellt hat und ob ich traurig war, ihn wieder hergeben zu müssen, lest ihr auf den folgenden Seiten.
DETAILS
Im Vergleich zu einigen anderen Mobilrecordern ist der M10 ein Block, an dem es nichts zu verschieben, justieren oder herauszuziehen gibt: Die Mikrofone kauern in einer kopfseitigen Vertiefung, die mit einem Lochblech abgedeckt ist. Somit steht also das Stereoverfahren aufgrund der Richtcharakteristik, des Empfängerprinzips, des Abstands und des Öffnungswinkels fest und ist durch den User nicht veränderbar. Bei einem Winkel von je 45° aus der Aufnahmeachse und einem mittleren Kapselabstand von nur etwas mehr als 5 cm ergibt sich zwar ein bei derartigen Recordern häufig genutztes, aber insgesamt eher fragwürdiges Stereosystem. Es kommen Kugeln zum Einsatz, vernünftige AB-Verfahren benötigen allerdings weit größere Abstände, um keinen übertrieben großen Aufnahmebereich zu erhalten. Der Nutzen von (echtem!) XY oder gar MS wäre in einem Handgerät sicher deutlich höher, zumal man in diesem Fall mechanisch oder im Falle von MS digital (sogar nach der Aufzeichnung) den Aufnahmebereich einstellen könnte.
Rechts ist bekanntlich dort, wo der Daumen links ist. Damit niemand durcheinanderzukommen droht, waren die Ingenieure von Sony so freundlich, die kleinen schwarzen Erhebungen am Kopfteil, die die Signal- und Clip-LEDs beinhalten, auffällig mit “L” und “R” zu kennzeichnen. Zusätzlich sind sie farbkodiert, denn “R” ist in Rot geschrieben, “L” in Weiß. Also: “R” wie “Rot” wie “Rechts”. Denn ihr wisst ja: “Manche meinen, Lechts und Rinks kann man nicht velwechsern. Werch ein Illtum!” (Christian Morgenstern).
Jetzt habe ich das arme Gerät schon ordentlich durch den Kakao gezogen und kann seriöser fortfahren: Sicher von deutlich höherem Nutzen ist das, was das große, beleuchtbare Display anzeigen kann. Dort findet man schön übersichtlich und nach Betriebsmodus geordnet, genau die Informationen, die relevant sind. Essenziell ist dabei natürlich die Aussteuerungsanzeige, aber auch Fileformate, gewählte Ordner, verbleibende Aufnahmezeit und dergleichen haben ihr behagliches Plätzchen erhalten. Rechter Hand befindet sich ein griffiges Rad, mit dem die Vorverstärkung gesteuert werden kann. Auf der gegenüberliegenden Seite geht der Griff jedoch ins Leere, falls man dort den Volume-Schalter vermutet. Der Ausgangspegel wird nämlich über eine Wippe an der Kante zur Rückseite des M-10 geregelt. Abgesehen davon, dass Ort und Ausführung unpraktisch sind: In Täschchen oder Etuis muss entweder eine Aussparung vorgesehen sein, oder die Taster sind nicht erreichbar. Immerhin: Das Gehäuse des M-10 leidet weniger an Bedienelemente-Masern als das des teureren D-50, bei dem man wahrscheinlich noch nach Jahren der Benutzung feststellen wird “Ach, an dieser Seite ist auch noch ein Schalter”.
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Größtenteils haben sich die Bedienelemente des M-10 auf der Vorderseite häuslich eingerichtet – so ist´s recht. Ausnahmen bilden die generelle Mikrofonempfindlichkeit (Low/High), “DPC” (Speed Control) und der Schalter für die Pegelautomatik, welche allesamt an der Kante zur Rückseite zu finden sind. Seitlich wartet zudem der kombinierte Power- und Hold-Schiebeschalter. Unterhalb des Displays findet man die Menünavigation und Laufwerksfunktionen, die wie beim großen Bruder teilweise doppelt belegt und leicht versetzt zueinander angeordnet sind. Das macht die Sache vor allem bei der “Erstbedienung” nicht gerade einfacher.
Die vielen Buchsen sind halbwegs gerecht über die Gehäuseflanken verteilt. Oben, also zwischen den Mikros, wurden entsprechend der Logik des Signalflusses, Line In und der Anschluss für externe Mikrofone untergebracht. Linker Hand auf Höhe des Displays sind die kombinierte Line-Out-/Kopfhörerbuchse und der Mini-USB-Anschluss zuhause. Lässt man den Blick weiter nach unten wandern, begegnen einem die Klappe für den M2- und Micro-SD-Kartenschacht und der Anschluss für das mitgelieferte Netzteil. Am Fuß findet sich neben der Öse für Halteschlaufen ein kleines Sieb, damit bei Regenwetter keine Blätter und kleine Stöckchen in das Gerät geschwemmt werden. Oh nein, es ist ein 16mm-Lautsprecher! Das ist keine blöde Idee und sollte bei jedem mobilen Recorder zu finden sein. Manchmal nervt es einfach, Kopfhörer anschließen zu müssen und Links und Rechts an verschiedene Personen zu “verteilen” – womöglich noch bei schmockigen Ohrhörern. Will man Interviewpartnern die letzte Antwort noch einmal vorspielen oder die Aussage des Sängers mittels Audiobeweis entkräften, er habe während der Session doch perfektes Englisch gesungen, ist nichts besser als ein kleiner Speaker. Das gibt einen kleinen Bonuspunkt, der samt Speaker dem höherpreisigen D-50 fehlt. Beiden gemein ist allerdings die praktische Gewindebuchse auf der Rückseite, mit der sich das kleine Gerät in passender Recording-Höhe auf allerlei Gestänge pflanzen lässt. Über eine kleine Klappe ist der Schacht für die beiden AA-Batterien oder -Akkus zugänglich, die dem M-10 eine Aufnahmedauer von bis zu 43 Stunden ermöglichen. Letztes zu beschreibendes Element im Bunde ist ein Miniklinken-Anschluss für die Remote, welche sich (Trommelwirbel, Fanfare!) im Lieferumfang befindet.
Der interne Speicher ist mit seinen 4 GB schon üppig ausgestattet, es können aber bis zu 16 Gigabyte große Speicherkarten verwendet werden, wodurch bei MP3-Aufnahme mit 65 mbps eine Aufnahmezeit von etwa 650 (!) Stunden möglich wird: Der Sony kann nämlich “Cross-Memory-Recording” anbieten, also einfach auf alle verfügbaren Speicher aufzeichnen. Selbst in der höchsten möglichen Auflösung von 96 kHz und 24 Bit ist die Aufnahmekapazität noch luxuriös. An dieser Stelle sei erwähnt, dass der große Bruder D50 nicht im MP3-Format aufnehmen kann. Also eine weiterer Punkt auf der Plus-Seite des „Kleinen“, denn es gibt immer wieder genügend Situationen, in denen es nicht auf höchste Audioqualität ankommt, sondern eine lange Aufnahmezeit entscheidend ist.