In den USA der 60er-Jahre gab es zwei legendäre „Hit-Fabriken“: das Trio „Holland-Dozier-Holland“ und das Duo „Ashford-Simpson“. Aus der Feder von nur fünf Personen stammten unzählige Hits, die aber zu keiner Zeit nach Fließband-Produktionen klangen. Jeder Song ist stattdessen ein kleines Meisterwerk für sich, und eines davon ist ohne Frage „Ain’t No Mountain High Enough“. Das Stück wurde 1966 von Nickolas Ashford und Valerie Simpson geschrieben und vom damals unzertrennlichen Duo Marvin Gaye und Tammi Terrell gesungen. „Ain’t No Mountain High Enough“ wurde umgehend zu einem großen Hit, was sicherlich auch der eingängigen Bassline von James Jamerson, seines Zeichens Haus-und-Hof-Bassist des Motown-Plattenlabels, zu verdanken ist. Der Meister hat dem Song seinen ganz unvergleichlichen Stempel aufgedrückt, sodass es rhythmisch und melodisch einmal mehr eine Menge für uns zu lernen gibt. Leider verstarb Tammi Terrell tragischerweise nur drei Jahre später im Alter von gerade einmal 24 Jahren an einem Hirntumor. Der Song und ihre unvergleichliche Stimme werden uns jedoch für die Ewigkeit erhalten bleiben.
„Ain’t No Mountain High Enough“ – Video
Zur Einstimmung kann man hier den Song noch einmal in voller Länge hören:
„Ain’t No Mountain High Enough“ – Rhythmik
Wer schon immer mal Offbeat-Achtel üben wollte, liegt bei „Ain’t No Mountain High Enough“ genau richtig, denn der Vers ist gespickt mit diesen synkopischen Betonungen. Die viele Offbeats (Achtelnoten auf der +) prägen diesen Teil des Tracks und sorgen für tollen Drive nach vorne. Auf der 1 des jeweils ersten und dritten Taktes wird dieser aufgebaute Schwung wieder etwas eingebremst.
Im Chorus geht es etwas straighter zu und James Jameson spielt lange Ketten aus Achtelnoten. Dies lässt den Chorus deutlich fließender erscheinen. Die zahlreichen Achtel verdichten das Geschehen deutlich, was zu einer zusätzlichen dynamischen Steigerung führt.
Für dich ausgesucht
- Play-Alike James Jamerson
- Die besten Bass Riffs in Noten und Tabs – Bruno Mars: “Treasure”
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„Ain’t No Mountain High Enough“ – Tonmaterial
In „Ain’t No Mountain High Enough“ geht es harmonisch drunter und drüber – zumal für einen Popsong. Intro und Vers basieren auf einer chromatischen Akkordfolge, die sich nicht so ganz eindeutig einer Tonart zuordnen lässt. Im Chorus wird es etwas klarer, das tonale Zentrum ist hier G-Dur.
Auch die restlichen Akkorde lassen auf G-Dur hin, wäre da nicht der F#-Moll-Akkord. Der G-Dur-Tonleiter mit ihren Tönen G, A, B, C, D, E und F# fehlt nämlich das nötige C# für einen F#-Moll-Akkord, der aus F#, A und C# besteht. Dies würde wiederum eher auf die Tonart D-Dur hindeuten, zu der auch die restlichen Akkorde passen.
Kombiniert man beide Ansätze, so ist das Ergebnis G-lydisch, was der D-Dur-Tonleiter von G nach G entspricht: Wir haben es zwar mit den Tönen von D-Dur zu tun, das G steht aber ganz klar im Mittelpunkt.
Im Verlauf des Songs tauchen aber auch noch andere Überraschungen auf, darunter E-Dur- oder F#-Dur-Akkorde auf. Diese lassen sich aber als sogenannte Sekundär-Dominanten (aus einem leitereigenen Moll-Akkord macht man einen Dur-Akkord aufgrund der besseren Leittonwirkung der Dur-Terz) einordnen. Diese Chords ändern also nichts an der grundsätzlichen Tonart.
Nach der Bridge transponiert „Ain’t No Mountain High Enough“ um einen Halbton nach oben, folglich sind wir dann in Ab-lydisch. Ansonsten bleibt alles beim Alten.
„Ain’t No Mountain High Enough“ – Spieltechnik und Basssound
Beginnen wir mit James Jamersons Spieltechnik: Legendär ist bekanntlich sein sogenannter „Hook“ (Haken). Diese Bezeichnung bezieht sich auf seinen Zeigefinger der rechten Hand, mit dem er exklusiv die Saiten anschlug. Diese Technik übertrug er einfach vom Kontra- auf den E-Bass. Wechselschlag, wie wir ihn heute kennen, war zu dieser Zeit noch eher die Ausnahme. Diese sehr physische Spielweise, bei der er das Gewicht seines Armes einsetzte, resultiert natürlich in einem entsprechend fetten Sound.
Ebenso legendär wie der Hook war Jamersons „Funk Machine“: ein 1962er Fender Precision Bass. Das Instrument war mit dicken LaBella Flatwound-Saiten aufgezogen. Unter der Abdeckung (dem sogenannten „Ashtray“) der Brücke befand sich ein Schwamm, welcher die Ausklingphase der Saiten einbremste.
Da zu dieser Zeit alles live aufgenommen wurde, wollte man unnötig viele Klangquellen (wie z. B. einen Bassverstärker) vermeiden, da man diese natürlich ungewollt auf jedem Mikrofon im Raum hörte („Bleed“). Daher ging man dazu über, die Gitarren und den Bass meistens direkt ins Mischpult aufzunehmen. Jamerson mochte es, die Röhren im Pult etwas zu pushen und in die Sättigung zu fahren. Alles zusammen ergibt dann den legendären Motown-Basssound, der zu einem Standard wurde, und den wir alle heute noch lieben.
„Ain’t No Mountain High Enough“ – Transkription
Hier findet ihr die Noten, TABs sowie das von mir eingespielte Klangbeispiel.
Viel Spaß mit diesem Klassiker und bis zum nächsten Mal, euer Thomas Meinlschmidt
paul docmartney sagt:
#1 - 29.08.2024 um 13:11 Uhr
kennt ihr die großartige bbc-dokureihe "guitar, drums and bass", bei der lenny kaye die gitarre, stewart copeland das schlagzeug und tina weymouth den bass vorstellt? da ist eine grafische visualisierung der bassline von "ain't no mountain high enough" an ca. min. 18:30 die eindrucksvoll jamersons sensationelle berg- und talfahrt zeigt. die doku steht zwar auf youtube und da kann man sich die bassline auch anschauen, aber leider nicht anhören, weil motown wahrscheinlich wegen der rechte rumgezickt hat...
Franz Vege sagt:
#2 - 02.10.2024 um 10:13 Uhr
Vielen Dank