Welche Sounddesign-Tricks sollte man kennen, um bessere und interessantere Sounds auf einem Synthesizer zu programmieren? In diesem Workshop stellen wir einige Sounddesign-Tricks vor, die etwas über das Standardrepertoire hinausgehen. Denn wer über den Tellerrand hinausschaut und die Möglichkeiten seines Synthesizers auslotet, dem eröffnet sich eine Welt voller unerwarteter und inspirierender Klänge. Schluss mit langweiligen Sounds!
Bei diesem Workshop kam die Novation Bass Station II zum Einsatz. Sie hat eine leicht verständliche Klangerzeugung, ist sehr beliebt und zudem weit verbreitet. Für Besitzer der Bass Station II stehen am Ende des Artikels übrigens Beispielsounds zum Download bereit. Man kann die Beispiele in diesem Artikel aber auch mit einem anderen Synthesizer nachspielen, denn viele Synthesizer verfügen über die dafür notwendigen Funktionen. Mehr über die Grundlagen der Klangerzeugung eines subtraktiven Synthesizers erfährt man in dieser Workshop-Reihe. Genauere Erklärungen zur Funktionsweise der einzelnen Sektionen wie Oszillator, Filter und LFO gibt es hier.
Sounddesign-Trick 1: Mehr Wumms durch Feintuning der Filterfrequenz
Vor allem bei Bass-Sounds kann man durch exaktes Feintuning der Filterfrequenz, gepaart mit einer gehörigen Portion Resonanz und Filter-Keytracking, für mächtig zusätzlichen Schub sorgen – ein durchweg praktischer Sounddesign-Trick. Die Grundlagen eines Tiefpassfilters sind sicherlich bekannt, wenn man den oben verlinkten Grundlagenartikel gelesen hat: Das Filter lässt dabei alle Frequenzen unterhalb einer einstellbaren Cutoff-Frequenz passieren, während Frequenzen darüber unterdrückt werden. Wo diese Grenzfrequenz liegt, bestimmt man mit dem Cutoff-Regler. Wie steil die Filterkurve verläuft, wird durch die sogenannte Flankensteilheit angegeben, die bei Synthesizern meist 24, 18 oder 12 dB/Oktave beträgt oder wählbar ist.
Mit Resonanz für Druck sorgen
Mit dem Resonance-Regler kann man den Frequenzbereich um die Cutoff-Frequenz betonen. Dies reicht von einer sanften Anhebung der Filterbewegungen bis hin zu einer heftigen Betonung. Bei manchen Synthesizern fängt das Filter bei stark aufgedrehter Resonanz übrigens selbst an zu schwingen und erzeugt dabei eine Sinusschwingung, was man als Selbstoszillation bezeichnet. Die Betonung der Filterfrequenz durch eine gehörige Portion Resonanz kann man sich zunutze machen, um einem Sound mehr Druck zu verleihen.
Hier ist ein einfacher Bass aus der Novation Bass Station II zu hören. Der Sound besteht aus einem Oszillator mit einer leicht modulierten Pulswelle und einem Suboszillator, der eine Oktave tiefer klingt und ebenfalls eine Pulswelle erzeugt. Der Filter-Cutoff befindet sich dabei in mittlerer Stellung, die Resonanz ist ganz heruntergedreht.
Für dich ausgesucht
Wenn man nun die Resonanz erhöht, tritt die gewählte Cutoff-Frequenz stärker hervor:
Sounddesign-Trick im Video: Auswirkung der Resonanz auf die Filterkurve
Dreht man nun am Cutoff-Regler unseres Beispielsounds, so hört man deutlich, wie verschiedene Frequenzen angehoben werden:
Auf der zuletzt „gefundenen“ Frequenz schwingt das Filter etwa eine Oktave über dem Oszillator. Und schon klingt unser Beispiel-Pattern viel druckvoller und aggressiver.
Hier noch ein Beispiel mit einer anderen Cutoff-Einstellung, mit der das Filter etwa eine Quinte über dem Oszillator schwingt, was einen „topfigeren“, aber auch aggressiveren Klang erzeugt. Hier sollte man ruhig mit der Cutoff-Frequenz experimentieren und genau darauf achten, wie sich das Filter verhält. Je nach Einstellung ergeben sich Sounds von subbassig über fett bis „knurrig“.
Wichtiger Tipp
Damit die Filterfrequenz den einzelnen Noten folgt und der Klang bei verschiedenen Noten gleich bleibt, ist es wichtig, das Filter-Keytracking zu aktivieren. Bei Synthesizern mit einstellbarem Keytracking sollte es auf 100% stehen. Dadurch wird die Cutoff-Frequenz von den gespielten Noten beeinflusst und die Filterfrequenz steht immer im gleichen Verhältnis zu den Oszillatoren – egal welche Note gespielt wird. Wenn man das Filter wie in diesem Beispiel quasi als zusätzlichen Oszillator verwendet, ist das natürlich erwünscht. Bei der hier verwendeten Novation Bass Station II wurde das einstellbare Filter-Keytracking erst mit dem Firmware-Update 2.5 hinzugefügt. Standardmäßig ist es aktiviert. Um das Keytracking bei diesem Synthesizer einzustellen (vorausgesetzt, die aktuelle Firmware ist installiert), drückt man bei gedrückter Function-Taste zweimal die Mod Wheel Filter Freq-Taste und kann dann das Keytracking von F 0 (maximal) bis F 7 (deaktiviert) einstellen.
Und noch ein Hinweis
Dieser Sounddesign-Trick funktioniert am besten bei Filtern mit einer hohen Flankensteilheit von 24 dB/Oktave oder mehr! Bei flacheren Filterkurven ist der durch die Resonanz betonte Bereich zu breit. Nur bei steilen Filtern ist die betonte Frequenz so prägnant, dass das Filter als Oszillator „zweckentfremdet“ werden kann.
Sounddesign-Trick 2: Lebendige Arpeggios und Sequenzen mit Sample&Hold
Wie alle Synthesizer-Sounds werden Sequenzen und Arpeggios interessanter, wenn Bewegung in sie kommt und Klangparameter moduliert werden. Im einfachsten Fall dreht man während der Wiedergabe an den Reglern für Cutoff, Resonanz und anderen Parametern, wie man in der folgenden Sequenz der Bass Station II hören kann:
Eine weitere Möglichkeit ist die Programmierung von Klangparametern im Step-Sequenzer. Einige Synthesizer verfügen dazu über Sequenzer, mit denen man Parameterwerte, beispielsweise für den Cutoff, für jeden Step einzeln programmieren kann (Modulationssequenzer). Bei der Bass Station II, die für diese Beispiele zum Einsatz kommt, gibt es diese Möglichkeit leider nicht. Trotzdem kann man einen ähnlichen Effekt erzielen: Mit Sample&Hold.
Was bedeutet Sample&Hold?
- Sample&Hold ist eine Schaltung, die eine fluktuierende Spannung (in der Regel eine Steuerspannung) beim Eintreffen eines Triggersignals „einfriert“. Die dabei ausgegebene Steuerspannung bleibt auf dem zuletzt erreichten Wert, bis das nächste Triggersignal eintrifft. Wenn das nächste Triggersignal eintrifft, hält die Schaltung den zu diesem Zeitpunkt erreichten Wert, und so weiter.
- Bei vielen Synthesizern ist S&H in die LFOs integriert und wird standardmäßig von einem LFO getriggert. Das Ergebnis ist dann eine zufällige, stufenförmige Modulation, deren Geschwindigkeit von der Frequenz des LFO abhängt. Einige Synthesizer (und natürlich auch Modularsysteme) bieten jedoch die Möglichkeit, ein anderes Triggersignal für die S&H-Schaltung zu verwenden, beispielsweise das Keyboard-Gate (Tastendruck).
Dreht man am Filter den Regler für die LFO-Modulation auf und wählt für den entsprechenden LFO2 die Schwingung S&H (Sample&Hold), so erhält man eine scheinbar zufällige, stufenweise, zyklische Filtermodulation wie im folgenden Beispiel. Die Geschwindigkeit kann man dabei mit dem LFO-Speed-Regler einstellen.
Die vielen Gesichter von Sample&Hold
In diesem Fall wird die S&H-Schaltung vom LFO getriggert, läuft also mit der eingestellten LFO-Geschwindigkeit. Bei vielen Synthesizern ist es aber auch möglich, die S&H-Schaltung nicht vom LFO, sondern vom Keyboard-Gate (also bei jedem Tastendruck) triggern zu lassen. Bei der Bass Station II verbirgt sich diese Einstellung hinter der Funktionstaste für LFO2 Speed/Sync. Dadurch springt die Filterfrequenz bei jeder Note auf einen neuen, scheinbar zufälligen Wert, wie im folgenden Beispiel zu hören.
Mit dieser Einstellung fügen wir unserer Sequenz eine Zufallskomponente hinzu, die durch sprunghaft wechselnde Filterfrequenzen rhythmische Akzente setzt. Das klingt ein wenig so, als hätte man die Filterfrequenz für jede Note im Sequenzer anders programmiert. Das Ergebnis ist eine abwechslungsreichere und interessantere Sequenz.
Im nächsten Beispiel steuert Sample&Hold anstelle des Filters die Frequenz von Oszillator 2, der mit Oszillator 1 synchronisiert ist. Das Ergebnis ist ein Obertonspektrum, das sich mit jeder Note ändert. Tipp: Mehr zum Thema Sync erfährt man in diesem Artikel.
Sounddesign-Trick 3: Neue Obertonstrukturen dank FM
Viele moderne Synthesizer verfügen über LFOs, deren maximale Frequenz im hörbaren Bereich liegt. Diese Eigenschaft kann man zudem für weitere Sounddesign-Tricks nutzen. So lassen sich FM-ähnliche Klänge erzeugen, auch wenn der Synthesizer nicht über die Möglichkeit verfügt, einen Oszillator durch einen anderen zu modulieren. Hier ist ein Oszillator mit einer Sinusschwingung zu hören, dessen Tonhöhe durch einen LFO moduliert wird. Die Geschwindigkeit des LFO wird langsam erhöht, bis ab einem bestimmten Punkt FM-ähnliche Effekte auftreten.
Die folgende Sequenz wird von einem Oszillator mit Sinusschwingung gespielt. Zusätzlich wird der Suboszillator aktiviert, der ebenfalls einen Sinus erzeugt und eine Oktave unter OSC1 erklingt. Dann kommt langsam OSC2 hinzu, auch mit einer Sinusschwingung, eine Oktave über OSC1. OSC2 wird wie im letzten Beispiel durch einen LFO frequenzmoduliert. Währenddessen wird die LFO-Geschwindigkeit und die Intensität der LFO-Modulation verändert. Das Ergebnis sind Klangfarben, die man sonst aus den Grundschwingungsformen des Synthesizers nicht herausbekommt.
Im nächsten Beispiel durchläuft der Klang ein Bandpassfilter, das ebenso mit einem sehr hochfrequenten LFO moduliert wird (Filter-FM). Während des Beispiels werden zudem die Frequenzen und Modulationsintensitäten der beiden LFOs (OSC2 Pitch und Filter) verändert.
Zum Schluss
Wir hoffen, dass diese Beispiele zu eigenen Experimenten anregen. Wie immer gilt: Beim Sounddesign ist alles erlaubt, es gibt kein „richtig“ und kein „falsch“. Mit ein paar Sounddesign-Tricks lassen sich auch aus einfach aufgebauten Synthesizern interessante und unerwartete Klänge zaubern. Dabei spielt es keine Rolle, ob man mit einer Workstation, einem analogen Synthesizer oder einem Plug-in arbeitet: Der Schlüssel zu tollen, individuellen Sounds liegt darin, den Synthesizer und seine Möglichkeiten genau zu erforschen.
Sounds zum Download
Wer eine Novation Bass Station II besitzt, kann die Beispielsounds dieses Artikels hier herunterladen. Um die SysEx-Dateien in die Bass Station II zu übertragen, benötigt man entweder die kostenlose Librarian-Software von Novation oder ein Standard-SysEx-Programm wie MIDIOX (Windows) oder SysEx Librarian (Mac).