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Intonation beim Singen – wie kann man das üben?

Es gibt fantastische Sängerinnen und Sänger, die einen grenzenlosen Stimmumfang zu haben scheinen. Sie können scheinbar alles singen und haben nie Probleme mit der Stimme. Wenn dann aber die Töne nicht richtig sitzen, kommen Zweifel auf. Über eine unsichere Intonation kann weder die beste Stimme noch das größte Talent hinwegtäuschen.

(Bild: © Shutterstock, Foto von Andy Dean Photography)
(Bild: © Shutterstock, Foto von Andy Dean Photography)
Inhalte
  1. Wann spricht man von einem Intonationsproblem?
  2. Was sind die Ursachen für eine schiefe Intonation und was kann man dagegen tun?
  3. 1. Ursachenanalyse: Weshalb können die Töne nicht erreicht werden? Sind es Technikfehler oder die mangelnde Vorstellung der Frequenzen?
  4. 2. Ein Instrument spielen lernen
  5. 3. Intensives (Zu-)Hören von Musik
  6. 4. Eine Melodie oder einzelne Töne langsam auf dem Klavier (oder einem anderen gestimmten Instrument) spielen, im Gehör
  7. 5. Tonfolgen im Zeitlupentempo kontrolliert singen
  8. 6. Pitchen lernen (pitch engl. für Tonhöhe)
  9. 7. Intonieren von Doppellauten sowie stimmhaften und stimmlosen Konsonanten
  10. 8. Kontrolliertes Phrasieren üben
  11. 9. Intervalle singen und erkennen – chromatische Tonleiter singen


Wer immer nur an seiner Stimme und seinem Repertoire, aber nie wirklich an seiner Intonation gearbeitet hat, muss eventuell eines Tages mit dem Üben von vorne anfangen. Denn genau so wie das richtige Verständnis von Rhythmus eine Basis für alle Musikerinnen und Musiker darstellt, so ist auch eine saubere Intonation Grundlage für das harmonische Zusammenspiel mit anderen Musikschaffenden.
Doch wo beginnt eine unsaubere Intonation? Was wird noch als künstlerische Gestaltung akzeptiert und ab wann wird es für den Zuhörer oder die Zuhörerin unangenehm?
Woran liegt es, dass manche Sänger die Töne nicht richtig treffen? Hören sie es und wissen einfach nicht, was sie dagegen tun können, oder klingt es in ihren Ohren einfach gut genug, und sie kommen somit gar nicht auf die Idee daran zu feilen?

Wann spricht man von einem Intonationsproblem?

Intonationsschwächen können vielfältige Gründe haben. Anfangs liegen die Schwierigkeiten bei der Intonation oft daran, dass die Stimmtechnik noch nicht ausgeglichen ist, oder dass sich die richtigen Frequenzen noch nicht im Gedächtnis verankert haben. so liegt es am Ende. Bei Fortgeschrittenen wird die Schwäche ganz einfach am eigenen Anspruch gemessen, das heißt daran, ob und wie genau man tatsächlich singen möchte.
Es gibt natürlich immer einen gewissen Spielraum, in dem man sich bewegen kann – das nennt man künstlerische Freiheit. Eine leicht schiefe Intonation kann sogar zum Wiedererkennungsmerkmal werden. Das funktioniert aber nur dann, wenn den Zuhörerinnen und Zuhörern klar wird, dass das gewollt ist und nicht passiert, weil man es nicht anders kann. Außerdem muss solch ein gewagtes “Spiel” natürlich auch mit den Begleitmusikerinnen und -musikern abgestimmt sein. Sonst kann es passieren, dass sie einen nicht noch einmal begleiten möchten.
Auch wenn sich durch Bluesphrasierungen oft “geschmierte” Übergänge ergeben, hört man doch sehr genau, ob der Sänger oder die Sängerin weiß, auf welchen Zielton er oder sie hinsteuert. Ist dieser nicht klar und deutlich in der gedanklichen Vorstellung vorbereitet, so wird der Ton nach einem “Slide” im Nirgendwo enden. Dadurch ergibt sich ein verschwommenes Bild der Frequenzen und dann weiß die Zuhörerschaft nicht mehr, woran es liegt, dass die Sängerin oder der Sänger nicht besonders gut gefällt.

Was sind die Ursachen für eine schiefe Intonation und was kann man dagegen tun?

Die häufigsten Ursachen sind wahrscheinlich:

  • fehlende gedankliche Vorstellung der genauen Tonhöhe
  • mangelnde Stimmtechnik (Kontrolle über Stimmlippenschwingung)
  • zu wenig Energieaufwand
  • zu viel Atemdruck
  • ungenaues Intonieren von Konsonanten und Doppellauten
  • anatomische Probleme (Stimmlippenschwellung, Knötchen etc.)

Neun Schritte zur verbesserten Intonation

1. Ursachenanalyse: Weshalb können die Töne nicht erreicht werden? Sind es Technikfehler oder die mangelnde Vorstellung der Frequenzen?

Um herauszufinden, ob es vielleicht an deiner Stimmtechnik liegt, dass die Töne (vor allem in hohen Stimmlagen) immer unsauberer werden, singe einfach einmal dieselbe Melodie in einem leiseren “kopfigen” Ton. Wähle also einen Modus, der wenig Kraft erfordert.
Solltest du feststellen, dass die Töne dabei sehr viel besser sitzen, so kannst du davon ausgehen, dass du in deinem lauten, “brustigen” Modus mit zu wenig Energie singst. Du hast hier die Möglichkeit, entweder den Modus ab einer gewissen Tonhöhe zu wechseln oder mit mehr Energie und ggf. mehr Lautstärke im kräftigen Modus zu bleiben.
Solltest du jedoch feststellen, dass beim leisen Singen das gleiche Problem auftaucht, so liegt es wahrscheinlich eher daran, dass du die Abstände zwischen den Tönen noch nicht genau verstanden hast.

2. Ein Instrument spielen lernen

Instrumentalistinnen und Instrumentalisten, die auf Grund ihres guten Gehörs beim Singen oft sehr genau intonieren können, wissen meist nur wenig über Stimmtechnik. Wenn sie singen, klingt es vielleicht nicht optimal, aber meistens können sie die Töne richtig platzieren, und zwar einfach deshalb, weil sie wissen, in welchem Frequenzbereich sich der Ton befinden sollte. Es geht also nicht immer darum, eine perfekte Stimme und eine ausbalancierte Technik zu besitzen. Manchmal reicht ein einfacher Stimmklang mit einer sehr guten Intonation aus, um seine Darbietung erfolgreich zu gestalten.
Am Ende ist es also egal WIE du klingst. Es kommt darauf an, dass deine Töne richtig intoniert sind. Du musst kein Instrument perfekt beherrschen, aber du solltest schon ein Klavier bzw. Keyboard oder eine Gitarre zuhause haben. Nimm ein paar Stunden Unterricht und beschäftige dich jeden Tag ein bisschen mit dem Instrument.

3. Intensives (Zu-)Hören von Musik

Anders ist es bei Sängerinnen und Sängern, die zuvor nie ein Instrument gespielt haben. Hier hängt es davon ab, wie intensiv sie sich mit Musik auseinandergesetzt haben. Das intensive Hören und Imitieren von Musik, gepaart mit großem Talent bzw. Einfühlungsvermögen kann völlig ausreichend sein, um sicher Intonieren zu lernen. Z. B. haben sich einige meiner Kolleginnen und Kollegen aus der Popmusikbranche allein dadurch ein gutes Gehör angeeignet, dass sie schon sehr früh sehr viel mitgesungen haben. Durch das Nachahmen guter Sängerinnen und Sängern kann man sich einen recht guten Abdruck der Töne verschaffen.

4. Eine Melodie oder einzelne Töne langsam auf dem Klavier (oder einem anderen gestimmten Instrument) spielen, im Gehör “aufnehmen” und wiedergeben.

Eine Intonationsschwäche liegt oft darin begründet, dass der Sänger oder die Sängerin keine Idee von der richtigen Tonhöhe oder der Frequenz des Tones hat. Das Gehör ist nicht ausreichend gebildet, könnte man sagen.
Um einen Ton in der richtigen Frequenz wiedergeben zu können, muss dieser im Gehirn abgespeichert werden. Diejenigen, die in der Kindheit ein Instrument gelernt haben, haben oft ein sehr gutes Gehör, denn sie haben durch das Spielen des Instruments die “richtige” Tonfrequenz im Gehirn verankert. Sie brauchen sich also beim Singen nur an diesen akustischen Abdruck erinnern.

Übung: Tonwellen ins Ohr lassen
Spiele einen Ton auf dem Klavier und warte, bis die Welle in deinem Ohr angekommen ist. Nimm dir viel Zeit! Warte, bis die Tonwelle abebbt. Versuche dabei, wirklich bis zum Schluss konzentriert zuzuhören. (Du kannst alternativ auch eine Stimmgabel benutzen. Allerdings hast du dann immer nur einen Ton zur Verfügung.) Singe nun den Ton mit “LAAAA” nach. Kontrolliere zwischendurch, indem du den Ton auf dem Klavier erneut spielst. Korrigiere dich ggf. Wiederhole diese Übung mehrmals. Spiele und singe anschließend weitere Töne.
ACHTUNG: Achte darauf, dass du den Klang nicht groß veränderst, wenn du in die Höhe gehst. Beobachte dich im Spiegel und stelle sicher, dass du deinen Unterkiefer nicht vorschiebst oder festhältst. Wähle einen bestimmten Klang aus und singe deine Übung in ein- und demselben Klang, ohne zwischendurch nasal oder verhaucht zu singen.

  • Zuerst hörst du eine Weile dem Ton zu.
  • Wenn die Tonwelle in deinem Ohr angekommen ist, singe den Ton mit “Laaa” nach.
  • Unterbreche immer wieder deinen Ton und höre der Tonwelle zu.
  • Setze dann wieder mit dem Singen ein.
  • Wiederhole diese Übung häufig und lass dir damit viel Zeit. Das ist fast wie Meditation!

5. Tonfolgen im Zeitlupentempo kontrolliert singen

Stelle sicher, dass du dich mit deiner Intonation immer in einem Frequenzbereich bewegst, der für den Ton, den du singen möchtest, noch akzeptabel ist. Konzentriere dich nur auf deine Tonwellen und nicht auf deine Stimmtechnik oder deinen Sound.
Du solltest in der Lage sein, in allen Stimmklängen, die du beherrschst, den richtigen Ton zu singen. Stimmklang und Intonation hängen nicht zwingend zusammen. Oft ist es aber leichter, den Stimmklang zu schmälern (z. B. mithilfe von Twang), um in die Höhe zu kommen. Finde heraus, ob das wirklich nötig ist, oder ob du noch in deinem favorisierten Klang die gesamte Linie singen kannst.
Beachte dabei aber, dass eine nach unten gesungene Melodie ebenso großer Kontrolle und Körperspannung bedarf wie eine nach oben gesungene. Andernfalls kann es passieren, dass die Töne im Verlauf immer tiefer werden.

Übung 1 – Laa, laa, laa, laa, laa (12321)*
Übung 2 – Lee Lee Lee Lee Lee Lee Lee (1234321)*
Übung 3 – Li Li Li Li Li (13531)*

  • Zuerst setzt du zwischen den Silben kurz ab.
  • Beim zweiten Durchgang verbindest du die Silben im Legato.

*Die Zahlen in Klammern bedeuten die Stufen auf der Dur-Tonleiter. Der Anfang des Kinderliedes “Alle meine Entchen” befindet sich z. B. auf den ersten fünf Tonstufen.

6. Pitchen lernen

(pitch engl. für Tonhöhe)
Wenn Du merkst, dass du etwas unter oder über dem Ton liegst, so versuche deinen Ton “richtig” zu pitchen. So wie man an einer Gitarrensaite dreht, bis sie die richtige Tonhöhe hat. Stell dir vor, du drehst an einer Kurbel in deinen Ohren. Oder mach dir klar, wie sich deine Stimmlippen wie Gummibänder in die Länge ziehen (und zurück).
Bei hohen Tönen werden die Stimmlippen länger. Bei tiefen sind sie kürzer. Das Nach-oben-Singen erfordert mehr Kraftaufwand im Körper als das Nach-unten-Singen. Wenn du allerdings beim Nach-unten-Singen zu leicht nachgibst, verlierst du die Kontrolle über die Töne.
Mach die “Sirene-Übung”! Wie eine Sirene singst du auf dem Konsonanten “ng” ein Glissando hoch und runter. Je langsamer du singst, desto genauer kannst du den nächsten Ton anvisieren.

Übung 4 – Die Sirene NGngngngngngnNGNGNGNGNgnngngn
Übung 5 – LaaaAAAAAAaaaaaa, LiiiiIIIIIIiiiii, LeeeeeEEEEEeee, LuuuuUUUUUuuuu

7. Intonieren von Doppellauten sowie stimmhaften und stimmlosen Konsonanten

a) Von einem Vokal zum anderen.
Doppellaute stehen häufig in der Mitte eines Wortes. Doch kommen sie auch am Anfang vor. In der englischen Sprache wird das “W” manchmal eher wie ein “U” gesprochen. Somit ergibt sich bei dem Wort “Water” ein Doppellaut. Auch in der deutschen Sprache gibt es Doppellaute am Anfang des Wortes, z. B. in “Auge”, “Einmal”, “euch” usw.
Mach dir bewusst, dass du die zwei verschiedenen Vokale auf demselben Ton singen solltest. Achte darauf, dass der erste Vokal des Doppellautes nicht aus dem Nirgendwo kommt, sondern bereits die richtige Frequenz hat, wenn du anfängst zu singen.

Übung 6
– When, Where, Why, Water
– angel, I, only
– shine, mine, time
– late, say, gain
– now, cloud, proud
– point, boy, toy
– Don’t, go, show

b) Von stimmhaften Konsonanten zu Vokalen und stimmhafte Konsonanten inmitten des Wortes.

Übung 7
Valentine, very
Zoo, Zebra
Lullaby, love
man, monday
new, nobody
you, year
read, right
-try, pray
c) Von stimmlosen Konsonanten zu Vokalen.
Natürlich kann man den Vokal mit dem Konsonanten nicht tonal vorbereiten. Dennoch ist es hilfreich, wenn man selbst bei Konsonanten wie p, t, k usw. den Ton in seiner Frequenz visualisiert und ansteuert. Dann stellen sich die Stimmbänder rechtzeitig auf die entsprechende Länge ein.

Übung 8 – ppaa, kkaa, ttee, gguu, ssii, ddoo, chää

8. Kontrolliertes Phrasieren üben

Natürlich wollen wir in der Populärmusik die Freiheit haben, unsere Melodien nach unserem Geschmack zu phrasieren und zu gestalten, und zwar mit dem Ziel, unserer musikalischen Idee auf schlüssige Weise Ausdruck zu verleihen. Das geht mithilfe einer persönlich (und oft spontan) gewählten Dynamik, der Art der Artikulation, der Akzentuierung und eben auch der Intonation. Statt die Töne immer direkt und präzise anzusingen, wollen wir sie entweder mal von unten “reinschleifen” oder von oben herunterziehen. Und das ist gut so, solange wir eine vorausgedachte Idee verfolgen und dabei weder die Rhythmik noch die Tonhöhe außer Acht lassen.

Übung 9 – Ein Halbton unter dem Zielton: LAAaaa
Übung 10 – Ein Ganzton unter dem Zielton: LAAAaaa
Übung 11 – Eine Quarte unter dem Zielton: LAAAAaaaa
Übung 12 – Ein Halbton über dem Zielton: LaaAA
Übung 13 – Ein Ganzton über dem Zielton: LaaaAAA

Video – “AT LAST” + Lyrics ETTA JAMES – Original Version

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Bei “Slides” von unten oder von oben muss darauf geachtet werden, dass diese Phrasierungen in einem genau gewählten Abstand zum Zielton und in exakt festgelegter Zeit gesungen werden. Im Allgemeinen werden solche “von unten angesungene” Töne in kurzer Zeit und über den Tonraum von einem halben oder ganzen Ton gesungen. Manchmal ist das Intervall aber auch größer.
Wichtig ist, dass diese Phrasierungen “in time” gesungen werden, sonst werden sie als Intonationsschwäche wahrgenommen. Auch die Konsonanten können bewusst von einem anderen Ton kommen und erst der Vokal landet dann auf dem Zielton. Solche Phrasierungstechniken finden sich häufig in Soul, Blues und Jazz.

9. Intervalle singen und erkennen – chromatische Tonleiter singen

Übe die Intervalle! Du solltest sie nach oben und nach unten singen können. Unterscheide genau zwischen Halbton- und Ganztonschritten. Falls du selber deine Intonationsschwächen gar nicht wahrnimmst, sondern lediglich deine Zuhörerschaft, so solltest du die Frequenzen der Töne nochmal genauer erfassen. Gehe dazu noch einmal zu Schritt 4 zurück.

Übung 14 – chromatische Tonleiter: la la la la la la la la

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(Bild: © Shutterstock, Foto von Andy Dean Photography)

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Profilbild von Thomas

Thomas sagt:

#1 - 15.01.2024 um 12:04 Uhr

0

Ich möchte mich einmal herzlich bedanken für die Videos. Seit ca. einem halben Jahr mache ich ein paar von den Übungen täglich und bin der Meinung, dass ich um einiges sicherer in der Intonation geworden bin. Das ersetzt natürlich keinen Gesangsunterricht, ist aber ungemein hilfreich. Danke!!!

    Profilbild von Catharina Boutari

    Catharina Boutari sagt:

    #1.1 - 15.01.2024 um 17:35 Uhr

    0

    Lieber Thomas, das freut mich sehr. Ich werde das an die Autorin weitergeben. Natürlich ersetzen die Videos keinen Gesangsunterricht. Trotzdem sollen sie aber einen echten Mehrwert geben. Das ist uns aus der Vocalsredaktion sehr wichtig. Vielen Dank für die Bestätigung! Gruß Catharina

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