Für manche überraschend, für andere nur logisch: Moog bringt mit dem MUSE einen achtfach polyphonen Analog-Synthesizer auf den Markt. Schaut man auf Features wie Polyphonie, die umfangreiche Mod Matrix und die beiden Filter, könnte man den MUSE als Brücke zwischen dem paraphonen Moog Matriarch und dem hochpreisigen Flaggschiff Moog One verstehen.
Gleichzeitig lehnt sich Moog mit dem Muse aus dem sonst eher monophonen Fenster und begibt sich in den Kosmos etablierter Poly-Synths wie dem Sequential Prophet REV2 oder dem Novation Summit. Es lässt sich nur darüber spekulieren, ob dieser neue Weg mit der Firmenübernahme durch den Music-Tech-Riesen inMusic (u. a. Akai, M-Audio) zusammenhängt. Ob der Spagat aus puristischer Tradition und neuen Ufern beim Muse gelingt, haben wir für euch getestet.
Checkliste zum Kauf von Moog Muse
- achtfach polyphoner, bi-timbraler Analogsynthesizer
- Drei Oszillatoren
- Zwei flexibel einsetzbare Filter
- Digitales Delay mit Diffuse/Reverb-Option
- Vier LFOs und diverse Modulationsmöglichkeiten
DETAILS
Stolzes Format
Schon beim Karton zeigt sich: Dem Kompaktheitstrend von Herstellern wie Behringer stellt sich der Muse eindeutig entgegen. Mit seinen knapp 100 x 42 x 11 cm (B x T x H) und stolzen 14,5 kg Gewicht ist er ein echte Brocken. Vor allem die Tiefe vom „Heckspoiler“ (vermutlich zur Hitzeabfuhr) lässt ihn sperriger wirken als so manches Stage Piano, das auf einem Doppelstativ auf der Bühne unausgeglichener aussehen könnte.
Für dich ausgesucht
Das stolze Format hat aber auch den Vorteil, dass große Poti-Abstände und viele Regler auf dem Bedienpanel Platz gefunden haben, die sich bei anderen Synthesizern gern mal in Sub-Menüs verstecken. Außerdem ist im Muse eine leicht gewichtete 61 Tasten Full-Size-Tastatur mit Aftertouch verbaut. Die wirkt im direkten Vergleich etwas leichtgängiger, klappriger und weniger solide als etwa beim Moog Matriarch. Das kann aber auch daran liegen, dass es aufgrund des großen Gehäuses mehr zum Klappern gibt.
Best-of Vintage-Synth-Design
Die typischen, vertrauten Vintage-Potis verweisen eindeutig auf Moog, während mich das große Gehäuse mit den bunten Plastik-Buttons phasenweise an Vintage-Flaggschiffe wie den Yamaha CS-80 oder den Roland Jupiter-8 erinnert. Dazu kommen die Octave Cat-ähnlichen Fader-Hüllkurven. Schon äußerlich deutet der Muse also an, dass er nicht einfach nur „ein weiterer Moog“ ist.
Aufbau und Bedienung
Auf den ersten Blick ist der Muse ein klassisch subtraktiver Poly-Synth, wie wir es gewohnt sind. Die Oszillatoren laufen im Mixer zusammen, bevor sie in die Filtersektion wandern und schließlich mit Modulationen und Effekten veredelt werden. Die verschiedenen Sektionen des Muse offenbaren dann doch ein paar interessante Features, die ihn teilweise stark von anderen Analog-Synthesizern unterscheiden – dazu später mehr.
Jeder Bereich verfügt über einen dreieckigen Button, über den man im Programmer-Display das jeweilige „More“-Menü öffnet. In diesem Menü editiert man die Parameter, die über die sichtbaren Potis hinausgehen. Es sind also im Prinzip klassische Sub-Menüs, die sich dank der Buttons easy einer bestimmten Sektion zuordnen lassen.
Bedient man die Regler wie etwa den OSC1 Frequency, tauchen die Werte nicht wie etwa beim Prophet REV2 im Display auf. Somit klebt man nicht ständig mit einem Auge am Display, sondern konzentriert sich mehr auf Performance und Klang. Das Display liefert uns also nur die Informationen, die wir auch wirklich brauchen.
Bi-Timbralität und Voice Control
Was wir bereits von Poly-Synths wie etwa dem Novation Summit kennen, ist die Bi-Timbralität – also das gleichzeitige Erzeugen und Spielen zweier unterschiedlicher Sounds. In der Voice Control-Sektion bestimmt man, wie diese gespielt werden. Möglich sind Split und Layer. Die Buttons A und B zeigen an, welchen Sound ihr gerade bearbeitet.
Klickt ihr beide Buttons gleichzeitig, könnt ihr die Sounds global bearbeiten, zum Beispiel den Filter-Cutoff für beide Patches simultan regeln. Je nach Einstellung teilen sich die acht Stimmen flexibel auf die beiden Patches auf – oder ihr legt die Anzahl pro Patch im „More“-Menü fest. Außerdem ist neben einer Chord-Funktion ein Detune-Regler an Bord, über den man die Stimmen gegeneinander verstimmen kann. Hinzu kommen Buttons für Monophonie und Unisono.
Ihr könnt also alle acht Stimmen übereinander stapeln, was euch unter anderem ziemlich mächtige Basssounds beschert. Der VCA stellt neben Pan-Spread auch L/R-Panning für die jeweiligen Patches zur Wahl. Insgesamt beherbergt der Muse 16 Bänke mit jeweils 16 Slots – macht insgesamt also 256 Speicherplätze. Die vielseitigen Modulationsmöglichkeiten kommen in den Factory Presets nur bedingt zur Geltung, die meist relativ unkompliziert sind. Am meisten Spaß macht es dann doch, selbst Sounds zu bauen und so die wahre Macht des Muse zu entdecken.
Moog Muse Oszillatoren
Die Oszillatorsektion verbindet Altbekanntes mit ungewöhnlichen Moog-Erweiterungen. An Bord sind drei VCOs, die auf denen des Moog Voyager basieren. Der ist innerhalb der Moog-Familie ja für seinen eigenständigen Sound bekannt. Zwei der Oszillatoren haben neben ihren Oktavschaltern auch ein interessantes Blending-Konzept. Es gibt jeweils einen Regler für das stufenlose Mischen von Dreieck und Sägezahn und einen für die Pulsweite der Rechteck-Wellenform. Diese beiden Komponenten (Dreieck/Sägezahn und Puls) könnt ihr dann wiederum mittels Fader stufenlos mischen. Auf diese Weise entstehen intuitiv ganz eigene Wellenformvariationen.
Die beiden Oszillatoren lassen sich auch zueinander syncen und auch FM ist möglich, wahlweise von OSC1 auf OSC2 oder anders herum. Sind beide FM-Buttons aktiv, findet Cross-Modulation statt. Der dritte Oszillator nimmt eine Spezialrolle ein. Er hat ein eigenes Bedienpanel namens „Modulation Oscillator“ und verzichtet auf Oktavschalter oder mischbare Wellenformen. Stattdessen gibt es diverse Regler für Modulationsziele wie etwa Filter Amount oder Pitch Amount. Das Prinzip, dass ein Oszillator optional auch als Modulationsquelle dienen kann, kennen wir bereits aus dem Moog Model D oder dem Sequential Prophet-06. Beim Muse drehen sich die Prioritäten nun um: Die Modulation ist die Hauptaufgabe und die Oszillatorfunktion die Option.
Der Mixer des Muse
Im Mixer kommt ein weiteres, für Moog untypisches Feature zum Vorschein: Fader. Die meisten Moog-Synthesizer arbeiten in allen Sektionen hauptsächlich mit Potis. Nicht nur für den Mixer, sondern auch für die Hüllkurven sind die Fader eine gute Wahl, weil sie so übersichtlich sind.
Mischen könnt ihr hier die Levels für die drei Oszillatoren, einen Ringmodulator auf Basis von OSC1 und OSC2 und einen Noise Generator. Außerdem gibt es einen Overload-Regler, der den Mixer Output als Feedback Loop wieder in den Mixer einspeist. Hierdurch entsteht ein Overdrive-Sound, der charakteristisch für den Moog CP3 Mixer aus den 60er Jahren ist.
Filter und Hüllkurven
Der Muse beheimatet zwei Moog-typische Ladder Filter mit seperaten Controls für Cutoff, Envelope Amount und Resonance. Während Filter 2 ausschließlich als Low Pass Filter fungiert, könnt ihr Filter 1 optional auf Highpass umschalten.
Außerdem lassen sich die beiden Filter wahlweise seriell, parallel oder in stereo betreiben, was stark an das Filterkonzept vom Moog Matriarch erinnert. Auf dessen „Spacing“-Option hat man beim Muse zwar verzichtet, dafür lassen sich hier beide Filter linken. Besonders hilfreich im Live-Einsatz ist ein separater Low-Cut Regler für die Summe – bi-timbral könnt ihr den allerdings nicht betreiben.
Die zwei ADSR-Hüllkurven für Amp und Filter lassen sich loopen und reagieren auch auf Velocity.
Üppige Modulation
Moog war bisher für einen puristischen Ansatz und charakteristischen Sound bekannt. Beim Muse kommt nun ein ausgeprägtes Gespür für vielseitige Modulationen hinzu, die ihr auf verschiedenen Wegen einrichten könnt. Im Programmer-Bereich nutzt man dazu die sogenannte „Mod Map“.
Hierbei handelt es sich um eine Modulationsmatrix mit bis zu 16 Slots. Pro Slot bestimmt man dann die Modulationsquelle und das Modulationsziel. Außerdem kann man über einen Controller, beispielsweise das Mod Wheel, festlegen, worüber man die Modulationsintensität regeln möchte. Für die möglichen Controller hat Moog eine eigene Sektion namens „Assignable Controllers“ eingerichtet. Hier befindet sich auch ein Makro-Regler, den man als eine Art zusätzliches Mod Wheel verstehen kann.
Hinzu kommt bei jedem Modulations-Slot die Option FUNCTION. Sie moduliert auf Basis unterschiedlicher Algorithmen ausgewählte „Function Destinations“. So moduliert ihr beispielsweise die Wellenform eines LFOs, der gleichzeitig der Filterfrequenz zugewiesen ist. Diese mehrteilige Modulationsstruktur (Mod Source/Destination, Function, Control) ermöglicht sehr vielseitige und komplexe Modulationen. Viele Modulationsquellen haben haptische „Assign“-Buttons. Dreht ihr dann den Regler der Mod Destination, könnt ihr die Modulation auch rein haptisch und intuitiv programmieren, ohne ewig im Display-Bereich herum zu klicken.
Was euch auch hier leider nicht erspart bleibt, ist die Tatsache, dass ihr jede eingerichtete Modulation per „Enter“-Taste bestätigen müsst. Das kennt man von anderen Synthesizern nicht, weshalb man es gern mal vergisst – und schon ist die ausgeklügelte Modulation verloren gegangen.
LFOs und Modulation Oscillator
Vier Modulationsquellen stehen euch insgesamt auf dem Keyboard zur Verfügung. Die Clock hält syncbare LFOs in unterschiedlichen Qualitäten bereit. Zwei davon sind herkömmliche LFOS mit Dreieck, Rechteck, Puls und Random. Aber auch hier versteckt sich mit USER ein nettes Zusatz-Feature: Euch stehen 11 Wellenformen zur Verfügung, aus denen ihr euch eine zusätzliche LFO-Wellenform aussuchen dürft. Auch die Sinusform ist hier mit dabei, was gerade für sanfte Modulationen oft besser geeignet ist als das Dreieck.
Der nächste an der Reihe ist der sogenannte Pitch LFO, der mit seiner stufenlos wählbaren Mischung aus Sawtooth, Dreieck und Ramp vor allem für Pitch-Modulationen zuständig ist. Während ihr die anderen beiden LFOs über die Mod Slots zuweist, hat der Pitch LFO einen dezidierten Regler für Pitch Amount, womit ihr die Mod Map umgehen könnt. Der Modulation Oscillator bringt gleich vier solcher Regler für Pitch, Filter, PWM und VCA Amount mit. Dadurch kommt der Muse insgesamt sogar auf 21 Modulation Slots.
Eine weitere tolle Modulationsquelle ist beispielsweise der „Random Trig“, der bei jeder gespielten Taste zufällige Werte einer Modulationsquelle an die Destination schickt. Bei vielen Mod Sources könnt ihr außerdem zwischen uni- und bi-polar auswählen.
Arpeggiator und Sequencer
Der Arpeggiator von Muse lässt sich pattern-, random- oder reihenfolgenbasiert betreiben. Außerdem gibt es einen separaten Schalter für forward/backward und zusätzliche Detaileinstellungen im „More“-Menü. Arpeggiator und Sequencer verfügen jeweils über einen Clock-Divide-Regler. Der polyphone Sequencer von Muse hat es in sich: Für alle bis zu 64 Steps könnt ihr pro Stimme Gate, Velocity, Timing und bei bi-timbraler Nutzung sogar Patch A oder B auswählen.
Bis zu 16 Parameter-Automationen könnt ihr zusätzlich in den Sequencer aufnehmen. In Kombination mit den Probability-Settings entstehen hier sehr vielschichtige wie lebendige Patterns und Sequenzen. Und für die habt ihr hier eine eigene Speichereinheit, die unabhängig von der Sound-Bank agiert. Außerdem gibt es einen LIVE RECORD Mode, der Steps ersetzt, während die Sequenz läuft.
Effekte
In Sachen On Board-Effekte zeigt sich der Muse minimalistisch. Hier findet ihr lediglich das sogenannte „Diffuse Delay“, das ihr nicht bi-timbral, sondern nur global betreiben könnt. Hierbei handelt es sich um ein digitales, linkbares Stereo-Delay mit zwei Sound-Modi. Die Delay-Fahnen könnt ihr mittels „Character“-Poti wahlweise so verwaschen, dass der Sound wie ein Reverb wirkt. Es ist also kein einfaches Delay.
Mit etwas Know-how sind hier diverse Sounds möglich – von Delay, über Raum und Reverb bis hin zu Ambient. An sich ist das Diffuse-Delay ein tolles Kreativ-Tool. Mit Blick auf die Konkurrenz wäre gerade für den Live-Einsatz eine simplere, bi-timbrale Effektsektion mit weiteren Effekttypen wie etwa im Novation Summit, OB-6 und Trigon 6 aber schön gewesen.
Anschlüsse
Bei den Anschlüssen bleibt der Moog Muse weitestgehend klassisch. Neben einem Stereo-Ausgang (6,3-mm-Klinke) und MIDI-In/Out/Thru gibt es eine großzügige CV-Ausstattung mit zwei CV-In/Out sowie Clock-In/Out und USB-A/B für MIDI, Updates und Back-ups. Externe Pedale bindet man über zwei Anschlüsse für Expression und Sustain ein.
Leider gibt’s keinen Audio-Eingang, was gerade für die Filter und Effekte/Modulationen sehr interessant gewesen wäre. Auch ein zweiter Stereo-Out für die getrennte Ausgabe der A/B-Patches hätte nicht geschadet. Praktisch ist hingegen der separate Lautstärkeregler für den Kopfhörerausgang auf dem Front-Panel. Außerdem hat man auf ein externes Netzteil verzichtet, ihr braucht für den Muse lediglich ein Kaltgerätestromkabel.
Peter Hauser sagt:
#1 - 06.08.2024 um 22:09 Uhr
So we ich das sehe, bleibe ich gerne bei meinem Novation Summit :), interessant auch, dass er hier zum Vergleich diente. Auch kann ich beim Durchlesen des Artikels mich dem den Eindruck nicht widersetzen, dass der Funke vom Muse auf den Tester nicht so recht hat überspringen wollen. Interessant wäre auch ein Vergleich zum Polybrute 12, der in der ähnlichen Preisklasse weibelt und mit deutlich mehr Features daherkommt.
Kosmonaut sagt:
#2 - 13.09.2024 um 10:27 Uhr
In der tabellarischen Übersicht auf Seite 2 steht mein Prophet REV2 6 fache Polyphonie, es sind doch je nach Ausbaustufe 8 bzw. 16?