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Shortcut: Klaviersound auf der Bühne

In diesem Workshop beschreibt unser Autor, wie man den optimalen Klaviersound auf die Bühne bringt
In diesem Workshop beschreibt unser Autor, wie man den optimalen Klaviersound auf die Bühne bringt
Inhalte
  1. Der richtige Klaviersound im Studio: Begebenheit Nr. 1
  2. Der richtige Klaviersound auf der Bühne: Begebenheit Nr. 2
  3. Echte Pianos sind auf der Bühne durchsetzungsfähiger
  4. Welcher Klaviersound ist der Beste für den Live-Einsatz auf der Bühne?
  5. Tipp: Die Bühnen-Keyboarder-Grundregel
  6. Klaviersound für die Bühne mit einem Sinuston anreichern
  7. Einsatz von Controllern
  8. Die Bühnen-Klaviersounds der Stars
  9. Schlusswort

Eines der meistdiskutierten Themen unter Keyboardern ist sicher die Frage, wie man einen optimalen Klaviersound auf die Bühne bekommt, wenn kein Flügel zur Verfügung steht oder das vorhandene akustische Instrument nicht laut genug verstärkt werden kann. Der falsche Pianosound kann zu vielfältigen Problemen führen: Das Klavier trägt nicht, matscht im Mix oder irritiert im schlimmsten Fall sogar die Mitspieler. In diesem Workshop zeigt unser Autor einen Lösungsvorschlag für die Suche nach dem richtigen Klaviersound für den Live-Einsatz.
Die Auswahl an digitalen Stagepianos, Klavier-Plugins und Workstations mit integrierten Pianosounds ist ja bekanntlich gigantisch, und bei der Frage, welcher Klaviersound nun der Beste für die Bühne sei, gehen die Meinungen weit auseinander. Die einen schwören auf aufwändige, Gigabyte-umfassende Samples aus dem Laptop, andere auf wenige Megabyte große, aber „durchsetzungsfähige“ Samples von Yamaha, Kurzweil, Korg, Kawai, Roland oder anderen Hardware-Herstellern.
Ich habe mich mit dem Thema lange beschäftigt und bin irgendwann zu meiner eigenen „Speziallösung“ gekommen, die ich euch im folgenden Workshop genauer vorstellen möchte. Um euch in Stimmung zu bringen, möchte ich euch zu Beginn zwei kleine Geschichten zu diesem Thema erzählen.

Der richtige Klaviersound im Studio: Begebenheit Nr. 1

Wie vermeidet man Intonationsprobleme mitspielender Musiker im Studio?
Ich war zu einer Studiosession eingeladen, es ging um einen „Pop meets Classic“-Song mit Opernsänger, Klavier, Kontrabass, Schlagzeug und Orchester. Es lag ein Demo vor, das komplett mit Software-Instrumenten produziert war und das Spur für Spur durch echte Instrumente ersetzt werden sollte. Der Klavierpart kam von einem aufwändig gesampelten, Gigabyte-schweren Software-Piano. Zuerst wurden die Drums aufgenommen, der (hochkarätige) Drummer nagelte seinen Part in einem Take.
Danach war der Kontrabass an der Reihe. Beim Bassisten handelte es sich ebenfalls um einen gestandenen Vollprofi, der schon mit “Gott und der Welt” gespielt hatte. Dennoch hatte er bei der Aufnahme sichtliche Intonationsprobleme. Nach jedem Take sagte er Dinge wie „Ich brauche das Klavier lauter“, „Ich brauche den Bass lauter“ oder „Ich brauche mehr Höhen in meinem Kopfhörer.“
Nachdem er es wieder und wieder versucht, aber nie sauber hinbekommen hatte und sich im Regieraum alle Anwesenden über dieses „Formtief“ des ansonsten sehr intonationssicheren Bassisten wunderten, machte ich den Vorschlag, zuerst den (echten!) Flügel aufzunehmen und danach noch mal den Bass zu probieren.
Und dann die Überraschung: Kaum war das echte Klavier fertig, konnte der Bass in einem Take perfekt aufgenommen werden. Von Intonationsproblemen keine Spur mehr!

Xaver Fischer reichert einen Piano-Sound aus dem Roland Fantom XR mit etwas Wurlitzer an
Xaver Fischer reichert einen Piano-Sound aus dem Roland Fantom XR mit etwas Wurlitzer an

Der richtige Klaviersound auf der Bühne: Begebenheit Nr. 2

Wie werden Intonationsprobleme mitspielender Musiker auf der Bühne vermieden?
Ich half in einer Galaband aus. Da wir auch Dinner-Jazz spielen sollten, nahm ich mein altes Wurlitzer E-Piano mit. Nach dem Gig bedankte sich der Saxophonist bei mir. Ich hätte ihm das Gefühl wiedergegeben, dass er ein guter Spieler sei. Er hätte nämlich sonst immer Probleme mit der Intonation, aber heute Abend hätte er keinerlei Schwierigkeiten und ein super Spielgefühl gehabt. Daraufhin fragte ich ihn, was für ein Instrument denn der reguläre Keyboarder dieser Band spiele. Seine Antwort: „Irgendein Digitalpiano“.

Echte Pianos sind auf der Bühne durchsetzungsfähiger

Warum setzt sich ein echtes Piano auf der Bühne besser durch?
Der beschriebene Effekt beruht im Wesentlichen darauf, dass echte Instrumente oft in sich etwas unreiner gestimmt sind, wodurch vermehrt Schwebungen auftreten. Wenn das Klavier in sich schon etwas schwebt, dann verzeiht es den Mitmusikern leichte Intonationsabweichungen viel besser. Aber es gibt noch ein weiteres Problem:
Digitale Klaviersounds fügen sich oft schlecht in den Gesamtsound einer Band ein. Sie verhalten sich im Mix oft ein bisschen wie das Fett auf der Suppe, das sich nicht untermischen lassen will. Regelt man das Klavier so laut, dass man es gut hören kann, wird es schnell aufdringlich, macht man es so leise, dass es nicht mehr stört, geht es im Mix unter. Außerdem tragen die Akkorde nicht so gut und der Mix wird nicht so schön warm und mittig aufgefüllt, wie das bei einem echten Piano der Fall wäre. Dabei spielt es keine Rolle, wie aufwendig das jeweilige Sample ist. 

Der optimale Klaviersound für den Live-Einsatz

Welcher Klaviersound ist der Beste für den Live-Einsatz auf der Bühne?
Eine Möglichkeit, die ich persönlich seit über 20 Jahren so gut es geht selbst praktiziere, ist zunächst einmal recht einfach: Erst gar keinen Klaviersound verwenden! Ich spiele meistens ein Wurlitzer oder Rhodes E-Piano und umgehe so das Klavierthema. Dabei müssen es noch nicht einmal die echten E-Pianos sein. Hier genügen schon (gute!) Samples (mehr zu diesem Thema lest ihr im Artikel: „Die Geschichte der E-Piano-Clones“ ). Manchmal jedoch ist das nicht möglich. Ab und zu gibt es nun einmal Songs, in denen es einfach ein akustischer Klaviersound sein muss und in denen ein E-Piano nicht passen würde.
Aufwändige, Gigabyte-große Piano-Samples haben sich für mich im Live-Einsatz auf der Bühne nicht bewährt. Zum einen wegen der bereits erwähnten Resonanz-Probleme, zum anderen, weil sie meist mit etwas höherem Raumanteil gesampelt wurden. Dieser kann im Studio vorteilhaft sein, aber live raubt er dem Sound oftmals die Durchsetzungsfähigkeit und lässt das Klavier in einem lauten, dichten Mix schnell untergehen.
Ich habe mein Wurlitzer midifiziert und steuere so einen einfachen, aber guten und schön trockenen Klaviersound an (Roland Fantom Rack mit SRX12 Complete Piano Expansion Board). Ich drehe einen subtilen Anteil des Wurlitzersignals dazu – wirklich nur ganz wenig, es darf nicht wie ein Layer-Sound klingen! Dadurch bekommt der Pianosound mehr „Bauch“ im unteren Mittenbereich, trägt besser und setzt sich auf seine Art besser durch – und zwar nicht, indem er sich durch „Schrillheit“ Gehör verschafft, sondern indem er mit seinen neu dazugewonnenen Mitten schön die Frequenzlücke zwischen Bass und Gitarre füllt.
Da Wurlitzer und Klaviersample natürlich nicht perfekt gleichgestimmt sind, ergeben sich Schwebungen wie bei einem leicht verstimmten Klavier. Diese Schwebungen machen den Sound voller, geben ihm einen speziellen Charakter und verzeihen den Mitspielern in der Band leichte Intonationsabweichungen.

Tipp
  • Die Bühnen-Keyboarder-Grundregel: Alle Sounds so trocken wie möglich, kein Raum, kein Hall. Das verdirbt den Mix. Wer etwas Space mag, sollte ein Delay nehmen. Hall darf – wenn überhaupt – nur der Frontmixer benutzen. Und wo wir gerade beim Thema sind: Dasselbe gilt für EQs. Möglichst alles schön flat ausgeben und nicht schon frequenzverzerrte Signale zum Mixer schicken!

Im folgenden Beispiel hören wir erst das Klavier aus dem Roland Fantom Rack alleine, dann kommt das Wurlitzer E-Piano dazu: Am Ende nehme ich es noch mal weg – erstaunlich, wie dünn das Signal plötzlich klingt!

Audio Samples
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Klaviersound Roland Fantom-XR und Wurlitzer

Klaviersound für die Bühne mit einem Sinuston anreichern

Welche Möglichkeiten bieten sich, den Klaviersound prägnanter zu gestalten?
Da ich mein Wurlitzer aber nicht immer mitnehme, habe ich noch eine Alternativlösung entwickelt: Die Rolle des Wurlitzers übernimmt hier ein einfacher Sinuston, den ich zum Klaviersound hinzumische. Wichtig ist hierbei, dass die Hüllkurve und das Dynamikverhalten von Sinus und Klavier exakt identisch sind. Beim Roland Fantom gibt es den Parameter „Random Pitch“, mit dem ich den Sinus etwas zum Klavier verstimme.
Der auf diese Weise erzielte Effekt ist ähnlich wie bei der Wurlitzer-Klaviersample-Kombination: Der Sound wird voller, hat mehr Bauch, trägt besser und erhält Schwebungen. Trotzdem hört man den Sinus nicht als solchen heraus und hält ihn für einen Teil des Klaviersounds.  Hier wieder zunächst der Pianosound, dann kommt der Sinus hinzu.
Man achte auf die schönen Schwebungen bei dem liegenden Akkord am Ende!

Audio Samples
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Klavier und Sinus

Einsatz von Controllern

Wie steuert man die anteilige Lautstärke der Sinus-Anreicherung?
Ich habe mir die Lautstärke des Sinus auf einen Controller gelegt, so dass ich den Anteil je nach musikalischem Kontext steuern kann. Auf einem anderen Controller liegt noch ein Roland JD800 Piano-Sample (ein extra harter Sound mit viel Attack). Mit diesem kann ich dem Klavier im Mix mit lauten verzerrten Gitarren etwas mehr Schubkraft verleihen. Alleine klingt das ziemlich grausam, aber im dichten Mix bringt das eine Menge. 

Audio Samples
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Klavier und JD800

Die Bühnen-Klaviersounds der Stars

Wie gestalten Stars die Qualität ihres Klaviersounds?
Elton John hat seinen akustischen MIDI-Flügel mit eiemn Roland MKS20 verbundenn, ein eigentlich natürlich längst veraltetes, digitales Klaviermodul aus den 1980er Jahren, das sehr hart und drahtig klingt. Leicht dazugemischt verleiht es seinem Flügel im Bandkontext etwas „Biss“.
Michael Nass (Keyboarder bei BAP) erläutert, dass er eine Kombination aus einem Digitalpiano und einem Neunziger-Jahre-Soundmodul spielt. Er sagt, der Mix der beiden Klaviersounds funktioniere auf der Bühne sehr gut.

Elton John kombiniert ein akustisches Piano mit einem Roland MKS-20 aus den 1980er Jahren.
Elton John kombiniert ein akustisches Piano mit einem Roland MKS-20 aus den 1980er Jahren.

Schlusswort

An dieser Stelle sei jeder ambitionierte Keyboarder dazu aufgerufen, mit Kombinationen aus verschiedenen Sounds zu experimentieren, um den optimalen Live-Klaviersound zu finden, anstatt blind auf Samples mit möglichst vielen Gigabytes zu vertrauen!

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Kommentieren
Profilbild von kai warszus

kai warszus sagt:

#1 - 07.06.2011 um 12:48 Uhr

0

....endlich mal wieder ein guter, praxisnaher beitrag zum thema "nicht die teuersten tools sind die besten" ;-) da hat sich mal jemand nen kopp gemacht.... sehr cool, danke...!!

Profilbild von Simon Heinitz

Simon Heinitz sagt:

#2 - 08.06.2011 um 03:46 Uhr

0

...sehr schöner Artikel der genau die Live-Probleme beim Klavierspielen anspricht.
Ergänzend könnte man vielleicht noch das MONO / Stereo Problem ansprechen. Neben meinem neuem Nord Stage Ex hab ich sehr gute Erfahrung mit dem Micro Expander von Kurzweil gemacht der leider nicht mehr erhältlich ist. Obwohl der Piano-Sound schon angestaubt klingt im Solo-Spiel, so setzt er sich umso besser im Bandgefüge (Jazz Combo) durch. Die Sounddesigner wussten damals schon auf was es ankommt. :)

Profilbild von Adelmo Listorti

Adelmo Listorti sagt:

#3 - 08.06.2011 um 16:23 Uhr

0

Lieber Xaver, Du sprichst mir aus der Seele. Selbiges habe ich sooo oft erfahren und bereits Freunden mitgeteilt ... Super, dass Du das mal öffentlich aussprichst :-) Danke.Deshalb klingen sehr viele Aufnahmen der 70er & 80er selbst heute noch "eindeutiger" & "fetter"......Quincy Jones...

Profilbild von Guido Craveiro

Guido Craveiro sagt:

#4 - 08.06.2011 um 18:16 Uhr

0

Hi Xaver!Jetzt muss nur noch ein guter FOH Mixer am Start sein...
Schön dass Du das Problem mal thematisierst...
Liebe Grüße
Guido

Profilbild von Tobias Kopietz

Tobias Kopietz sagt:

#5 - 09.06.2011 um 11:52 Uhr

0

Hei Xaver, super, dass auch das Thema interner Hall im Livekontext noch mal zur Sprache kommt. Wenn jetzt der Mensch am FOHein bisschen Ahnung hat, sind die Keys auch zu hören ... natürlich vorausgesetzt, der Keyboarder hat seine Hausaufgaben beim Soundsbauen gemacht.Grüße vom HammondToby

Profilbild von Ecki Mies

Ecki Mies sagt:

#6 - 11.01.2012 um 23:56 Uhr

0

...genau so ist es! Mein Tip für die praktische Lösung: KORG SV-1, da klingen u. a. die Pianosound "lebendig" weil minimal untuned. Manche user haben schon im KORG-Forum darüber gejammert. Es war mit Sicherheit Absicht der KORG-Programmierer. - Danke Xaver für den äußerst brauchbaren Artikel, gerne mehr davon. Gruß Ecki

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