Oberheim SEM Test

Es scheint in Mode gekommen zu sein, alte, erfolgreiche Synthesizer zu überarbeiten und neu auf den Markt zu bringen – getreu Robert Zemeckis Klassiker „Zurück in die Zukunft“. Robert Moog hat es mit dem „Minimoog Voyager“ vorgemacht: altes Innenleben mit bewährtem Sound, gepaart mit einer Prise MIDI hier, einem kleinen Gimmick da und Moog-typisch edler Verarbeitung. Auch Dave Smith hat in jüngster Vergangenheit sehr ordentlich überarbeitete Geräte auf den Markt gebracht. Nun fand auch Tom Oberheim, dass es an der Zeit sei, den Klassiker Oberheim SEM neu aufleben zu lassen. Und dieser Mann hat im Bereich der Synthesizer-Entwicklung wirklich große Dienste geleistet. Aus der „Werkstatt“ der von ihm 1970 gegründeten Firma Oberheim Electronics Inc. entstammen der erste polyphone (SEM Four-Voice) und auch einer der ersten komplett programmier- und damit speicherbaren Synthesizer, der OB-8!

Zurück in der Zukunft – der Oberheim SEM


Nun gilt es erst mal die Frage zu klären, was sich hinter dem Namen SEM versteckt: kurz, knapp und ohne Schnick-Schnack: Synthesizer Expander Module. Ebenso knapp hält es Herr Oberheim mit übertriebenen Neuerungen, einem schicken Holzgehäuse oder etwa fleißig blinkenden LEDs. Nichts dergleichen ist am neuen SEM zu finden – dafür aber ein durchdachtes Patch-Panel, durch welches man beinahe jeden Parameter durch eine Steuerspannung ändern kann … aber nun los, denn: „Marty, wir müssen zurück – zurück in die Zukunft!

Details

Optik/ Erscheinungsbild

Der unscheinbare Karton mit der von Hand eingetragenen Seriennummer 0241, den ich gerade in Schneider’s Laden in Berlin (Vertrieb Deutschland) abgeholt habe, steht vor mir und birgt hoffentlich Großes in sich. Beim Öffnen fällt mir als erstes das Handbuch entgegen – welches ohne Zweifel von einem netten (nicht genannten) Praktikanten der Firma Marion Systems Corporation eigenhändig (mit fast leerem Toner) kopiert und krumm getackert wurde. Aber das soll für den weiteren Umgang mit meinem neuen Spielzeug keine große Rolle spielen.

Erstaunlich leicht kommt der SEM mit seinen zwei Kilo aus der Verpackung – Gehäuse und Bedienpanel sind seinem Vorgänger bis auf drei zusätzliche Regler 1:1 nachempfunden. Lediglich das eingebaute Mini-Klinke Patch-Panel und die durch tomoberheim.com ersetzte Herstellerbezeichnung (ehemals Oberheim Electronics. Inc.) lassen darauf schließen, dass ich das Neuzeit-Modell in den Händen halte. Wie beim Namen des Modells setzt Tom Oberheim auch bei der Ausstattung und den verbauten Materialien auf absolute Schlichtheit und Funktionalität. Die Schalter und Drehregler sind solide und robust, bieten aber keinerlei haptische oder optische Reize. Schade ist auch, dass der Hersteller, obwohl das Gehäuse im Inneren genug Platz bieten würde, sich nicht dazu durchringen konnte, das Netzteil in selbiges einzubauen. So hat man also mal wieder ein, wenn auch kleines, externes Netzteil mit zusätzlichem „Rasierapparat“-Kabel, welches den SEM mit seinen 24V Ausgangsleistung zum Leben erweckt. Aber auf diesen Moment bin ich sehr gespannt!

Fotostrecke: 4 Bilder Im Hintergrund in Natura u2013 vorne auf dem schlecht kopierten Manual-Foto

Anschlüsse
Das SEM Patch-Panel Model (CV/Gate Version) bietet auf der Gehäuserückseite neben dem bereits genannten Stromanschluss einen Audio-Out in Form einer 6,3mm Monoklinke – wieder kurz und knapp gehalten. Auf der Bedienoberfläche wartet ein übersichtliches Patch-Panel darauf, von diversen Mini-Klinken (3,5mm) „gefüttert“ zu werden. Die Qualität der genannten Buchsen ist nicht zwangsläufig als Highlight zu bezeichnen. Und bei allem Verständnis für Schlichtheit: die Eingänge für externe Audioquellen hätte ich mir zusätzlich in Form von 6,3mm Klinkenbuchsen auf der Gehäuserückseite gewünscht, um „Adapter-Fummelei“ zu vermeiden. 
Wer sich an dieser Stelle fragt, wie man das Gerät ohne MIDI ansteuert, dem sei gesagt, dass CV (Control Voltage) eine Art Vorform von MIDI ist. Alte analoge Synthesizer oder Sequenzer geben CV-Signale heraus, die genutzt werden können, um den SEM anzutriggern. Möchte man den SEM per MIDI ansteuern, braucht man einen MIDI-CV (Control Voltage) Converter. Dieser wandelt MIDI-Signale in verschiedene Steuerspannungen um, die wiederum in den SEM geschickt werden können. Es gibt übrigens auch eine Version des SEM mit MIDI, die aber dafür kein Patch-Panel besitzt.

PATCH-PANEL-ANSCHLÜSSE IM ÜBERBLICK:

VCO1
CV1 IN, CV2 IN, EXTMOD IN, SYNC IN, SAWOUT, PULSEOUT, SYNC OUT
VCO2
CV1 IN, CV2 IN, EXTMOD IN, SYNC IN, SAWOUT, PULSEOUT, SYNC OUT
VCF
CV1 IN, CV2 IN, EXTMOD IN, LOWPASS, BANDPASS, HIGHPASS, NOTCH

AUDIO IN 1, AUDIO IN 2, LFO TRIG, LFO OUT, VCA CNTL, VCA OUT
ENV1
GATE, TRIGGER, OUTPUT 
ENV2
GATE, TRIGGER, OUTPUT

Fotostrecke: 3 Bilder Zur Linken: Das u201egefu00fctterteu201c Miniklinke Patch-Panel des SEM

Praxis

Die Oszillatoren

Der SEM bietet zwei monophone Oszillatoren, die jeweils Sägezahn oder Pulswelle über einen Umfang von ca. vier Oktaven erzeugen können und sich synchronisieren lassen. Einen Oktav-Umschalter, wie man ihn von anderen analogen Modellen kennt, sucht man am SEM leider vergebens. Für das Fein-Tuning steht pro Oszillator ein kleiner Drehregler zur Verfügung. Die Oszillatoren lassen sich durch verschiedene Quellen (Hüllkurvengenerator, Externes Signal, LFO) entweder in Frequenz oder Pulsbreite modulieren. Letztere kann dank einem extra Regler auch manuell ohne Modulation verändert werden.

Beide Oszillatoren klingen sehr warm und machen ordentlich Druck – so war es mir auch mit Zuhilfenahme des –15dB Pads einer DI-Box nicht möglich, mein Audio-Interface bei voll aufgerissenen Oszillatoren nicht zu überfahren. Deshalb wage ich an dieser Stelle die Behauptung, dass ein Master Volume-Regler durchaus sinnvoll gewesen wäre – der SEM besitzt nämlich keinen.

Audio Samples
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VCO – Env u0026 Pulse Width VCO – Env Saw VCO – Sync – Saw u0026 Pulse Deep Bass Saw Deep Bass Saw+Pulse
Schön für Auge und Ohr – SAW&Pulse aus dem SEM

Die Filtereinheit

Der übersichtlichen Filtereinheit wurde beim kleinen Oberheim ein ebenso übersichtlicher – wenn auch zu Beginn etwas verwirrender – Mixer vorgeschaltet. In der 12Uhr-Stellung des Potis, in welcher er auch einrastet, ist der Oszillator nicht zu hören, im linken Bereich regelt man die SAW- im rechten die Pulse-Lautstärke des Klangerzeugers. Selbiges gilt für VCO2 und die optional extern-zugeführten Audioquellen.

Das 12dB-Filter kann nach Belieben durch den vorgesehenen Drehregler entweder als stufenlos überblendbares Lowpass/Notch/Highpass- oder mittels Schalter als Bandpass-Filter in den Sound eingreifen und klingt fantastisch.

Die Modulationsquelle für das Filter kann durch einen dreistelligen Wahlschalter bestimmt werden. Hier stehen Hüllkurvengenerator 2 (ENV 2), externe Quelle oder der interne LFO zur Verfügung. Außerdem kann man per Drehregler zwischen negativer und positiver Modulation wählen. Alles in allem eine sehr klare Filter-/Mixereinheit, die sich auch Schraubern ohne große Vorkenntnisse schnell selbst erklärt und extrem gut klingt!

Audio Samples
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Filterlauf – LP-Notch-HP Bandpass Filter – Modulation LFO Filter – Freakout

Der LFO

Das Thema LFO ist an dieser Stelle schnell beschrieben. Ein Poti steuert die Geschwindigkeit des „Tiefschwingers“ – ansonsten ist da leider nichts. Man muss sich folglich mit der Dreieck-Schwingform begnügen, deren Geschwindigkeit leider auch nicht (wie sonst oft) durch eine zusätzliche LED angezeigt wird. Es heißt also Augen zu und Ohren auf – was auch funktioniert, für mich persönlich aber ein kleiner Wermutstropfen ist.

Audio Samples
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VCO Modulation per LFO Filter Modulation per LFO

Die Hüllkurven 
Auch hier gilt: Klar, klarer, SEM. Attack, Decay, Sustain – mehr braucht der Synthie-Schrauber erst mal nicht. Die Decay-Einstellung regelt allerdings auch die interne Release-Phase – bestimmt also, wie lange der Ton nach dem Loslassen der Taste nachklingt. Mit dem VCA ON/EXT-Schalter lässt sich auf Dauerbetrieb schalten, indem die Verbindung zum ENV1 gelöst wird. In diesem Modus kann man den VCA durch extern-zugeführte Steuerspannungen kontrollieren. Dies funktioniert auch für beide Oszillatoren gleichzeitig.

Der Sound

Der Sound des Synthies ist schlicht und ergreifend fantastisch! Vom weichen tiefen „Summen“ über holzig-warme „Plöcks“ bis zu knarzig-harten Bässen bietet der SEM eine erstaunlich breite, authentisch-analoge Klangpalette. Das liegt auch an dem hervorragenden 2-pol Filter-System, dass ihn zu einer eigenständig klingenden Waffe macht.

Obwohl ich anfangs aufgrund des schlichten und für meinen Geschmack etwas lieblosen Erscheinungsbildes reserviert war, hat mich der SEM ganz schnell und intensiv in seinen Bann gezogen! Meine erste optische Assoziation mit der Fernbedienung eines 25 Jahre alten Lastenkrans hat sich nach dem Einschalten bestätigt, vergleicht man die Energie beider Geräte. Sicher darf man in der Preisklasse auch kein überschwängliches Gehäuse, edle Buchsen oder teure Potis erwarten –  Tom Oberheim hat sich wohl eher auf die inneren Werte konzentriert, und das mit Erfolg – „Reduce to the Max“!

Ein großer Bonus des SEM ist ohne Zweifel das eingebaute Patch-Panel, welches sehr komplexe Verschaltungen ermöglicht. Auch die Tatsache, dass unzählige Signale wie beispielsweise die einzelnen Filtertypen oder die Oszi-Audiosignale an den zugehörigen Buchsen abgreifbar sind, lässt den Kleinen wunderbar in einem modularen System funktionieren und ermöglicht im Studio munteres Schrauben mit nahezu unzähligen Möglichkeiten. Mit Hilfe eines MIDI/CV-Wandlers (Im Test verwendet: Kenton Solo MKII) sollte auch der nicht erfahrene Modular-User keine Probleme mit der Steuerung der einzelnen Parameter oder der Einbindung in ein Sequenzer-Programm haben.

Allen, die im Studio nach analoger Verstärkung suchen, sei dieses Gerät unbedingt ans Herz gelegt.

Vielen Dank, Herr Oberheim!

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • Preis vs. Leistung
  • fantastischer Sound!
  • sehr kompakt
  • zahlreiche Anschluss-/Steuermöglichkeiten
  • geringes Gewicht
Contra
  • kein eingebautes Netzteil
  • LFO bietet nur eine Schwingform
  • keine LFO-Speed LED
  • kein Master-Volume Regler
  • nur 3,5mm Buchsen für Audio-in
Artikelbild
Oberheim SEM Test
Technische Details
  • Technische Daten
  • Stromversorgung: externes Netzteil 100 – 240V
  • Abmessungen(BxHxT): 29cm x 14cm x 21,5cm
  • Gewicht: 2kg
  • Anschlüsse: 24 V DC in, Audio Out (6,3mm Klinke)
  • Patchpanel (3,5mm Klinke)
  • VCO1: CV1 IN, CV2 IN, EXTMOD IN, SYNC IN, SAWOUT, PULSEOUT, SYNC OUT
  • VCO2: CV1 IN, CV2 IN, EXTMOD IN, SYNC IN, SAWOUT, PULSEOUT, SYNC OUT
  • VCF: CV1 IN, CV2 IN, EXTMOD IN, LOWPASS, BANDPASS, HIGHPASS, NOTCH
  • AUDIO IN 1, AUDIO IN 2, LFO TRIG, LFO OUT, VCA CNTL, VCA OUT
  • ENV1: GATE, TRIGGER, OUTPUT
  • ENV2: GATE, TRIGGER, OUTPUT
  • Preis: 950,- €
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Profilbild von PIT MUSIVOX

PIT MUSIVOX sagt:

#1 - 30.08.2019 um 14:13 Uhr

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TOM OBERHEIM KÜNDIGTE SEINEN SON OF Fourvoice an- dann gecancet-Aber
seine neuen guten SEM-MODUE lassen sich mit einem Tool polypphon anspielen
so das nur ein PROGRAMMER FEHLT- WER SAGT ES TOM ODER ULI ZUM BAU?
dann wäre ein four+eigthvoice wieder möglich heute bezahlbar- Gehäuse selber bauen.

Profilbild von PIT MUSIVOX

PIT MUSIVOX sagt:

#2 - 30.08.2019 um 14:14 Uhr

0

HÖRT MUSIVOX ALTE ANALOGE & KONTAKT GGF BEI www.musivox.de.to

Profilbild von MIDISOFT.DE

MIDISOFT.DE sagt:

#3 - 30.08.2019 um 14:17 Uhr

0

www.midisoft.de baut Oberheim CC MIDI Plucks für OBX OB-SX OBXa OB8-
OB-SX CC MIDI SOGAR FÜR ALLE 32 OBSX PARAMETER ZB MIT BCR2000
auch bei EBAY angeboten alle- und repairs by www.midisoft.de - rm@midisoft.de

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