Der Blues: Früher oder später kommt jede(r) von uns mal in die Verlegenheit, einen spielen zu müssen! Die zwölftaktige Bluesform ist häufig der kleinste gemeinsame Nenner auf Sessions. Trifft man sich spontan mit anderen Musikern, mit denen man unter Umständen noch nie gespielt hat, so ist der Blues oft jene Akkordfolge bzw. Songform, die jeder halbwegs kennt und daher unweigerlich die kleinste gemeinsame Schnittmenge. Man kann daher sofort loslegen, ohne lange darüber diskutieren zu müssen, was gespielt werden soll. Umständliche Erklärungen über Abläufe, B- oder C-Teile, Breaks etc. entfallen somit. In diesem Workshop gibt es die wichtigsten Bass-Tipps für sämtliche anstehenden Blues-Sessions!
Bei nicht wenigen Bassisten wird in Blues-Sessions nämlich im Handumdrehen der Panikmodus aktiviert: Aus dem Stegreif eigene Basslines zu kreieren – das macht man in der Regel nicht jeden Tag! Eigentlich wollte man sich ja auch schon längst mit der Bluesform beschäftigt und ein paar interessante Basslines dazu gelernt haben, aber das neueste Slaplick hatte natürlich wieder mal Priorität.
Und dann steht man plötzlich da – mit einem Haufen Fragen, die einem durch den Kopf schießen: Wie war gleich nochmal der Ablauf dieser Blues-Akkorde? Und was kann ich über den Blues an Tonleitern spielen? War da nicht was mit dieser Pentatonik? Was war noch gleich ein Dominantseptakkord? Was werden die anderen über mich denken, wenn ich nicht mal einen Blues richtig spielen kann? Kann man schon meinen Angstschweiß sehen?
Heute zeige ich dir ein paar ganz einfache Werkzeuge, wie man nahezu ohne Kenntnisse über Harmonielehre, Tonleitern, Akkorde etc. schon sehr interessante und authentische Basslines über die Bluesform spielen kann. Und das Beste: vieles davon lässt sich natürlich auch auf andere Situationen anwenden!
Die Bluesform
Um eines kommt man dabei freilich nicht herum: Die Bluesform (bzw. das Blues-Schema) muss man einfach lernen, daran führt kein Weg vorbei! Allerdings funktioniert dies auch am besten mit viel Hören und Spielen und weniger mit “Lernen” im herkömmlichen Sinn.
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Was versteht man unter dem Begriff “Bluesform”?
Die gebräuchlichste Bluesform besteht aus 12 Takten, die sich in drei Gruppen à vier Takten unterteilt. Dies stammt aus den Ursprungstagen des Blues. Hier wurde in den ersten vier Takten über ein bestimmtes Thema sein Leid geklagt, ein Statement gemacht, eine Frage gestellt … In den zweiten vier Takten wurde dies wiederholt. Und die dritten vier Takte stellen zuletzt quasi eine “Antwort” auf die ersten beiden da.
Schauen wir uns als Beispiel der bekannten Blues-Titel “Crossroads” an. Daran kann man diese Aufteilung sehr gut sehen:
- Erste vier Takte: “I went to the crossroad, fell down on my knees”
- Zweite vier Takte: “I went to the crossroad, fell down on my knees” (Wiederholung)
- Dritte vier Takte: “Asked the lord above ‘Have mercy, save poor Bob, if you please!'” (Antwort)
Harmonisch basiert das Blues-Schema auf einer bestimmten wiederkehrenden Abfolge der 1., 4. und 5. Stufe einer Tonleiter. Diese kennt ihr möglicherweise noch aus dem Schulunterricht unter den musikalischen Fachbegriffen Tonika, Subdominante und Dominante.
Zusätzlich kommen alle drei Tonstufen als sogenannte Dominantsept-Akkorde (Dur-Akkord mit zusätzlicher kleiner Septime) daher und wirken daher vom Klang her etwas “dreckiger”. Soweit wollen wir hier aber gar nicht gehen – uns interessiert vielmehr, wie wir das Ganze ohne großes Wissen sofort auf dem Griffbrett umsetzen können.
Sobald uns die Tonart bekannt ist, in der unser Blues gejammt werden soll, suchen wir den entsprechenden Grundton auf dem Griffbrett. In unserem Beispiel ist dies “G” (dritter Bund E-Saite oder fünfter Bund G-Saite). Dieser repräsentiert auch gleichzeitig die erste Stufe (wird in Musik immer mit der römischen Ziffer “I” dargestellt).
Auf dem folgenden Foto kannst du sehen, wo sich dann die vierte (IV) und fünfte (V) Stufe dazu befinden. Das Tolle: Da unser Griffbrett symmetrisch ist, gilt dieses Griffbild für alle Tonarten. Super, schon ein Problem weniger!
Zunächst geht es uns hier nicht um große Kunst, sondern um das “nackte Überleben”! Es ist wichtig, dass wir als Bassisten unseren Job erfüllen – und dieser ist eben zumeist rhythmischer Natur: Wir sollen das “Ding zum Grooven bringen”! Deine Mitmusiker sind in der Regel eher unsensibel (um nicht zu sagen: gleichgültig) gegenüber der melodischen Gestaltung deiner Bassline. Auf der anderen Seite sind sie aber umso empfindlicher, wenn der Bassistöne rhythmisch ständig daneben liegen!
Daher beschränken wir uns an dieser Stelle zunächst ausschließlich auf den Grundton des jeweiligen Akkords und spielen diesen in Viertelnoten. Das ist auch überhaupt keine Schande, sondern nicht selten sogar genau das Richtige! Nebenbei hilft diese Limitierung, dass wir uns auf das Erlernen der Form konzentrieren können. Das klingt und sieht so aus:
Das klingt doch schon mal gar nicht mal so übel, oder? Hier kannst du die Bluesform bzw. deren spezifische Akkordfolge in Noten und im Video nachvollziehen:
Die Abfolge der Stufen gilt gleichermaßen für jede Tonart. Natürlich gibt es darüber hinaus noch diverse Variationen dieses Blues-Schemas. Dieses hier ist allerdings am gebräuchlichsten und am häufigsten die Grundlage einer Jam-Session, wenn nichts anderes abgesprochen wurde. Mit dem Satz: “Spielen wir doch einfach einen Blues!” ist zu 99% eben dieses Schema gemeint.
Chromatik im Blues
Nachdem man die Form einigermaßen intus hat, kommt schnell der Punkt, dass man außer dem Grundton noch etwas mehr spielen möchte. Aber was? Ein einfaches, schnelles Mittel, bei dem man nichts über Harmonielehre wissen muss und das trotzdem authentisch klingt, ist die Chromatik, also die Bewegung in Halbtonschritten.
Wir nähern uns daher dem Zielton in Halbtonschritten, was auf den Bass übertragen heißt: Bund für Bund. Auf diese Weise haben wir statt Harmonielehre lediglich eine simple Matheaufgabe zu lösen, denn alles, was wir dafür beherrschen müssen, ist, bis vier zu zählen. Das klingt doch machbar, oder?
Bei zwei Tönen (C1, C2 im PDF genannt) starte ich dann auf der 3, um richtig auf der 1 des folgenden Taktes zu landen. Keine Sorge, das klingt jetzt vielleicht erst einmal verwirrend. Wenn ihr euch aber parallel die Noten/Tabs dazu anschaut, erklärt sich alles schnell von selbst.
Hat man das Prinzip einmal verstanden, ist diese Herangehensweise ziemlich einfach und klingt sofort nach einer authentischen Bluesline.
Noch mehr Blues-Chromatik
Nachdem wir das Prinzip gemeistert haben, erweitern wir es einfach abermals um einen weiteren Ton. Bei drei chromatischen Leittönen muss ich natürlich wieder eine Viertelnote (und einen Bund) früher starten, das wäre dann also die Zählzeit 2. Hier eine mögliche Bassline:
Das klingt doch schon ziemlich gut, und wissen mussten wir dafür eigentlich gar nichts. Naja, fast nichts: Bünde und Viertelnoten abzählen, das war es aber auch!
Untrennbar verbunden: Pentatonik und Blues
Zur Abwechslung nehmen wir uns nun ein wenig Tonmaterial vor. Die sogenannte Pentatonik ist ein äußerst beliebtes Mittel im Blues. Auch hier interessieren wir uns an dieser Stelle nicht für den theoretischen Hintergrund, sondern gleich um die praktische Umsetzung.
Ich gebe euch als Beispiel eine melodische Idee, welche auf der Pentatonik beruht. Von dieser Idee lernen wir nur das Griffbild und übertragen es 1:1 auf alle Stufen. So sieht das Griffbild in Bild und Noten aus:
Und so klingt diese Idee:
Dieser Sound kommt euch sicherlich bekannt vor, denn auf der Pentatonik basieren unzählige Basslines. Tatsächlich ist diese Idee auch recht cool, wird aber über die Dauer eines ganzen Songs sicher zu statisch. Deshalb gehen wir nun zum nächsten und letzten Schritt über:
Mix It Up!
Soweit, so gut! Im nächsten Schritt werfen wir alles, was wir bis zu diesem Punkt gelernt haben, in einen Topf – und rühren alles einmal kräftig um! Das pentatonische Riff aus dem letzten Beispiel ist dabei unsere melodische Grundlage, und als Übergang von einem Akkord zum nächsten dienen uns verschieden lange chromatische Überleitungen.
Und siehe da: Heraus kommt eine absolut authentische Bassline, die rein gar nichts vermissen lässt! Toll, oder? Immerhin haben wir diese Linie fast ohne theoretisches Wissen erreicht, sondern durch simple Logik und Mathematik bzw. dem Zählen bis 4.
Natürlich ist es immer besser, wenn man auch über die Hintergründe dessen, was man da so treibt, informiert ist. Aber in diesem Workshop geht es ja um das “nackte Überleben” – also um Survival-Tipps am Bass, die dazu führen, dass man schnell authentisch klingende Lines ohne großen Aufwand spielen kann, falls man sich mal unvorbereitet in einer Session wiederfindet.
Probiert zum Playalong auch möglichst viele eigene Ideen, denn das ist der eigentlich wichtigste Teil dieses Workshops!
Viel Spaß bei der Blues-Session und bis zum nächsten Mal, euer Thomas Meinlschmidt
Kathrin sagt:
#1 - 04.02.2023 um 17:18 Uhr
Vielen Dank für die hilfreiche Lektion! So ist FAS Bluesschema auch für mich als Anfänger nachvollziehbar!
DaDomas sagt:
#2 - 13.03.2024 um 15:11 Uhr
Danke für den Artikel! Zwei Kleinigkeiten: 1) Gleich zum Einstieg: Bei "fünfter Bund G-Saite", ist vermutlich die D-Saite gemeint, oder? 2) ein PDF Download frägt nach einem Password Ansonsten sehr schöner Beitrag.