Das „Electribe“-Konzept gehört untrennbar zur Produkt-DNA von Korg. Mehr noch: es ist im Kern eigentlich die Konstante, die die hohe Akzeptanz von Korg im Bereich der elektronischen Musik begründet. Viel mehr als beispielsweise die im Grunde noch recht junge Volca-Serie.
Nachdem schon die „iElectribe“ eine durchaus überzeugende Emulation der „Electribe R“ Drum Machine auf das iPad war, bringt Korg nun ein Software-Pendant seiner 2014 vorgestellten „Electribe“, allerdings mit dem Namenszusatz „Wave“. Denn im Gegensatz zum Original kommen – neben den PCM-Samples – auch Wavetable-Samples zum Einsatz. Mehr als gute Gründe also, uns die App für euch anzuschauen.
Details und Praxis
Konzept
„Electribe Wave“ ist eine iOS-App (iOS 10.3 aufwärts) für das iPad (ab iPad Air2, iPad 5te Generation, iPad mini 2 und iPad Pro aufwärts). Sie belegt ca. 128 MB und ist über den App-Store erhältlich. Die Software kann bis zu 40 Stimmen generieren, die sich auch acht Synth- und acht Drum-Parts verteilen. In der Synth-Sektion kommt Wavetable- und PCM-Synthese (70 Wavetables, 70 PCM Samples) zum Einsatz, die Drum-Einheit arbeitet ausschließlich mit Samples, etwa 250 an der Zahl. Jeder der 16-Parts (Drum/Synth) sowie der Master können zudem mit einem von insgesamt 29 Insert-Effekten bestückt werden. Die gesamte Konzeption vollzieht das Electribe-Konzept am iPad weitgehend nach, sodass die Musik hier in Patterns organisiert wird und die elementare Eingabe von Noten in Form der Lauflichtprogrammierung erfolgt (auch wenn Realtime-Recording möglich ist). Insgesamt stehen zehn Patterngruppen (A-J) bereit, von denen jede sechzehn Patterns enthalten kann – insgesamt also 160. Jedes Pattern kann 1-8 Takte lang sein und ist sowohl in Bezug auf Tempo, Last Step, Swing als auch Quantisierung modifizierbar. Beliebige Pattern können im Song-Modus hintereinander arrangiert werden, um komplette Tracks zu erstellen.
GUI
Das GUI der App und die Umsetzung der Touch-Bedienung überzeugen: Die Optik hält eine gute Balance zwischen Neutralität und farblicher Abgrenzung der einzelnen Sektionen. Dabei sollte man sich von der zugänglichen Optik nicht täuschen lassen: Electribe Wave ist eine ziemlich ausgefeilte App, die sich – hat man sich erstmal mit all ihren Funktionen und Möglichkeiten vertraut gemacht – problemlos zum Entwickeln zeitgemäßer Dance-Tracks eignet. Basale Funktionen wie das Aufrufen der Voreinstellungen und des virtuellen KAOSS-Pad, der Wechsel zwischen Pattern- und Song-Modus sowie die Transportsektion mit Record, Stop, Play und Cycle sind in der obersten Zeile angeordnet.
Mixer
Hier laufen die Signale der insgesamt sechzehn Parts (Drum/Synth) zusammen. Jeder Kanal verfügt über einen Volume- und Panning-Regler und kann auf Solo und Mute geschaltet werden. Über den Taster „MFX“ legt man fest, ob das Signal noch durch den optionalen Master-Effekt laufen soll. Davon unabhängig bewirkt der Regler „Boost“ eine saftige Komprimierung des Summensignals.
Je nachdem ob man nun einen Synth- oder Drum-Part angewählt hat, wechselt diese Ansicht komplett. Synth offenbart den Blick auf die Synthese-Engine, in deren Mittelpunkt der Oszillator steht. Ihn bestückt man wahlweise mit einem Wavetable- oder PCM-Sample, wobei sowohl der Startpunkt als auch die Bewegung (gesteuert durch den Envelope Generator: EG) bestimmbar sind. Flankiert wird er durch einen Modulator, der folgende Optionen bietet:
- Sync – ein zweiter Oszillator, dessen Phase von Oszillator A moduliert wird.
- Xmod – ein zweiter Oszillator (Modulator), der den ersten (Carrier) moduliert.
- Vpm – ein Variablen-Phasen-Modulator (VPM), der harmonische Vielfache von Oszillator A generiert.
- Narrow – erhöht die Abspielgeschwindigkeit der Wavetable.
- Refrect – spielt die Wavetable rückwärts.
- Subosc – Ein Suboszillator mit wählbarer Lautstärke und Oktavlage.
Ferner legt man hier fest, ob der Klang Polyphon (max. 4 Stimmen) oder Monophon (inklusive Glide) klingen soll. Es folgt das Multimode Filter (HP, LP, BP) mit wählbarer Resonanz- und Hüllkurven-Verfolgung. Eine Zeile tiefer schließen sich ein ausgesprochen fetter Unisono-Modus, ein 2-Band-Equalizer (Low, High), ein Effekt-Slot und ein AD-Envelope-Generator (EG) an. Animation erfährt der Klang durch zwei mächtige Modulatoren, von denen jeder mit fünf Wellenformen, wählbarer Intensität und Geschwindigkeit auf grundlegende Klangparameter (Filter, Wavetable-Position, Pitch, Effekt-Parameter) wirken kann.
Mit diesem Synthese-Besteck lässt sich prinzipiell ein Großteil der Klangkreationen erschaffen, die in der elektronischen Tanzmusik gängig sind. Wenn, ja wenn die Oszillator-Wellenformen das entsprechende Grundmaterial liefern. Korg bleibt mit seinen 140 PCM-Samples und Wavetables in relativ bekanntem Terrain, das für den anvisierten Einsatz (Trap, EDM, Future Bass) sicherlich passend ist. Eine Möglichkeit zum Import externer Samples würde die guten Synthesemöglichkeiten aber dramatisch erweitern und steht ganz weit oben auf meiner Wunschliste für künftige Updates. Schade auch, dass Korg seiner App lediglich eine dürftige Auswahl von gerade einmal zwei Dutzend Werkssounds spendiert hat.
Selbiges gilt übrigens auch für den Drumcomputer: Die rund 250 Sounds sind weitgehend stilsicher und ermöglichen das Programmieren in gängiger Ästhetik. Und auch hier wünscht man sich den Sample-Import, denn die Drum-Ansicht ist prinzipiell ein gut gestaltetes Interface zur Rhythmusprogrammierung: Jeder der sechs Slots kann mit einem Sample-bestückt, in Pitch und Lautstärke angepasst und mit einem Effekt versehen werden werden, der zwei steuerbare Parameter bereithält (beispielsweise Cutoff/Peak, Time/Level oder Speed/Depth). Hier mal einige Klangbeispiele, die zeigen, dass sich mit dem mitgelieferten Soundmaterial eine ganze Reihe von Stilistiken abdecken lässt:
Wie breit das erzielbare Spektrum ist, zeigen diese Beispiele ganz schön: An beiden Pattern habe ich gerade einmal zehn Minuten gesessen. Beim ersten ging es mir um einen sehr aufgeräumten Sound, beim zweiten wollte ich so viel Chaos wie möglich produzieren:
Sequence
Hat man Noten – wahlweise per Lauflichtprogrammierung oder Realtime-Recording – eingespielt, lassen sich diese in der Sequence-Ansicht modifizieren. Jede der sechzehn Stufen eines Taktes findet hier ihre visuelle Entsprechung. Bei Synth-Parts werden die gespielten Noten samt Gate-Time und Velocity angezeigt, bei Drum-Parts verschwinden die Noten und es erscheint der Roll-Parameter zusammen mit dem Groove-Raster. Beide Ansichten sind im Detail hervorragend gelöst: So hat man bei Synth-Sequenzen ein kleines zwei Oktaven-Keyboard im Blick, mit dem Akkorde eingetippt werden können, im Drum-Sequenzer appliziert man das Groove-Raster mit wählbarer Stärke auf Anschlagsstärke und Mikrorhythmik.
Motion
In der Motion-Ansicht herrscht man über die Automation von fast allen relevanten Parametern eines Parts. Bewegungen nimmt man entweder direkt in Echtzeit auf oder editiert und modifiziert sie durch Verschieben der entsprechenden Slider. Übergänge zwischen den Werten erfolgen wahlweise hart (Trigger Hold) oder werden weich interpoliert (Smooth).
Utility
Der letzte Screen dient dazu, Takte und Parts innerhalb eines Patterns zu kopieren, transponieren, löschen und verschieben. Besonders hier hat die Arbeit am Touch-Display entscheidende Vorteile gegenüber der echten Hardware: Einfach auf eine Zeile, Spalte oder einen Takt tippen und ihn via „Copy“ auf eine andere Position duplizieren geht am großen Display eines iPad Pro entscheidend besser als auf der kleinen LCD-Anzeige des Originals.
Pattern-/Song-Ansicht
Mit einem Klick auf die Titelleiste wechselt man – je nach Modus – in die Pattern- beziehungsweise Song-Ansicht. Im Pattern-View definiert man für das aktuell ausgewählte Pattern das Tempo, die Taktanzahl, Last-Step, Swing und metrische Auflösung. Hier steht dann auch (genauso wie in der Song-Ansicht) ein Bounce-Taster bereit, der zum jetzigen Zeitpunkt leider nur die Optionen „iTunes File Sharing“ und „Audio Copy“ anbietet. Dringend wünscht man sich hier einen direkten Dropbox-Export und im Idealfall sogar einen Transfer in Einzelspuren. Gelungen ist dann wieder die Songansicht, in der man die Abfolge von Patterns zu Songs festlegt: Geht man in den Edit-Modus fügt man Patterns durch Tippen des Plus-Tasters ein und verschiebt sie im Anschluss einfach durch Anfassen in der Liste – sehr schön und ebenfalls viel übersichtlicher auf der echten Hardware. Noch besser: Für jedes Pattern kann man hier in einer Mute-Matrix die Aktivierung/Deaktivierung der Parts und deren Transposition festlegen.
Kaoss Pad
Natürlich hat Korg auch ein Kaoss Pad integriert und das in ziemlich gelungener Form. Denn praktischerweise stellt es kontextabhängig ein Parameterset bereit, das zum aktuell aufgerufenen Part passt (bei Drums beispielsweise Pitch/EG-Time, beim Synth Oszillator Modulation/Position). Über zwei Dropdown-Menüs können für die X- und Y-Achse aber auch sämtliche Parameter der Klangerzeugung aufgerufen werden.
Fazit
- Zugängliches, leistungsfähiges und zielführendes Bedienkonzept
- MIDI- und Ableton-Link-Integration
- Zahlreiche Spielhilfen (Arpeggiator, Skalen, Chord Pad)
- Gelungene Sound-Engine mit zwei Modulatoren
- Live-taugliches Konzept
- Groove- und Motion-Sequencing
- Überzeugende Realtime/Step-Sequencer-Symbiose
- Wenige Preset-Sounds und Drums
- Kein Sample-Import
- Wenige Export-Ziele und kein Multitrack-Rendering
- Keine fertigen Chord-Sets
- EG/Gate-Handling etwas aufwendig
- Kein Undo
- Klicken auf dem Screen schließt Listen nicht
- neu entwickelte ELECTRIBE App für iOS mit Wavetable und PCM Klangerzeugung
- komplettes Produktionsstudio für elektronische Tracks
- Quick Input Sequencer
- Chord-Pad-Funktion zum Spielen kompletter Akkorde mit einem Finger
- 16 Parts (8 Drum/8 Synth)
- 29 Effekttypen
- KAOSS Pad-Funktion zur Steuerung von zwei Effektparametern mit einem Finger
- Ideal für EDM, FutureBass und Trap
- EUR 29,99,-
- Zugängliches, leistungsfähiges und zielführendes Bedienkonzept
- MIDI- und Ableton-Link-Integration
- Zahlreiche Spielhilfen (Arpeggiator, Skalen, Chord Pad)
- Gelungene Sound-Engine mit zwei Modulatoren
- Live-taugliches Konzept
- Groove- und Motion-Sequencing
- Überzeugende Realtime/Step-Sequencer-Symbiose
- Wenige Preset-Sounds und Drums
- Kein Sample-Import
- Wenige Export-Ziele und kein Multitrack-Rendering
- Keine fertigen Chord-Sets
- EG/Gate-Handling etwas aufwendig
- Kein Undo
- Klicken auf dem Screen schließt Listen nicht