Brauchen wir 100 Dezibel und mehr im Club?

Lange sah es so aus, dass Clubs, Diskotheken und andere Veranstaltungen sich hinsichtlich der Lautstärke staatlich reglementieren lassen müssten. Geblieben ist es schließlich bei der Freiwilligen Selbstkontrolle mit der Maßgabe, im Auditorium nicht mehr als 100 Dezibel zu fahren. Die Realität sieht indes anders aus, zumal mit modernen PA-Systemen locker die 110-dB-Grenze gerissen werden kann.

(Bild: Shutterstock, Credits@hurricanehank)
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Lärm ab 85 Dezibel kann das Gehör schädigen. Das hängt natürlich davon ab, wie lange wir dem Lärm ausgesetzt sind. 85 Dezibel entsprechen einem vorbeifahrenden LKW, einem Rasenmäher oder den beliebten Laubbläsern.

In Clubs wird nicht selten eine Lautstärke von 110 Dezibel gefahren und da Clubbesucher mittlerweile fünf Stunden und länger einen Club besuchen, ist mit nachhaltigen Schädigungen des Hörsinns zu rechnen. Daher sollten sich Clubs ab dem Jahr 2005 freiwillig auf 100 Dezibel beschränken. Plattenaufleger sollten per DJ-Führerschein für das Thema sensibilisiert werden.

Bei der Umsetzung hapert es allerdings. Bereits 2007 gaben die Initiatoren des Freiwilligen Schallschutzes in Bayern bekannt, dass von 20 Clubs 16 Läden die Empfehlung weit überschritten und als Spitzenwert sogar 127 Dezibel gemessen wurden. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass bald – wie in der Schweiz – eine gesetzliche Regelung den Lärmern einen Riegel vorschiebt.

Ganz klar, wer ohne Gehörschutz regelmäßig solche Locations aufsucht, verbläst sich früher oder später das Gehör. Natürlich, je älter wir werden, desto schlechter hören wir. Bereits mit 40 Jahren lässt bei vielen Menschen das Hörvermögen im oberen Frequenzspektrum nach. Außerdem sinkt im Alter die sogenannte Unbehaglichkeitsgrenze: Wir empfinden Lautstärke viel schneller als störend.

All das ist schon blöd genug, aber wer in jungen Jahren sein Gehör schädigt, beschleunigt diese Entwicklung: Arbeiter, die an Kreissägen ihren Dienst verrichten und keinen Gehörschutz tragen, haben auf der Drehfrequenz der Sägen einen lebenslangen Hörausfall. Außerdem kann es tatsächlich zu physischen Schmerzen kommen, wenn diese fehlenden Frequenzen selbst mit wenig Schallenergie abgespielt werden.

Fotostrecke: 2 Bilder Erste Hilfe, wenn die Anlage auf das Zwerch- und Trommelfell drückt und es in den Ohren kratzt.

Genau das passiert natürlich auch im Club, wenn wir uns zu lange der maximalen Lautstärke aussetzen. Erste Abhilfe leisten Gehörschutzstöpsel, am besten individuell angefertigt aus dem Fachgeschäft, etwa bei Akustikern und einigen Optikern. Diese senken linear den kompletten Frequenzbereich um zehn Dezibel. In der Regel reicht das und auch die Sprachverständlichkeit auf der Tanzfläche bleibt gut.

Besonders betroffen sind DJs. Sie müssen aufgrund der hohen Lautstärken Monitore und Kopfhörer extrem laut fahren, um überhaupt noch etwas zu hören. Es gibt einige Producer, die mittlerweile einen Engineer brauchen, weil sie ihren Mixdown nicht mehr hören können. Dieser Hörverlust ist irreparabel und mit Hörgeräten kaum zu kompensieren. Wo das Gehör zerstört ist, wird auch kein Signal mehr wahrgenommen.

Fazit

Die Freiwillige Selbstkontrolle ist immer noch eine Seltenheit in der Clublandschaft. Als Konsumenten, Veranstalter, Betreiber, Bands und DJs haben wir es aber selber in der Hand: Wir sollten die Selbstbestimmung nicht an den Staat abgeben – das sollte uns unsere Gesundheit wert sein.
Euer Axel Erbstößer

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Richarde sagt:

#1 - 10.01.2018 um 07:31 Uhr

0

WORD!
Ich glaube aber anders als der Autor in diesem Punkt nicht an eine erfolgreiche Selbstbestimmung und würde ein Gesetz und Kontrollen befürworten.

Profilbild von Tommy

Tommy sagt:

#2 - 02.12.2019 um 22:21 Uhr

0

Wenn jeder ein bisschen mitdenkt dann braucht es auch keine Gesetze.Allerdings wird bei manchen Vst. schon der Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung erfüllt. Nix gegen laute Open Airs, da hat es der Besucher selbst in der Hand wo er sich platziert. Aber Indoors ist er der Beschallung schon ganz anders ausgeliefert.

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