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Workshop Sound Design mal anders

Gerade im Bereich der Klangerstellung stehen dem ambitionierten Sound Designer heute enorme Möglichkeiten zur Verfügung. Dank digitaler Technik und vielseitigen Eingriffs- und Manipulationsmöglichkeiten scheint dieses Gebiet unerschöpflich. Ob im Bereich des Films, in der Musikproduktion,  der Spiele-Industrie, der Autoindustrie, und … und … und …, jeder versucht  seinem Produkt eine klanglich passende Atmosphäre zu bieten. Gerade im Bereich der Musikkomposition und Produktion, ist der “eigene” Sound so wichtig, um dem Endergebnis den Stempel des Produzenten aufzudrücken. Und jeder Musiker hegt den Wunsch, sich durch einen eigenen, besonderen Sound von Anderen abzugrenzen – als Alternative zu den Werkspresets der Hersteller von Synthesizern, Samplern und Workstations, etc. – obwohl die mitunter gar nicht schlecht sind. Jedoch sind es dort Sounds, die Andere entwickelt haben und eben nicht die Eigenen.

Workshop Sound Design mal anders. (Foto:Shutterstock/genkur)
Workshop Sound Design mal anders. (Foto:Shutterstock/genkur)
Inhalte
  1. Einleitung
  2. Was wird benötigt?
  3. Die Software zum Experimentieren: ThOnk_0+2
  4. Die Ausgangswellenform
  5. Die Zielwellenform
  6. Bearbeitung der neuen Wellenform
  7. Störende Obertöne sichtbar machen
  8. Loopen der neuen Wellenform
  9. Pegel der Kanäle justieren – Normalisieren und Lautheit prüfen
  10. Die Wellenform schneiden und in Form bringen
  11. Der letzte Schliff
  12. Finale Arbeiten
  13. Schlusswort und Hören des Ergebnisses
  14. Download

Einleitung

Widmen wir uns aber in diesem Workshop (m)einer besonderen Art der Klanggewinnung, die sich mit dem Thema “Recycling” beschäftigt. Aus alt mach neu. In der Werkstoffindustrie Gang und gäbe, lässt sich Recycling auch im Bereich von Klängen anwenden. Das ist insbesondere für diejenigen unter euch interessant, die gerne auf eigene Sounds zurückgreifen, die eben nicht jeder hat. Und hier stehen euch nun alle Wege offen.

Unter dem Sub-Thema “Experimentelles Sound Design mit Plan“, möchte ich euch in diesem Workshop Recycling von Sounds an einem Beispiel zeigen: Hier wird ein ursprünglicher Klang in einen völlig Neuen verwandelt. So, als wenn aus einer Getränkedose ein Uhrengehäuse entsteht. Die Königsdisziplin liegt darin, den neuen Sound auf einer Klaviatur tonal spielbar zu machen. Experimentell, weil man das Zwischenergebnis nicht immer sofort deuten kann, mit Plan, weil man aus dem Zwischenergebnis mit ein paar Tricks auf jeden Fall ein spielbares Ergebnis mit Aha-Effekt erhält.
Das Thema ist schon ein bisschen “nerdy” und hätte in der Sub-Sub Line eigentlich “Aus alt mach neu mit alt” lauten müssen, denn das wichtigste Tool, das zum Generieren der neuen Audiodatei notwendig ist, ist ein recht alter Apple Macintosh Rechner mit einem noch älteren Betriebssystem, dem OS 9.2.2, welches auch unter dem Namen “Classic” bekannt ist. Der von mir verwendete Rechner ist ein Mac “G4” aus dem Jahr 2002, der mit zwei Betriebssystemen bestückt ist: OS 9.2.2 “Classic” und OS 10.4.11. Das benötigte OS 9.2.2 kann übrigens noch unter diesem Link heruntergeladen werden und ist für die alten Macintosh Rechner “G3” und “G4” bestimmt.
Die Vergangenheit lässt grüßen: MacOS 9.2 Startup Screen. (Screenshot: Michael Geisel)
Die Vergangenheit lässt grüßen: MacOS 9.2 Startup Screen. (Screenshot: Michael Geisel)

Ich vermute, dass der eine oder andere, ein solches Teil mit den genannten Voraussetzungen, noch irgendwo auf dem Dachboden gelagert hat und es nun wieder neuen Diensten zur Verfügung stellen kann. Ich vermute aber auch, dass bei den Anderen diese Möglichkeiten nicht bestehen. Diese dürfen diesen Workshop aber als Grundlage oder Idee für eigene Experimente ansehen.
Warum verwende ich den alten Mac? Die Antwort ist einfach: Wir leben heute im Jahr 2017 und in einem Zeitalter, in dem Synthesizer aus dem Museum so populär sind, wie noch nie. Schon vor diesem Hintergrund, verwende ich einen alten Rechner mit einem noch älteren Betriebssystem, um einen angesagten und zeitlosen Sound außerhalb aller Normen enstehen zu lassen.

Was wird benötigt?

Um die Vorgehensweise selbst nachvollziehen zu können, benötigt ihr mindestens:

  • Einen Apple Macintosh Rechner mit OS 9.2.2 (Classic). Ich verwende einen Power Mac “G4”.
  • Einen modernen Mac oder PC für die nachfolgend gelisteten Softwareprodukte
  • Audiobearbeitungssoftware, die neben gängigen Signalverarbeitungsprozessen auch loopen kann (z.B. Steinberg Wavelab …)
  • Audiobearbeitungssoftware mit der das Frequenzspektrum bearbeitet werden kann (z. B. RX6 Advanced von iZotope)
  • Einen Sampler (Software Sampler für DAW und/oder Hardware-Sampler, Synthesizer mit integriertem Sampler …). Ich verwende einen Korg Kronos-2 88 (Modelljahr 2015).
  • Eine nostalgische Freeware App für den Mac, die gleich noch erwähnt wird.

Das klingt zunächst nach viel Zubehör, und vielleicht auch ein bisschen speziell, ich bin mir aber sicher, dass der eine oder Andere auf diese Dinge zugreifen kann, wie eingangs schon erwähnt. Der Weg heiligt die Mittel.

Die Software zum Experimentieren: ThOnk_0+2

Vor vielen Jahren bin ich durch Zufall auf ein kleines Programm gestoßen, das von dem niederländischen Softwarespezialisten Audioease als Freeware auf dessen Webseite angeboten wurde: “ThOnk_0+2“. Geschrieben hat das Programm Arjen van der Schoot und er hat schon damals eine Reihe an Verwendern begeistert. Audioease ist vielen sicherlich schon wegen deren Faltungshalls “Altiverb” ein Begriff. Die kleine Applikation mit dem kunstvollen Namen “ThOnk_0+2” habe ich – heute, viele Jahre später – wieder hier bei Audioease und auf der Website “macintoshrepository.org” gefunden. Auf zuletzt genannter Webseite lässt sich das Programm herunterladen.
ThOnk_0+2 von Audioease aus dem Jahr 1996. (Screenshot: Michael Geisel)
ThOnk_0+2 von Audioease aus dem Jahr 1996. (Screenshot: Michael Geisel)
“ThOnk_0+2”  ist eine äußerst einfach zu bedienende Freeware App für den Mac, die im Zeitraum von 1996 – 2002 angeboten wurde. Das Programm läuft nativ auf 68K Prozessoren (System 7.0 – 7.6) und Apple PowerPC Versionen, welche seinerzeit mit OS 9 betrieben wurden. Bei heutigen Macs sollte die App (ggf.) noch im Classic Modus laufen, sofern das OS noch installiert werden kann. 
ThOnk_0+2 basiert auf Granular Synthese, um sehr vielfältige neue Sounds auf Grundlage einer Quell-Audiodatei, die vom Benutzer zur Verfügung gestellt wird, zu erzeugen. Das spannende an “ThOnk_0+2”: Man hat keinerlei Kontrolle über das, was innerhalb der Software passiert. Es stehen primär zwölf unterschiedliche Algorithmen zur Verfügung, mit denen die Prozesse des Programms vorbestimmt werden. That’s it!
Die bei ThOnk_0+2 vorab wählbaren Prozesse, werden unter den folgenden Bezeichnungen feilgeboten:
  • Classic Flowing
  • Classic Hectic
  • Penthaton
  • Shepard
  • Dis
  • Octaves stretch to 1 minute
  • Octaves stretch to 5 minutes
  • Plain stretch to 1 minute
  • Plain stretch to 5 minutes
  • Flash
  • Slack
  • ztochazt!k=akadem!wank

Selbst die Namensgebung macht alles sehr spannend. Denn man weiß nicht, wie sich die gebotenen Algorithmen auf die eingespeiste Wellenform später auswirken. Wenn man ein wenig Zeit mit dem Programm verbracht hat, und die Auswirkungen der wählbaren Parameter ein bisschen kennengelernt hat, lässt sich die Struktur der zu erwartenden Sounds zumindest erahnen. Dennoch muss man auch hier immer mit Überraschungen rechnen. 
Womit füttere ich ThOnk_0+2?
Um die Arbeit aufzunehmen, benötigt ThOnk_0+2 eine Audiodatei mit folgenden Eckdaten: 16Bit, max. 44 KHz, mono, “.aiff”-Fomat, beliebige Dateigröße. Die Samplerate der Quelldatei darf auch unterhalb 44 KHz liegen. Die Aussage “beliebige Größe” ist hier wirklich relativ zu betrachten. Damals befanden sich Festplattengrößen noch in den Bereichen von wenigen hundert Megabyte, und diese waren obendrein noch extrem teuer. Im völligen Gegensatz zu heute. Ich erwähne diesen “Nostalgiepunkt”, denn das, was ThOnk_0+2 aus einer größeren Quell-Wellenform macht, konnte damals schon die Platte vollschreiben…
Gut, wenn man’s weiß…
Die mit ThOnk_0+2 zu wandelnde Audiodatei, sollte für den Beginn, nicht länger als z. B. vier Sekunden lang sein. Das hat seinen Grund: Während des Arbeitsprozesses “granuliert” ThOnk_0+2 die zu Grunde gelegte Audiodatei quasi in deren einzelne Atome. Aus ca. vier Sekunden Mono-Ausgangsmaterial, generiert die App eine Zehn-Minuten Stereodatei. Der Vorgang dauert mit meinem alten Mac G4, der wahlweise mit OS 9.2.2 (Classic) und OS X (10.4.11) betrieben wird ca. zwanzig Minuten. Danach sind die vier Sekunden Ausgangsmaterial zerpflückt. Den Prozess kann man aber jederzeit auch zwischendrin abbrechen, wenn man meint, dass eine Minute Ausgabematerial ausreichend sind. Ich würde das Programm länger laufen lassen, denn man weiß nie sofort, welche Parts in der Ausgabedatei brauchbar sind, und welche nicht.

Die Ausgangswellenform

Meine zu recycelnde Ausgangsdatei oder Quell-Wellenform ist ein FM E-Pianosample mit Ursprungstonhöhe C5. Bei genauem hinhören ist da auch noch eine Portion Rauschen mit drin. Das macht aber nichts. Im Gegenteil, hier wird selbst das Rauschen noch geschreddert.
Aus diesem Sample gestalte ich jetzt einen völlig neuen Sound, der strukturell und klanglich nichts mehr mit dem ursprünglichen FM E-Pianosample zu tun hat, und der später auch als neue Klangkreation tonal und dazu sehr flexibel mit meinem Sampler spielbar ist.

So sieht die Quell-Wellenform aus …

Quell-Wellenform FM E-Piano, 4 Sek., Mono, 44.1 kHz. (Screenshot: Michael Geisel)
Quell-Wellenform FM E-Piano, 4 Sek., Mono, 44.1 kHz. (Screenshot: Michael Geisel)

… und so klingt sie!

Audio Samples
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Audio: Quell-Wellenform FM E-Piano, 4 sek., mono, 44.1 kHz

Nach dem Einladen der Quell-Wellenform in ThOnk_0+2, selektiere ich den Algorithmus “Classic Flowing”, wähle den Zielordner für die Ausgabedatei, die später zum leichteren Erkennen, neben dem Ursprungsnamen auch automatisch den Namen des gewählten Prozesses” Flowing” enthält, und starte den Prozess. In der folgenden knappen halben Stunde kann ich nun getrost andere Dinge erledigen.

ThOnk_0+2, Auswahl des Algorithmus. (Screenshot: Michael Geisel)
ThOnk_0+2, Auswahl des Algorithmus. (Screenshot: Michael Geisel)

Die Zielwellenform

Zwanzig Minuten später… Spannung pur! Was habe ich erhalten?
Nachdem der Prozess in Thonk abgeschlossen ist, füge ich der von ThOnk_0+2 erzeugten Datei, die gleichzeitig – und obendrein automatisch – die Namensergänzung des vorangegangenen Prozesses “Flowing” erhalten hat, das Suffix “.aiff” an. Das Programm macht das auf meinem Rechner jedenfalls nicht automatisch, warum auch immer. Nachdem die neu entstandene Datei nun eine echte “.aiff” Datei ist, kann ich sie problemlos in meinen Audioeditor (hier: WaveLab) importieren. Die von ThOnk_0+2 generierte neue Stereo-Datei verfügt über eine Spielzeit von zehn Minuten und ist somit einhundertfünzig Mal so lang wie meine Quelldatei! In dieser neuen Stereo-Datei markiere ich nun den Part, den ich für die weitere Arbeit ausgesucht habe. Dieser hat eine Spielzeit von etwas mehr als eine Minute.
So sieht das Ganze dann in WaveLab aus:

Die von ThOnk_0+2 erzeugte neue Stereo-Datei mit zehn Minuten Spielzeit. Der markierte Teil zeigt den Audiobereich für das folgende Audiobeispiel. Spielzeit: etwas über eine Minute. (Screenshot: Michael Geisel)
Die von ThOnk_0+2 erzeugte neue Stereo-Datei mit zehn Minuten Spielzeit. Der markierte Teil zeigt den Audiobereich für das folgende Audiobeispiel. Spielzeit: etwas über eine Minute. (Screenshot: Michael Geisel)

Klanglich zeige ich euch jetzt nur den im Bild oben markierten Ausschnitt der Gesamtdatei, der immerhin länger als eine Minute läuft.

Audio Samples
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Der markierte Ausschnitt der Gesamtdatei (Spielzeit etwas über eine Minute)

Bearbeitung der neuen Wellenform

Jetzt geht’s ins Detail!

Das vorangegangene Bild, bzw. den dort markierten Part, zoome ich jetzt herein, und zeige den eben gehörten Audio-Part für sich alleine.
Hier interessiert mich jetzt genau die im folgenden Bild neu markierte Sektion, denn hier bleibt die Tonhöhe über eine Dauer von ca. zweiundzwanzig Sekunden ziemlich konstant, was für die spätere Nutzung im Sampler und ein tonales Spielerlebnis enorm wichtig ist. Vor der Markierung und danach ändert sie sich wieder und wird für unseren Zweck unbrauchbar.
In der markierten Sektion bleibt die Tonhöhe über eine Dauer von ca. zweiundzwanzig Sekunden ziemlich konstant. Gute Voraussetzungen. (Screenshot: Michael Geisel)
In der markierten Sektion bleibt die Tonhöhe über eine Dauer von ca. zweiundzwanzig Sekunden ziemlich konstant. Gute Voraussetzungen. (Screenshot: Michael Geisel)
Den markierten Teil der Wellenform schneide ich jetzt aus und schaue, bzw. höre mir das Ganze im Detail an. In der Basis klingt der Sound schon sehr interessant. Rauchig, und mit stereofoner Modulation. Toll zu nutzen in einem Pad. Aber hier stören noch drei Obertöne, die sich als Intervalle in unterschiedlichen Lagen in Form einer Quarte, einer kleinen und einer großen Septime darstellen.
Die vorher markierte Sektion mit konstanter Tonhöhe, wird freigestellt für die weitere Bearbeitung. (Screenshot: Michael Geisel)
Die vorher markierte Sektion mit konstanter Tonhöhe, wird freigestellt für die weitere Bearbeitung. (Screenshot: Michael Geisel)

Anhören des im vorigen Bild markierten Teils der Wellenform:

Audio Samples
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In der Basis klingt der Sound schon sehr interessant. Rauchig, und mit stereofoner Modulation. Toll zu nutzen in einem Pad. Aber hier stören noch drei Obertöne!

Störende Obertöne sichtbar machen

Um genau zu sehen, um welche Frequenzen es sich bei den “Störern” handelt, lade ich die entstandene Stereo-Wellenform in den RX 6 Audio Editor von iZotope. Dieser zeigt mir nun in der Spektralansicht alle dominanten Frequenzen in schöner Ordnung (Bild 1).
Würde ich die neue Wellenform ohne zusätzliche Bearbeitung in meinen Sampler laden und spielen, gäbe es ein Problem, denn die zusätzlich zum Grundton addierten Obertöne, würden auf einer Taste in Form eines dissonanten Akkordes erklingen und Akkorde wollen wir ja nachher selbst spielen. Also, müssen diese aus der Wellenform entfernt werden.
Im folgenden Bild habe ich die zur Entfernung verurteilten Störenfriede markiert. Das Schöne an digitaler Technik ist, dass man Audio sehen kann und einem nichts verborgen bleibt. Dank iZotopes RX6 Audio Editor kann ich nun die markierten Obertöne entfernen (Bild 2).
Nach der Entfernung der störenden Obertöne zeigt die Spektralansicht “Löcher” anstelle der vorher vorhandenen Obertöne (Bild 3).
Fotostrecke: 3 Bilder Bild 1: Darstellung aller Obertöne in Spektralansicht im RX6 Audioeditor. (Screenshot: Michael Geisel)

Nach der Entfernung der störenden Obertöne, hat sich auch der Klang der Wellenform drastisch verändert. Hört unter Beispiel 1 die Wellenform vor, und unter Beispiel 2 die Wellenform nach dem chirurgischen Eingriff.

Audio Samples
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Beispiel 1: Die Wellenform vor der Entfernung der störenden Obertöne. Beispiel 2: Die Wellenform nach dem Entfernen der nicht gewollten Obertöne.

Loopen der neuen Wellenform

Im nächsten Schritt muss die Wellenform noch geloopt werden. Hierbei ist daran zu denken, dass es tatsächlich nur ein einziges Stereo-Sample ist, kein Multisample, welches über die gesamte Klaviatur transponiert wird. Je nach entstandener Tonhöhe, die werden wir nachher noch ausloten, liegt das neue Stereo-Sample irgendwo in der Tastaturmitte, wo es nach unten und nach oben ausgelesen wird. Mit jeder Änderung der Tonhöhe nach unten wird das Sample stetig langsamer ausgelesen. Mit Änderung der Tonhöhe nach oben, wird es schneller ausgelesen. Um selbst bei einer Transposition über ein Intervall von 3 Oktaven plus nach oben noch anständig klingen zu können, muss eine lange Loop gewählt werden. Das Auslesen nach unten stellt bei dieser Wellenform kein Problem dar, im Gegenteil, dieser Sound lebt von seiner abstrakten Struktur. (Bild 1 zeigt die zu loopende Wellenform nach dem chirurgischen Eingriff).
Loop Crossfade mit Vorsicht
Hier wähle ich eine Loop-Länge von 9 Sekunden, die den gesamten Sound schön rund gestaltet und im Diskantbereich auch noch eine gute Figur machen lässt, weil sich die Frequenz der Loop-Repetition in Grenzen hält. Ist die Loop perfekt, hört man diese kaum. Durch die Pegel-Unterschiede vom Loop-Start bis zum Loop-Ende, das Audio-Signal steigt in seinem Volumen an, setze ich ein kurzes Loop-Crossfade an. Man kann das zu verarbeitende Audio-Signal aber auch vorsichtig mit einem Compressor/Limiter bearbeiten, um die Lautstärke im Verlauf auf einem Level zu halten. Die richtigen Crossfade-Prozesse regeln den Lautstärkeausgleich jedoch auch zur vollen Zufriedenheit. (Bild 2 zeigt die platzierte Loop vor Ausführen des Crossfade-Prozesses).
Loop glätten
Mit dem Loop Uniformizer bietet WaveLab ein nettes Feature, mit dem eine zuvor ge-crossfadete Loop in ihrem Verhalten gleichmäßig gemacht wird. Hierbei wird die gesamte Loop noch einmal in vorher wählbare Abschnitte unterteilt und erneuten Crossfadeprozessen unterzogen. Die Anzahl der Unterteilungen verändern auch den Sound, und deswegen sollte man mit dieser Funktionen vorsichtig umgehen. Ich wähle hier jetzt den Wert “3” und führe den Prozess aus. È violá, das Ergebnis klingt so, wie ich es mir wünsche und selbst der Lautstärkeanstieg vom Loop Start bis zum Loop Ende ist Geschichte.
Übrigens: Man kann man den Uniformizer zusätzlich mit rechnerisch ausgeführten Effekt-Prozessen (Chorus-Glättung) nutzen. Diese Funktion verwende ich aber grundsätzlich nicht, da der verwendete Sampler selbst Effekte bereitstellt, mit denen ich später das Signal flexibler weiter bearbeite. (Bild 3 zeigt den Loop Uniformizer in WaveLab)

Fotostrecke: 3 Bilder Bild 1: Zeigt die zu loopende Wellenform nach dem chirurgischen Eingriff. (Sreenshot: Michael Geisel)

Pegel der Kanäle justieren – Normalisieren und Lautheit prüfen

Im nächsten Schritt kümmere ich mich darum, dass die beiden gebotenen Audio-Kanäle gleichmäßig laut sind. Im ersten Schritt normalisiere ich beide Kanäle, jeden Einzelnen für sich, auf “Null” dB und höre mir das Ergebnis an. Stelle ich fest, dass ein Kanal im Gesamtbild hervorsticht, reduziere ich seine Lautstärke solange, bis es passt. WaveLab stellt mit “Panorama normalisieren” ein tolle Funktion bereit, mit der ich vorab feststellen kann, in wie weit sich beide Kanäle in ihrer Lautstärke zueinander unterscheiden. Um im Bedarfsfall die Lautstärke der Kanäle zueinander anzugleichen, wird hier die Wahl zwischen “Spitzenpegel” und “Lautheit” geboten. Ich wähle “Lautheit”, was mir garantiert, dass beide Pegel in ihrem zeitlichen Verlauf gleich laut sind. Gleich laut ist dabei nicht gleichzusetzen mit identischem Spitzenpegel!
Pegel der beiden Audiokanäle justieren. Beide Kanäle müssen im zeitlichen Verlauf gleich laut sein. (Screenshot: Michael Geisel)
Pegel der beiden Audiokanäle justieren. Beide Kanäle müssen im zeitlichen Verlauf gleich laut sein. (Screenshot: Michael Geisel)

Die Wellenform schneiden und in Form bringen

Wenn beide Kanäle gleich laut sind, die Loop perfekt sitzt, entferne  ich den Audiopart hinter der Loop, lasse aber ein paar Samples stehen, um sicherzugehen nicht den Loop-End Marker ins Nirwana zu schicken. Viele Sampler machen das später nach dem Einladen des Samples auch automatisch. Vor dem eigentlichen Loop-Start wähle ich noch eine gute Portion Audio, die mir einen schönen Sound-Start garantiert und schneide den nicht benötigten Audio-Part davor weg.
Fotostrecke: 4 Bilder Die gewählte Position für den Sound-Start wird am Null-Durchgang ausgerichtet. (Screenshot: Michael Geisel)

Der letzte Schliff

Jetzt schaue ich, ob die Samples am Sound-Start für beide Kanäle bei “Null” auf der X-Achse starten. Starten sie mit einer erhöhten Amplitude, knackt es später, wenn der Note-On Befehl das Sample im Sampler auslöst. Sollte es knacken, selektiert man für beide Kanale im Bereich des Sound-Starts den nächst gelegenen Nulldurchgang der beiden Kanäle. Da es sich hier um eine Stereo-Wellenform handelt, sind sie auch in ihrer Struktur nie identisch und so kann es sinnvoll sein, an dem neu gewonnenen Startpunkt einen Bereich von ca. zwanzig bis fünfzig Samples auszuwählen und diesen mit einem Fade-In bearbeiten. Diese Vorgehensweise ändert nichts am Klangverhalten des Samples, eliminiert aber das Knacken.
Anmerkung:  Das Knacken kann aber auch ein brauchbarer Aspekt des Sounds an sich sein. Denkt hierbei z. B. einmal an den Key-Click der Hammond-Orgel. Hier sollte jeder für sich selbst entscheiden, ob der “harsche” Sound-Start benötigt wird oder nicht. Eine Korrektur könnte man später auch während der Programmierung des Sounds per Hüllkurven (Filter und Amp) in den Griff bekommen. Die folgenden Bildbeispiele sowie meine Einleitung zu diesem Thema sollen euch eine Hilfestellung sein, falls ihr vorhabt, Knackgeräusche am Sound-Start durch eine Korrektur direkt am Sample selbst vornehmen zu wollen!

Das neue Stereo-Sample einmal ohne (Audio 1) und einmal mit (Audio 2) direkt im Sample korrigiertem Sound-Start.

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(Audio 1) Nicht korrigierter Sound-Start, kein Nulldurchgang. Hörbares Knacken im Attack. (Audio 2) Korrigierter Sound-Start, Nulldurchgang. Sauberer Attack.

Finale Arbeiten

Jetzt ist es soweit, das neue Stereo-Sample in das Format zu bringen (wav, aiff, SF2, etc. …), das vom Sampler gelesen wird, um eingeladen werden zu können. Die Tonhöhe des neuen Samples liegt im Sampler meines verwendeten Korg Kronos auf D4 und muss jetzt noch feingestimmt werden (+ 22 Cent). Um das Sample über den gesamten Tonumfang spielen zu können, muss der Tonumfang im Sampler noch justiert werden. Im von mir verwendeten Kronos, lege ich diesen für einen Bereich von “C-1” bis “G 9” fest. So ist sichergestellt, dass der neue Sound auf der kompletten Tastatur (88 Tasten) spielbar ist, und zusätzlich noch Reserven für eine oktavweise Transponierung nach oben und unten gegeben sind. Danach steht das Sample zur weiteren Soundprogrammierung zur Verfügung.

Schlusswort und Hören des Ergebnisses

Damit ihr hören könnt, wie die weiterverarbeitete Stereo-Wellenform klingen kann, habe ich noch ein paar Sounds im Kronos vorbereitet, die mit dem neuen Stereo-Sample arbeiten. Je nach verfügbarem Sampler, sind die Möglichkeiten für die nachträgliche Programmierung unterschiedlich. Deswegen kann der Sound woanders genutzt, auch anders klingen. Das aber liegt in der Natur der Sache.
Viel Spaß!

Audiobeispiele mit dem neuen Stereo-Sample:

Audio Samples
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(Audio 1) “Flowing”-Pad mit Filter- und Resonanzmodulation. (Audio 2) “Flowing”-Pad mit Lead-Sound aus derselben Wellenform, gelayert mit Saw-Wellenform. (Audio 3) “Flowing-Basssound (sequenced) solo, danach mit Drums.

Download

Damit ihr die von ThOnk_0+2 erzeugte Stereo-Wellenform selbst nutzen könnt, oder selbst nachvollziehen wollt, was die alte Macintosh-App sonst noch so alles macht, habe ich einen Download vorbereitet, der euch folgende Daten bietet:

  • FM_EPiano_44k_Mono_C5.aiff (Quell-Wellenform)
  • Flowing_SSt_korrigiert.wav (Neue Stereowellenform, geloopt, Sound-Start korrigiert)
  • Flowing_SSt_nicht_korrigiert.wav (Neue Stereowellenform, geloopt, Sound-Start nicht korrigiert)
  • thonk_02.sit_hqx (Mit Stuffit komprimierte Apple Macintosh-App)

Für die, die das Beispiel aus Mangel an Tools nicht nachvollziehen können, gibt dieser Workshop vielleicht Anreize, selbst einmal in Experimentierlaune zu kommen, um dem Wunsch zum eigenen Sound näherzukommen.

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Workshop Sound Design mal anders. (Foto:Shutterstock/genkur)

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