Jeder Musiker braucht ein gutes Timing und muss ordentlich grooven. Wenn man gemeinsam musiziert, ist es unerlässlich, einen starken Puls zu empfinden und diesen auch für seine Mitmusiker und Zuhörer spürbar werden zu lassen. Im Idealfall bekommen wir als Tieftöner dann als Feedback zu hören: “Hey, das groovt ja klasse bei dir!” Aber gerade, wenn es nicht so klappen mag, stellt sich so mancher die Frage: Wie kann ich meinen Groove und mein Timing verbessern? Kann man diese Fähigkeiten üben, wie etwa eine Tonleiter? Oder sind sie eher angeborene Fähigkeiten? Keine Bange: Jede(r) Bassist:in kann sich jederzeit in den Bereichen Groove und Timing verbessern! In dieser neuen Workshopserie habe ich für euch Übungen zusammengestellt, mit denen ihr eure rhythmische Kompetenz Stück für Stück weiterentwickeln werdet. Und das Beste: Ihr benötigt keinerlei Hilfsmittel, wie z. B. ein Metronom. Die Übungen kann man jederzeit am Schreibtisch, im Zug oder in der Straßenbahn machen – immer dann, wenn man gerade einmal Zeit und Muße hat!
Beim Musizieren gibt es drei rhythmische Ebenen
Wenn man seinen Groove und sein Timing verbessern möchte, ist es hilfreich, sich klar zu machen, was rhythmisch so passiert, wenn wir Bass spielen. Zum einen läuft ein grundsätzlicher musikalischer Puls – zumeist in Vierteln, welcher das Tempo und die Taktart darstellt. Dieser bildet das Fundament für alles weitere.
Eine Ebene darüber liegt die Unterteilung dieses Pulses, die je nach Song individuell unterschiedlich sein kann. Diese kann Achtel, Triolen, Sechzehntel etc. beinhalten. Diese beiden Ebenen sollten wir empfinden und am besten auch durchklopfend oder zählend ausdrücken können.
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Den Abschluss bildet schließlich die eigentliche Rhythmik unserer Bassline, die im Prinzip eine editierte Form der Unterteilung ist. Mit dem Grundpuls trifft die Bassline manchmal zusammen – muss sie aber nicht zwingend. Je weniger Gemeinsamkeiten sie mit dem Puls hat, desto herausfordernder wird es, diesen beständig beizubehalten. Letztlich ist das Ziel, dass alle drei Ebenen unabhängig voneinander in uns existieren und sich komplett im Einklang befinden!
Drum-Übung binär
Das Empfinden eines musikalischen Pulses erlernt man deutlich einfacher und schneller, wenn man diesen auch aktiv ausübt. Am Bass sind wir leider zu relativ kleinen Bewegungen mit unseren Fingern oder das Klopfen mit dem Fuß verdammt. Schlagzeuger hingegen “arbeiten” mit Armen und Beinen im Puls, wodurch sich dieser auch schneller als Empfinden (quasi als “Feeling”) etablieren kann.
Wie also lässt sich das am Bass bewerkstelligen? Wir müssen ja schließlich beide Hände am Instrument haben, und Headbangen ist auf Dauer auch ungesund!
Hier ist eine Vorübung, die einen grundlegenden Drumgroove darstellt und bei der wir Arme und Beine wie ein Schlagzeuger einsetzen. Der rechte Fuß klopft dabei die “Bassdrum” auf die Zählzeiten 1 und 3, die linke Hand wird zum Backbeat (die Snare auf 2 und 4), und mit der rechten Hand klopfen wir die Unterteilung des Pulses, also Achtel oder Triolen.
Wir er-üben uns damit die ersten beiden der drei Ebenen (siehe oben) und bekommen deutlich schneller ein Gefühl dafür. Das Ganze erfordert natürlich etwas Koordination, diese ist aber eine grundlegende Voraussetzung für ein gutes Timing, denn im Prinzip koordinieren wir immer die Rhythmik unserer Bassline zum Puls.
Drum-Übung ternär
Natürlich kann man diese Übung nicht nur mit binären Achteln machen, sondern auch mit Triolen bzw. einem 6/8-Takt, also alles, bei dem die Pulsschläge in drei gleiche kleinere Einheiten unterteilt werden. Man kann “1 + di” für Triolen oder “1 2 3 4 5 6” für einen 6/8-Teakt zählen und empfinden, je nach musikalischem Kontext.
Backbeat-Übung
Als “Backbeat” bezeichnet man die Zählzeiten 2 und 4 innerhalb eines 4/4-Taktes. Er ist der Herzschlag und das definierende rhythmische Element aller Stilistiken wie Rock, Pop, Funk, Soul, R&B, Blues usw. Daher haben alle diese Stilistiken auch ein sogenanntes “Backbeat-Feeling”.
Der Backbeat ist immer betont, selbst wenn wir ihn gar nicht spielen, denn dafür sorgt schon allein das Schlagzeug, indem es die Zählzeiten 2 und 4 mit der Snare spielt. Diese ist zum einen recht laut, zum anderen besitzt sie einen peitschenden Sound.
Den Backbeat zu empfinden und auch, wie sich unsere Bassline zu ihm verhält, ist ein entscheidender Faktor für unseren Groove. Gerade in Funk, Soul, R&B und deren Derivaten lassen Basslines den Backbeat häufig frei und umspielen ihn. Eine solche Bassline nehmen wir uns jetzt als Beispiel.
Die Töne hammern wir mit unserer Greifhand und den Backbeat klopfen wir mit unserer Anschlagshand auf das Griffbrett (am besten nicht über den Pickups). Dies erzeugt einen Snare-ähnlichen Sound. Man darf ruhig kräftig klopfen, umso schneller und besser wird sich der Backbeat als Feeling etablieren.
Keine Überraschung sollte hierbei sein, dass wir es wieder mit dem Thema “Koordination” zu tun haben, also solltet ihr erst einmal den Ablauf beider Hände langsam üben. Wenn irgendwann alles klappt, kann man spüren und hören, dass die wenigen Töne der Bassline plus der Backbeat ausreichen, um einen vollständigen Groove zu etablieren, was die Bedeutung des Backbeats unterstreicht.
Jetzt bauen wir als nächsten Schritt noch zwei weitere Synkopen ein, um die Herausforderung etwas zu steigern:
Backbeat-Übung für Fortgeschrittene
Noch spannender wird es nun, wenn wir auch noch Sechzehntel mit ins Boot holen. Der folgende Groove basiert lose auf Victor Wootens “Me And My Bassguitar”. Die rhythmische Figur auf den Zählzeiten 1 und 3 wird auf der 2 und der 4 einfach wiederholt, nur die Töne ändern sich. Durch die Sechzehntel vor dem Backbeat wird es ganz schön tricky, aber eben auch äußerst “funky”!
Soweit erst einmal für heute!
Bis zum nächsten Mal, euer Thomas Meinlschmidt