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Buchla-Tiptop Audio 258t und 281t Test

Selten war der Hype um Eurorack-Module so groß wie bei der neuen Eurorack 200 Serie von Buchla und Tiptop Audio. Mit ihr wird einer der einflussreichsten Modularsynths der Geschichte originalgetreu in das Eurorackformat konvertiert: Der Buchla 200, gebaut zwischen 1970 und 1978. Seine Bausteine – FM-Oszillatoren, Funktionsgeneratoren, Zufallssignale, Low-Pass-Gates und mehr – haben Einfluss auf viele bekannte Hersteller der heutigen Eurorack-Szene gehabt, von Verbos Electronics über Frap Tools bis hin zu Make Noise

Buchla & Tiptop Audio 258t und 281t Test

Doch es ist nochmal etwas anderes, wenn echte Nachbauten auf Basis der originalen Schaltpläne aus den 70ern erscheinen, wie es jetzt der Fall ist: Sechs komplett analog aufgebaute Module wurden von Buchla USA und Tiptop Audio im Herbst 2021 angekündigt. Zwei der grundlegendsten sind jetzt erschienen – und natürlich haben wir es uns nicht nehmen lassen, den 258t Dual-Oszillator und den 281t Quad-Funktionsgenerator direkt mal genauer anzusehen.

Details

Erster Eindruck

Buchla-Synthesizer sind für ihr besonderes Design bekannt; manche würden es sehr „eigen“ nennen. Mit großen blauen Potis sowie farbigen Kippschaltern und Patchpunkten wollte Don Buchla die Panels seiner Geräte übersichtlich und Funktionen so zugänglich wie möglich machen. Diese Philosophie sieht man auch den neuen Tiptop-Modulen an: Sie sind für Eurorack-Standards ziemlich breit, dafür umso strukturierter ausgelegt. Ihre Verarbeitung ist ähnlich makellos: Alle Potis lassen sich bequem drehen und Patchkabel rasten sauber ein.

Fotostrecke: 2 Bilder … und ihre Ein- und Ausgänge farbig kodiert.

Neben den recht kryptischen Zahlennamen wurde auch die besondere Farbkodierung der Patchpunkte von den Vorbildern übernommen: Alle CV-Eingänge sind schwarz, alle CV-Ausgänge blau. Audio-Signale kommen aus und gehen in Anschlüsse mit silbernen Muttern. Zudem zeigen rote Patchpunkte Trigger- bzw. Gate-Inputs und -Outputs an. Und die typischen Buchla-Linien auf den Panel-Oberflächen gruppieren das jeweilige Modul in zusammengehörige Bereiche.

258t Dual Oszillator: Zwei Wellen, vier Ausgänge

Logischerweise wird der duale Oszillator in zwei Hälften geteilt. Oben sitzt der eine, unten der andere Klanggenerator, beide haben eine Reihe an Inputs. Die großen Regler bestimmen die grobe Frequenz, welche von 5 Hz (LFO-Bereich) bis hoch zu 20 kHz reicht. Zwei Fine-Tuning-Regler gibt es auch – und dann sind da noch drei weitere Potis pro Oszillator.

Die Oszillatoren beider Abschnitte morphen zwischen Sinus und Sägezahn bzw. Pulswelle. (Quelle: Lukas Hermann)

Sie gestalten den charakteristischen Sound des Moduls. Der Buchla 258 – ein Ahne des unter Eurorack-Musikern recht bekannten „Complex Oscillators 259 – bietet Waveshaping sowie einige FM-Optionen. Zunächst zum Waveshaping: Beide Oszillatorkerne liefern in der Basiseinstellung Sinuswellen. Über den mittleren der fünf Potis kann die Welle des oberen zu einer Sägezahnwelle morphen, während der untere von einer Sinus- zu einer Pulswelle übergeht. Weil beide Parameter via CV moduliert werden können, sind die timbralen Möglichkeiten immens.

Viele FM-Optionen pro Oszillator

Und dann kommt die FM dazu. Primär ist für sie der gleichnamige Eingang gedacht, die Frequenz der Oszillatoren kann links daneben aber noch mit einem zweiten Signal (bipolar) moduliert werden. Weil der 1V/Oct-Eingang für Sequenzer-Signale faktisch auch FM ist, gibt es also insgesamt drei Eingänge für diesen einen Zweck. Unter anderem deshalb hat jeder der Oszillatoren auch zwei Soundausgänge, einen Audio-Mult quasi. Nicht nur können identische Signale so später im Patch unterschiedlich bearbeitet werden, sondern das Modul ist zudem auf Cross-Patching zwischen den beiden Oszillatoren ausgelegt. Darauf werde ich weiter unten genauer eingehen. 

281t Quad-Funktionsgenerator: LFOs, Hüllkurven und mehr

Vorher aber noch der Blick auf den 281t. Er ist eines der bekannteren Buchla-Module, unter anderem weil er im Make Noise Maths einen beliebten Eurorack-Verwandten hat. Wie das Maths ist der 281t Funktionsgenerator für CV-Steuersignale verantwortlich. Während das Maths zugunsten von CV-Abschwächern zwei Signale produziert, sind es beim 281t – der Name verrät es – vier. Sie haben alle eine feste Amplitude von 10 Volt, wie damals in Buchla-Synths auch – was in Eurorack manchmal zu Problemen führt. Zur Feineinstellung ihrer Intensität braucht es externe Abschwächer oder VCAs.

Mit gut lesbaren Bezeichnungen sind die Knöpfe und Regler des 281t schnell begriffen. (Quelle: Lukas Hermann)

Je nach Einstellung können die vier Generatoren des 281t unterschiedliche CV-Varianten ausspucken: AD-Hüllkurven, AHD-Hüllkurven oder LFOs. Pro Kanal gibt es zudem noch einen Triggerausgang, der am Ende jedes Zyklus’ aktiviert wird. Auch dieses Modul eignet sich hervorragend zum Selbstpatchen, etwas um mithilfe der Trigger eine Funktion nach der anderen zu starten. Wird das mit allen vier Generatoren nacheinander gemacht und patcht man dann den Trigger der letzten Hüllkurve wieder in den „Trig“-Eingang der ersten, hat man einen Loop aus vier Hüllkurven, quasi eine rudimentäre CV-Sequenz.

Auch als Oszillator einsetzbar

Attack und Decay der einzelnen Funktionen lassen sich extern modulieren, selbstverständlich auch von anderen Funktionen desselben Moduls. Sind Funktionsgeneratoren des 281t im „Cycle“-Modus für die Selbstoszillation, können sie zudem so schnell schwingen, dass sie selbst Oszillatoren werden. Mit einem Kauf der beiden Module erhält man also theoretisch satte sechs Klangquellen in zwei Modulen! Die Frage ist natürlich, ob man sie dann noch adäquat kombinieren kann …

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Praxis

Weil sie zwei zentrale Sound- und Modulationsquellen der 200-Serie darstellen, stecken schon viele Elemente des klassischen Buchla-Sounds im 258t und im 281t. Doch ein typischer Bestandteil der „Westcoast“-Synthese fehlt dem Duo noch: Das Low-Pass-Gate (LPG), eine Mischung aus Filter und VCA auf Optokoppler-Basis, das für artikulierte Sequenzen verwendet wird. Ein solches werden Buchla und Tiptop Audio in Form des Vierfach-LPGs 292t ebenfalls auf dem Markt bringen, doch es wird erst im Sommer 2022 soweit sein. 

Klassische „Buchla“-Bongos dank Sputnik-LPG

In Ermangelung des Vierfach-LPGs 292t  musste ich mich für diesen Test noch mit dem Sputnik Modular Quad VCF/VCA „begnügen“ – in Anführungszeichen deshalb, weil dieses Modul bis dato der beste Eurorack-Nachbau des klassischen Buchla-200-LPGs ist. Das Sputnik-Gerät ist das einzige Modul, was für die folgenden Sounddemos in diesem Test nebst einem Sequenzer noch hinzugenommen wurde – alle Kernsounds stammen also vom 258t, unter Zuhilfenahme des 281t.

Präziser und variabler Sound

Und die beiden Module liefern echt ab! Für seinen verhältnismäßig niedrigen Preis hat der 258t einen satten Sound. Die Sinuswellen beider Oszillatoren sind extrem sauber und morphen subtil in Richtung Sägezahn und Pulswelle. Mit nur leichter Modulation des Waveshapings werden Sequenzen bereits extrem lebendig.

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258t: Sinus und Sägezahn 258t: Sinus und Pulswelle

Außerdem wichtig für das Buchla-Paradigma, das ja weniger auf Filter baut als etwa Moog-Synths: Die Oszillatoren klingen prägnant, aber nie übermäßig scharf, was sie ideal für die Verwendung mit schwach filternden Low-Pass-Gates oder auch simplen VCAs macht.

Kein Through-Zero? Kein Problem!

Entsprechend viel Spaß macht dadurch auch die Frequenzmodulation. Weil er seinem Vorbild originalgetreu entspricht, verfügt der Dual-Oszillator nicht über „Through-Zero-FM“, verliert also bei hohen FM-Indizes nach und nach seine Tonstabilität. Aber der lineare FM-Eingang und sein angeschlossener Regler bieten trotzdem genug Spielraum, um elegante, sequenzierbare FM-Sounds zu generieren, bevor es ins atonale Chaos geht. Perfekt für noch mehr timbrale Varianz.

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258t: FM mit Sägezahnwelle 258t: FM mit Pulswelle

Endloses Cross-Patching

Für beides, FM und Waveshaping, können sich entweder beide Oszillatoren gegenseitig beeinflussen – oder der Quad-Funktionsgenerator kann mit einbezogen werden. Für artikulierte Mono-Sequenzen muss sich mindestens eine seiner vier Funktionen im triggerbaren AD-Modus befinden, um das LPG oder den VCA zu modulieren. Die anderen drei Segmente können danach frei konfiguriert und verteilt werden. Weil sie wie gesagt als Oszillatoren einsetzbar sind, wird dabei sehr komplexe FM möglich. Mit ein wenig Experimentierfreude fängt es schnell an zu zwitschern:

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258t & 281t: FM-Zwitschern

Multitimbral, perkussiv, dynamisch

Alternativ können die sechs Signale der beiden Module auch im 3:3-Verhältnis aufgeteilt werden und drei Oszillatoren und drei passende Hüllkurven darstellen. Mit etwas Crosspatching – und einem entsprechenden Sequenzer –  entstehen multitimbrale, perkussive Patches, die an Minimal Techno erinnern:

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258t & 281t: Percussion
Die beiden Module können insgesamt 6 Oszillatoren darstellen. (Quelle: Lukas Hermann)

Wer das realisiert hat, merkt auch bald: „Hey, der 291t kann doch auch allein als rudimentärer „Dual-Oszillator“ mit Hüllkurve eingesetzt werden.“ Dafür müssen zwei Kanäle als Oszillatoren und zwei als Hüllkurven für den VCA bzw. das Low-Pass-Gate eingerichtet und sequenziert werden. Die Tonhöheninformation geht in den Attack- oder den Decay-CV-Eingang der schwingenden Generatoren. Sie können diese Signale natürlich nicht sauber nach dem 1V/Okt.-Standard interpretieren, einen Versuch ist das aber dennoch wert. Bei mir kam Folgendes raus:

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281t: Solo

Ziel erreicht: Klingt alles nach Buchla! Ich habe noch einige weitere Experimente mit dem 258t und dem 281t angestellt, die den Rahmen hier aber sprengen würden. Nur so viel vor dem Fazit: Auch nach einigen Tagen intensiven Testens konnten die beiden Module mich immer wieder überraschen – ein klares Qualitätsmerkmal.

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Fazit

Westcoast-Synthese im Buchla-Stil ist nicht jedermanns Sache und daran werden die neuen, preiswerten Eurorack-Module aus der Fabrik von Tiptop Audio nichts ändern. Sie erleichtern aber definitiv den Einstieg in die komplexe Materie, wodurch diese viele neue Freunde finden wird. Es war eine clevere Entscheidung, die Buchla Eurorack 200 Serie mit dem 258t Dual Oscillator und dem 281t Quad Function Generator beginnen zu lassen, denn dies sind die beiden Module, mit denen die meisten Eurorack-Musiker direkt etwas anfangen können. Teile des 281t stecken im beliebten Make Noise Maths und einen Oszillator mit linearer FM haben viele bereits im Rack.

Es ist also leicht, die beiden Geräte in einem bestehenden Eurorack-System zu testen und sich zu entscheiden, ob in Zukunft ein ganzer Buchla-Synth mit Tiptop Audio-Modulen entstehen soll – oder man doch eher Abstand von der Westküste nimmt. Parallel gibt es dann noch User, die ersteres schon seit der Ankündigung der Reihe planen. Sie werden nicht enttäuscht: Die Module klingen hervorragend, sind sehr gut verarbeitet und transportieren mit ihrem Sound und Layout die klassische Buchla-Ästhetik, sodass sich jeder Westcoast-Fan direkt zu Hause fühlt.

Abschließend noch ein letztes Lob: Gerade im Westcoast-Segment des Eurorack-Markts ist hochwertige Hardware zu erschwinglichen Preisen extrem selten. Dafür, dass es die neuen Tiptop Audio-Module sind, muss insbesondere Buchla applaudiert werden. Wenn einzelne 4U-Module eines modernen 200e-Systems zwischen 1.200 und 3.000 Euro kosten, ist es keine Selbstverständlichkeit, analoge Nachbauten der historischen Vorbilder für unter 300 Euro anzubieten.

Kurzum: Der Hype ist berechtigt. Ich vergebe fünf von fünf Sternen für die ersten beiden Bausteine der Eurorack 200 Serie von Buchla und Tiptop Audio.

Buchla & Tiptop Audio Module 258t und 281t

Features

Preise

Buchla & Tiptop Audio 281t: Ca. 209 €*
Buchla & Tiptop Audio 258t: Ca. 198 €*

(* Straßenpreise am 17.03.2022)

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