„Das braucht doch eh keiner!“ oder „Das ist doch kein Bassspielen mehr!“ sind Sätze, die Bassist:innen häufig zu hören bekommen, wenn sie mit speziellen Spieltechniken auf dem E-Bass, einer erhöhten Anzahl von gespielten Tönen etc. „aus der Reihe tanzen“. Doch was ist „Bassspielen“ eigentlich genau? Tatsächlich konnte mir dazu bislang noch niemand eine allumfassende und zufriedenstellende Definition liefern. Ich denke, niemand anderes als die Musik sollte darüber entscheiden, wie viele oder wie wenig Töne gespielt oder welche Spieltechnik bemüht werden muss. Eine Spieltechnik, an der sich typischerweise die Geister scheiden, ist das Double Thumbing – eine spezielle Form der Slaptechnik, in welcher der Daumen ähnlich wie ein Plektrum eingesetzt wird. In diesem Workshop wollen wir die Pros & Cons zum Thema „Double Thumbing“ beleuchten. Denn eine Menge Spaß macht diese Technik allemal – vorausgesetzt, sie wird passend eingesetzt!
Double Thumbing – History
Populär wurde das Double Thumbing im Laufe der 90er-Jahre durch Victor Wooten. In der Band des E-Banjonisten Bela Fleck nutzte Wooten diese Spieltechnik ausgiebig. Spätestens mit seinem Soloalbum „A Show Of Hands“ versetzte er damit die internationale Basswelt in Staunen. Victor nutzt Double Thumbing auf unterschiedliche Weise und kombiniert es zusätzlich mit weiteren Spieltechniken.
Begonnen hat aber alles schon viel früher: Bereits in den 70er-Jahren kamen Larry Graham und Stanley Clarke auf die Idee, ihren Daumen in der Art eines Plektrums einzusetzen. Natürlich geschah dies noch nicht in einer solch spektakulären und virtuosen Art wie später bei Herrn Wooten, doch der Grundstock wurde damals gelegt.
Vor allem Larry Graham – seines Zeichens übrigens der wahrscheinliche Erfinder der Slaptechnik – würzte damit viele Basslines bei den Gruppen Sly & The Family Stone sowie Graham Central Station. Mit YouTube und den Sozialen Medien, in denen Videos geteilt werden, nahm das Double Thumbing Mitte der Nuller-Jahre zusätzlich Fahrt auf. Unter jungen Bassist:innen, die mit diesen Medien aufgewachsen sind, gilt die Spieltechnik daher bereits zum guten Ton und mitunter sogar schon als eine Art „Standard“.
Double Thumbing – Spieltechnik: “How to”
Double Thumbing wird ganz allgemein gerne mit der Slaptechnik in Verbindung gebracht. Tatsächlich wird bei beiden Spieltechniken auch der Daumen eingesetzt, um die Saiten in Schwingung zu versetzen. Doch es gibt Unterschiede zwischen beiden Techniken – der Bewegungsablauf ist genau genommen ein anderer!
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Während es sich bei der traditionellen Slaptechnik, die man etwa von Playern wie Louis Johnson oder Mark King kennt, um eine Rotation aus dem Unterarm handelt, bewegen wir diesen bei Double Thumbing eher vertikal auf und ab. Der Daumen schlägt dabei nicht auf das Griffbrett, sondern berührt die Saite mit einem kleinen Teil seitlich des Fingernagels.
Bei verschiedenen Playern kann man zwei unterschiedliche Positionen des Daumens beobachten: Direkt hinter dem Griffbrett oder ungefähr in der Mitte zwischen Hals und Brücke. Ersteres eignet sich ausgezeichnet für Grooves und virtuose Einlagen, zweiteres bietet sich für dynamische und perkussive Grooves an, da die Saite an dieser Stelle straffer ist und man den ganzen Arm einsetzen kann. Das Mehr an Hebelwirkung kann somit für einen größeres Dynamikspektrum sorgen.
Double Thumbing – Pros und Cons
Die „Pros und Cons“ zum Thems Double Thumbing sind natürlich wie immer sehr subjektiv. Was der oder die eine als Nachteil empfindet, ist unter anderen für andere Bassist:innen ein Vorteil. Wir versuchen dennoch einmal, so neutral wie möglich an die Sache heranzugehen!
Pro:
- Durch das Auf und Ab des Daumens ist relativ schnelles Spiel möglich
- Klare Definition der Note durch viel Attack
- Große Hebelwirkung durch Einsatz des gesamten Arms
- Großer Dynamikspielraum möglich, z. B. Betonung des Backbeats bei Grooves
- Durch größere Bewegung sehr physisches Spiel, welches mehr Rückmeldung als gibt als z. B. nur das Fingergelenk
- Perkussive Effekte wie Dead Notes kommen klarer zur Geltung als z. B. mit Fingern
- Rhythmische Sicherheit durch konstantes 16tel-Raster der „Auf und Ab“-Bewegung
- Erweiterung des eigenen Klangspektrums
Contra:
- Immer mehr Attack als beim Pizzicatospiel
- Immer perkussiverer Klang als das Pizzicatospiel
- Keine rund-fetten Sounds möglich, daher stilistisch etwas eingeschränkt
- Nicht gerade subtil, kann schnell aufdringlich wirken
Double Thumbing – berühmte Player
Hier sind ein paar der bekanntesten „Double Thumbing“-Player mit einigen inspirierenden Videos:
Victor Wooten: „Double Thumb Tutorial“
Victor Wooten: „Victors Jam“
Marcus Miller: „What Is Hip“
Larry Graham: „Everyday People“
Alain Caron: „D-Code“
Ethan Farmer: „Funky Groove“
Uriah Duffy: „Double Thumb Tipps“
Daric Bennett: „Freestyle Double Thumb Swing“
Double Thumbing – Sounds
Hier sind zwei funky Grooves – einmal mit Fingern und einmal mit Double Thumbing gespielt. Natürlich macht es Sinn, neben der Spieltechnik auch die Bassline in Sachen perkussive Elemente etc. anzupassen. Der Basis-Groove bleibt jedoch der gleiche!
Beide Wege haben sicher ihre Vorteile und ihre eigene Ästhetik. Das Double Thumbing sorgt aber ganz sicher für frischen Wind bei diesen Grooves!
Fazit
Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich an dieser Stelle wiederhole: Jede E-Bass-Spieltechnik ist in erster Linie ein Sound! Und je mehr unterschiedliche Sounds wir anbieten können, desto besser können wir auf die verschiedensten musikalischen Herausforderungen reagieren. Das gilt natürlich in gleicher Weise für das Double Thumbing. Falls man schlicht keine Lust auf diese Technik hat und den Sound nicht mag ‑ einfach die Finger davon lassen. Ein Muss ist diese Spieltechnik nämlich ganz sicher nicht, auch wenn sie heutzutage von zahlreichen „hippen“ Playern dargeboten wird.
Sicher ist aber auch: Von dummen Sprüchen wie „Braucht man das?“ oder „Das ist doch kein Bassspielen mehr!“ sollte man sich jedenfalls nicht davon abhalten lassen, Double Thumbing zu üben, wenn es einem Spaß macht. Was zählt, sind einmal mehr die eigene Lust am Experimentieren und die Freude am Instrument!
Bis zum nächsten Mal, euer Thomas Meinlschmidt